Wie werden Roboter unser Leben verändern? In der Interviewreihe „Große Fragen“ sprechen die RWTH-Professorinnen Heike Vallery und Sebastian Trimpe über die Zukunft der Robotik, den Einsatz künstlicher Intelligenz im Alltag, ethische Herausforderungen – und warum uns trotz aller Technik die Menschlichkeit erhalten bleiben sollte. Ein spannender Einblick in aktuelle Forschung und gesellschaftliche Verantwortung.
In der Interviewreihe „Große Fragen“ beantworten Expertinnen und Experten der RWTH Fragen, die die Welt bewegen. Heike Vallery studierte Maschinenbau an der RWTH, danach forschte sie unter anderem in München, Zürich, Abu Dhabi und Delft an Robotik zur Unterstützung menschlicher Bewegungen. 2023 kehrte sie als Alexander-Humboldt-Professorin zurück an die RWTH Aachen und leitet dort das Institut für Regelungstechnik.
Sebastian Trimpe ist seit 2020 Professor für Data Science im Maschinenbau an der RWTH Aachen. Sein akademischer Werdegang ist interdisziplinär: Er studierte allgemeine Ingenieurwissenschaften und Elektrotechnik in Hamburg mit einem Forschungsaufenthalt in Berkeley. Seine Promotion schloss er 2013 an der ETH Zürich im Maschinenbau ab. Danach forschte er unter anderem in der Informatik am Max-Planck-Institut für intelligente Systeme in Tübingen und Stuttgart. Neben seiner Professur leitet er gemeinsam mit Professor Hoos das KI-Center der RWTH Aachen.
Zehn Jahre weiter, gleiche Situation: Stellen dann noch Menschen Fragen und ein Roboter serviert den Kaffee?
Professor Sebastian Trimpe: Ich sehe die technischen Möglichkeiten für Fragen stellende Roboter, die Kaffee servieren, als bereits gegeben, aber als keine große Forschungsaufgabe. Die eigentliche Herausforderung liegt nicht in der Technik, sondern in der menschlichen Akzeptanz. Ich glaube, dass wir Menschen persönliche Interaktionen bevorzugen werden, auch in zehn Jahren noch. Ein robotisches Gespräch per Video, selbst wenn technisch möglich, empfinde ich, vermutlich auch Sie und andere, als weniger angenehm. Deshalb treffen wir uns hier persönlich.
Professorin Heike Vallery: Im Interview könnte wahrscheinlich in Zukunft ein Algorithmus nicht nur Sie als Fragestellerin, sondern auch uns als Interviewpartner ersetzen. Sebastian und ich haben schon genügend öffentlich geäußert, so dass man daraus durchaus synthetisieren könnte, welche Antworten wir wahrscheinlich geben werden.
Haben Sie eine unterschiedliche Definition des Begriffs „Roboter“?
Vallery: Bestimmt. Für mich ist ein Roboter ein System, das in der physikalischen Welt interagieren kann, indem es Sensoren und Antriebe benutzt, um Bewegungen oder Kräfte auszutauschen. Die Verarbeitung von sensorischen Eindrücken, die zu Bewegungen oder Kräften führt, ist ein essentieller Bestandteil.
Trimpe: Für mich ist ein Roboter zunächst eine Maschine im physikalischen Sinn, ein technisches System, welches Kräfte und Bewegungen umwandelt und Aufgaben ausführt. Der Roboter ist eine automatisierte Maschine: Über Sensoren nimmt er die Welt wahr und über Motoren und andere Aktoren interagiert er mit der physikalischen Welt und führt automatisch Aufgaben aus. Wichtig und wesentlich ist dabei, dass eine Computersteuerung dahintersteckt. Diese ist gewissermaßen die Schnittstelle zu den KI-Algorithmen, durch die der Roboter „intelligent“ wird.
Sie sind Mitglieder des neu gegründeten Robotics Institute Germany (RIG). In welchen Bereichen der Spitzenforschung sind Sie daran beteiligt?
Trimpe: Wir beide sind noch mit weiteren Kollegen mit unterschiedlichen Schwerpunkten daran beteiligt. Computer Vision für Robotik ist beispielsweise ein Bereich, den unser Kollege Bastian Leibe vertritt. Hier geht es darum, aus Kameradaten Wissen und Informationen über die Welt zu extrahieren. Gerhard Lakemeyer forscht im Bereich der Kognitiven Robotik. Mit ihrer Forschung messen sie sich jedes Jahr mit anderen Teams weltweit in der RoboCup Logistics League, einer Art Wettbewerb, um den Fortschritt in der Robotik voranzutreiben, den sie schon mehrmals gewonnen haben. Intelligente Robotik in der Produktion von unserem Kollegen Christian Brecher ist ein weiterer Bereich, in dem wir in Aachen stark und im RIG aktiv sind.
Für welchen Bereich sind Sie zuständig?
Trimpe: Mein eigener Forschungsbereich ist die lernbasierte Robotik. Wir erforschen Methoden und Algorithmen, die Roboter in die Lage versetzen, zu lernen. Damit können Roboter bestimmte Aufgaben und Fähigkeiten wie beispielsweise dynamische Bewegungen selbständig lernen, statt dass Menschen diese kleinschrittig „von Hand“ programmieren oder aufwendige Modelle erstellen müssen. Um das zu erreichen verbinden wir oft Verfahren aus dem Bereich des maschinellen Lernens und der KI mit klassischer Regelungstheorie, um so beispielsweise Algorithmen zu erhalten, die garantiert sicher und zuverlässig funktionieren.
Wir bauen auch konkret Robotersysteme, mit denen wir im Labor unsere KI-Forschung sichtbar werden lassen. Zum Beispiel haben wir einen Quadrocopter-Schwarm entwickelt, bei dem wir erforschen, wie sich mehrere Drohnen ohne zentrale Steuerung selbständig untereinander koordinieren können. Ein weiteres Beispiel ist unser Mini WheelBot, ein einradfahrender Roboter. Hier untersuchen wir, wie wir lernbasierte Regelung auf kostengünstiger Hardware mit hoher Performance umsetzen können.
Wo liegt Ihr Schwerpunkt?
Vallery: Ich habe in meiner Vergangenheit viel an der Biomedizin geforscht, vor allem wie Robotik Menschen bei der Bewegung unterstützen kann. Das umfasst robotische Prothesen, Gewichtsentlastungssysteme und einen Fahrradsimulator für ältere Menschen. Im RIG wollen wir solche Projekte weiter erforschen. Ein anderes Beispiel ist unser intelligenter Roboter-Ball, eine minimalistische Lösung zur motorischen Rehabilitation. Er funktioniert wie ein Hybrid zwischen Sportgerät und elektronischem Haustier, ähnlich einem Tamagotchi. Er fordert Aufmerksamkeit, animiert zum Spielen, bleibt aber ein normaler Ball.
Diese Projekte erfordern interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Physiologen, Medizinern und Industriedesignern. Wir versuchen, unsere Plattformen und Erkenntnisse zugänglich zu machen – open access. Wir wollen ein Ökosystem schaffen, in dem Forscher schnell auf den Ergebnissen anderer aufbauen können, nicht nur durch Publikationen, sondern auch durch direkten Austausch von Methoden.
Werden durch Roboter mehr Arbeitsplätze geschaffen oder vernichtet?
Trimpe: Ich sehe es nicht so, dass plötzlich etwas ganz Neues passiert. Wir sind in einer Weiterentwicklung. Wir automatisieren Aufgaben und entwickeln neue Maschinen und Roboter schon seit Jahrzehnten. Durch die enormen Fortschritte in der KI gibt es zweifelsohne großes Potenzial für die Robotik, das zu Sprüngen führen kann und wird. Aber ich sehe keine plötzliche Revolution, eher eine Evolution. Auch früher wurden manche Arbeitsplätze durch Maschinen übernommen und dadurch sind neue entstanden. Ich denke, das wird sich fortführen und durch Fortschritte in der Robotik und KI sicher beschleunigen. Daraus entsteht gleichzeitig großer Forschungsbedarf, damit wir die „richtigen“ KI-Methoden in der Praxis einsetzen – nämlich solche, die sicher, verlässlich und nachhaltig sind, was unser Forschungsschwerpunkt am Aachener KI-Center ist.
Vallery: Die Robotik wird viele Arbeitsplätze verändern, einige körperlich anstrengende oder gefährliche Jobs könnten sogar wegfallen, was durchaus positiv ist. Ob die Robotik insgesamt mehr oder weniger Arbeitsplätze schafft, kann ich nicht sagen, aber die Wartung, Bedienung und Entwicklung dieser Systeme werden sicher neue Jobs schaffen. Kollaborative Robotik wird dabei eine wichtige Rolle spielen.
Meine größte Sorge geht aber über den reinen Arbeitsplatzaspekt hinaus: Der Ressourcenverbrauch durch Robotik und die beispielsweise damit verbundene Elektroschrott-Problematik werden noch zu wenig beachtet. Je mehr wir Roboter für Aufgaben einsetzen, die Menschen gut selbst erledigen können, auch im Privatleben, desto mehr verschärfen wir die Ressourcenknappheit.
Wie sehen Sie das?
Trimpe: Es gibt Bereiche, in denen wir Robotik dringend benötigen. Zum Beispiel in der Pflege und der Medizin stehen wir vor enormen Herausforderungen, da es bereits jetzt viel zu wenig Arbeitskräfte gibt. Viele Tätigkeiten sind körperlich anstrengend, und es wird immer deutlicher, dass wir mehr Personen brauchen, die in die Pflege gehen. Das Problem wird in Zukunft nur größer. Ohne technologische Weiterentwicklungen ist es für uns als Gesellschaft völlig unklar, wie wir diese Herausforderungen bewältigen können. Wir benötigen Unterstützung durch technologische Lösungen, sonst werden die Kosten aus dem Ruder laufen, und wir können uns den aktuellen Standard, den wir haben, nicht mehr leisten.
Vallery: Ich sehe die Entwicklung als Chance für einen höheren Lebensstandard der zu versorgenden Menschen. Meiner Erwartung nach könnten sie dadurch länger selbstbestimmt leben und eigenständig über Dinge wie Mobilität und Ernährung entscheiden, die Lebensqualität könnte sogar steigen. Allerdings erkenne ich die große Herausforderung des aktuellen und sich verschärfenden Fachkräftemangels, besonders in diesen schlecht bezahlten und belastenden Berufen. Dies sehe ich aber auch als Chance für den Einsatz von robotischen Systemen – wobei ich betonen möchte, dass man sich darunter nicht unbedingt humanoide Roboter vorstellen sollte, die Menschen umhertragen.
Sondern?
Vallery: Ich sehe eine Zukunft mit vielen kleinen, spezialisierten Lösungen, die ganz anders aussehen werden als heute erwartet. Diese werden sowohl im Körper Bewegungsdefizite ausgleichen als auch clever in die Umgebung integriert sein – etwa als kleine Hilfen an Stühlen oder Rollstühlen. Ich erwarte minimalistische, individuell angepasste Lösungen, die so vielfältig sein werden wie die Bedürfnisse der Menschen selbst.
Trimpe: Ich sehe es ähnlich. Ich bin nicht überzeugt, dass humanoide Roboter wirtschaftlich in großem Stil sinnvoll sind. Obwohl es heute technisch möglich ist, einen Roboter mit Armen und Beinen zu bauen, der zum Beispiel Kaffee bringen kann, halte ich das für viele Anwendungen für zu kostspielig und komplex. Ich sehe eher spezialisierte technische Lösungen, die bestimmte Funktionen effizienter erfüllen können. Zwar mag es Spezialfälle geben, wo zweibeinige Roboter in menschlich gestalteten Umgebungen sinnvoll sind, aber ich erwarte zumindest in naher Zukunft nicht, dass universell einsetzbare humanoide Roboter unseren Alltag überall bestimmen werden.
Die Vorstellung, dass menschenähnliche Roboter neben uns herlaufen und mit uns leben, finde ich ziemlich erschreckend…
Trimpe: Was heißt „mit uns leben“? Wenn jemand allein zu Hause wohnt und es schwierig ist, etwas aus dem Kühlschrank zu holen und die Person dann mit einem intelligenten Gerät redet und beispielsweise sagt: „Bereite mein Abendessen zu“, dann finde ich das nicht beängstigend. Ich sehe es als Assistenzsystem. Was ist technisch möglich, was wirtschaftlich und was wollen wir? Das sind auch gesellschaftliche Fragen. Auf KI bezogen, haben wir uns in Europa die Maxime gegeben, dass wir „human-centric AI“ entwickeln und einsetzen wollen, also menschenzentrierte und vertrauenswürdige KI. Das überträgt sich auf die Robotik. Assistierende Maschinen oder System zu haben, ist für mich eine gute Vorstellung.
Können Sie ein Beispiel dafür nennen?
Trimpe: Ich habe früher während des Zivildienstes auch Hausnotrufdienst gemacht. Die Menschen trugen einen Notrufknopf, den sie nach einem Sturz betätigen mussten, dann sind wir hingefahren, um zu helfen. Ich stelle mir vor, dass in Zukunft intelligente Roboter Menschen helfen, indem sie Notfälle erkennen und einen Notruf absetzen können.
Vallery: Ich habe an einem System mitgearbeitet, das einen Sturz bereits während des Fallens erkennt und einen Airbag auslöst, um Hüftbrüche zu verhindern. Meiner Meinung nach können solche einfachen Systeme die Selbstständigkeit und Lebensqualität deutlich verbessern. Ich möchte später auch selbst bestimmen können, wann ich esse, statt auf Hilfe warten zu müssen. Dafür wäre ein Assistenzsystem sehr hilfreich.
Das leuchtet ein…
Trimpe: Finden Sie das auch beängstigend?
Nein, im Gegenteil. Assistenzsysteme aller Art sind sinnvoll. Ich finde nur die Idee von lebensgroßen Robotern, die neben einem herlaufen, beängstigend…
Vallery: Das ist es für viele. Man nennt das „Uncanny Valley“. Wenn etwas sehr menschenähnlich ist, aber nicht ganz wie ein Mensch wirkt, empfindet man das als unheimlich. Sobald etwas komplett menschlich erscheint und man keinen Unterschied mehr erkennen kann, finden wir es wieder sympathisch. Aber kurz davor, wenn zum Beispiel eine Puppe fast, aber nicht ganz menschlich aussieht, löst das ein deutliches Unbehagen aus.
Trimpe: Manche Forscherinnen und Forscher streben menschenähnliche Roboter an, aber das ist kein Ziel meiner Forschung. Wichtiger ist die konkrete Funktionalität bei der Problemlösung. Statt über das Aussehen sollten wir diskutieren, welche autonomen Systeme wir als Gesellschaft wollen und wo wir Grenzen setzen müssen.
Vallery: Nicht nur Laien, sondern auch wir Fachleute sind oft in vorgeprägten Denkmustern gefangen. Wenn wir mit einem Problem konfrontiert werden, neigen wir dazu, reflexartig auf bewährte Lösungsansätze zurückzugreifen. Ein typisches Beispiel ist die Entlastung von Pflegekräften: Statt offen über verschiedene Möglichkeiten nachzudenken, landet man schnell bei Standards wie Exoskeletten. Alternative Ansätze, wie etwa intelligente Krankenbetten oder völlig neue Konzepte, werden selten in Betracht gezogen. Diese eingefahrenen Denkmuster zu durchbrechen und eine wirklich offene, lösungsorientierte Herangehensweise zu entwickeln, ist auch für Ingenieure eine große Herausforderung.
Gibt es Aufgaben, die Roboter heute schon besser erledigen können als Menschen?
Vallery: Alles, was mit Positioniergenauigkeit zu tun hat, können Roboter schon seit Jahrzehnten viel besser. Die Roboter in der Automobilfertigungsindustrie beispielsweise können extrem genau Dinge platzieren.
Trimpe: Sie können repetitive Aufgaben 24/7 ohne Ermüdung ausführen.
Vallery: Sie können auch größere Kräfte erzeugen. Schwieriger ist es für Roboter, genaue Kraftregelungen durchzuführen. Der menschliche Körper ist sehr gut dafür geeignet, zum Beispiel beim Händeschütteln die Kraft präzise zu regulieren. Das können Roboter mit herkömmlicher Hardware nur sehr schwer.
Welche menschlichen Fähigkeiten sind für Roboter noch besonders schwer zu replizieren?
Vallery: Das Gleichgewicht auf zwei Beinen zu halten. Es gibt inzwischen beeindruckende Gegenbeispiele, aber die sind immer noch weit davon entfernt, was menschliche Athleten können.
Können Roboter irgendwann auch Gefühle erlernen?
Vallery: Das ist eine philosophische Frage und liegt außerhalb meiner Expertise. Interessanter finde ich die Frage, ob ein Beobachter wahrnimmt, dass der Roboter Gefühle hat. Menschen sind sehr dazu geneigt, animistisch zu denken und Objekten Intentionen oder Gefühle zuzuschreiben. Wir haben das mit unserem Roboterball getestet. Gruppen sollten eine Emotion in die Bewegung des Roboters programmieren und andere Gruppen sollten die Emotion erkennen. Eine Gruppe implementierte „traurig„, indem der Ball langsam rollte und immer wieder stehen blieb. Das wurde relativ konsistent als traurig erkannt, obwohl das System nur einfache Regeln befolgte, die in zwei Stunden programmiert wurden.
Man kann philosophisch fragen, was überhaupt eine Emotion ist. Je nach Definition könnte man als Ingenieur sagen, eine Kostenfunktion in einem Algorithmus beschreibt, wie „glücklich“ ein Roboter mit einem Ergebnis ist. Aber das sind Interpretationen, die wir geben. Ich glaube nicht, dass wir ohne Philosophen eine abschließende Antwort darauf geben können.
Professor Trimpe, wie sehen Sie das?
Trimpe: Ich sehe, dass Menschen besonders gut in der Anpassung an neue, komplexe und unstrukturierte Situationen sind. Wir versuchen, Robotern durch KI und Lernverfahren diese Fähigkeiten beizubringen, aber Menschen haben hier immer noch einen Vorteil, sei es durch Intuition, Common Sense oder Anpassung. Was Gefühle betrifft, glaube ich, dass Roboter zwar menschenähnlich reagieren können – was für Assistenzfunktionen durchaus nützlich sein kann – aber ich glaube nicht, dass sie tatsächlich eigene Emotionen entwickeln werden.
Vallery: Ich sehe das als eine grundsätzlichere Frage, die über die Robotik hinausgeht: Können Algorithmen Emotionen haben? Das ist weniger eine Frage der physischen Form. Schon heute können wir bei ChatGPT den Anschein von Emotionen beobachten. Ich denke, wir müssen uns fragen: Wie interpretieren wir diesen Anschein? Sind es echte Emotionen? Reicht der bloße Eindruck von Emotionen aus? Und müssen wir den Entstehungsmechanismus verstehen? Diese Fragen sind unabhängig von der Robotik zu betrachten.
Ich habe mittlerweile durchaus eine Art emotionale Verbindung zu ChatGPT aufgebaut. Haben Sie das auch?
Trimpe und Vallery (gleichzeitig): Nein.
Trimpe: Ich habe das nicht, weil ich weiß, was sich dahinter verbirgt, auch wenn wir das nicht selbst entwickelt haben. Für mich ist ChatGPT eine Software und damit ein mächtiges Werkzeug. Und wie bei jedem mächtigen Werkzeug kann man damit einerseits tolle Dinge machen, andererseits birgt es auch Risiken. Ich habe noch nie eine Bindung dazu aufgebaut.
Vallery: Das liegt daran, dass wir sehr genau wissen, was dahintersteckt. Aber das hält mich nicht davon ab, einigermaßen höfliche Fragen zu stellen.
Welche ethischen Fragen ergeben sich aus der Robotik? Gibt es Grenzen, die wir als Gesellschaft ziehen sollten?
Trimpe: Auf jeden Fall. Bei jeder Technologie müssen wir uns fragen, was wir wollen und was nicht, denn KI und Robotik sind mächtige Werkzeuge und mit dieser Macht gehen auch potenzielle Gefahren einher. Ein Beispiel: Eine künstliche allgemeine Intelligenz, also eine dem Menschen generell überlegene Intelligenz zu entwickeln, halte ich nicht für erstrebenswert – so das überhaupt möglich ist. Aus meiner Sicht muss im Zentrum stehen, dass wir Systeme bauen, die uns als Menschen nützen. Das bedeutet, dass wir Grenzen ziehen müssen. Was okay ist und was nicht, ist eine gesellschaftliche Frage, die mit allen Akteuren diskutiert werden muss.
Vallery: Eine größere Frage ist, wie wir solche Grenzen überhaupt durchsetzen können. Es ist oft intransparent, was die Zielsetzungen hinter Entwicklungen sind. Viele Akteure halten sich nicht an den gleichen Moralkodex wie viele Forscherinnen und Forscher. Es sollte gesetzliche Regularien geben, aber das reicht sicher nicht aus, weil es so schwer zu kontrollieren ist. Wir sollten uns nicht darauf verlassen, dass Regularien alles ausreichend abdecken. Für mich selbst habe ich noch engere Grenzen, wie zum Beispiel keine militärische Forschung zu betreiben.
Wie sind Sie geworden, was Sie sind?
Vallery: Ich habe als Kind mit Märklin und LEGO Technic gespielt und war begeistert von Mechanik und Mathe. Im Maschinenbau-Studium entwickelte sich dann das Bedürfnis, Systeme zu bauen, die Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen helfen. Von da war der Weg zur Robotik relativ nahe.
Trimpe: Ich fand Mathe, Computer und technische Systeme schon immer gut. In der Robotik kommen all diese Interessen schön zusammen. Das Motto meiner Forschung „From the mathematical proof to a working implementation on the machine“ fasst das gut zusammen – von der Theorie und mathematischen Beweisen zu etwas, das auf einer echten Maschine funktioniert. Beides finde ich motivierend und gleichzeitig relevant.
Die Fragen stellte Nicola König.