Juniorprofessorin Laura Vargas Koch hat den Lehrstuhl Algorithmische Spieltheorie und Diskrete Mathematik an der RWTH übernommen und schlägt eine Brücke aus der Grundlagenforschung in die Anwendung
Ihre Forschung begegnet Laura Vargas Koch jeden Morgen – direkt auf der Straße: Wenn die Juniorprofessorin auf dem Weg zur Arbeit sieht, wie sich die Autos auf der Roermonder Straße stauen, dann denkt sie an Gleichungen und Algorithmen, die den Berufsverkehr beschreiben. Denn Vargas Koch ist Mathematikerin und hat an der RWTH Aachen den Lehrstuhl für Algorithmische Spieltheorie und Diskrete Mathematik oder kurz GDM (Games & Discrete Mathematics) übernommen.
Es ist eine Rückkehr an den Ort ihrer Promotion. Damals waren es spannende Zeiten zwischen Hörsaal und Judomatte, denn Laura Vargas Koch war eine herausragende Judoka: Bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro gewann sie die Bronzemedaille, bei den Weltmeisterschaften 2013 die Silbermedaille, insgesamt erkämpfte sie sich bei Welt- und Europameisterschaften im Einzel und in der Mannschaft acht Silber- und Bronzemedaillen, bevor sie 2019 diese Karriere beendete und 2020 die Promotion erfolgreich abschloss. Es folgte eine Zeit, in der sie als PostDoc an der ETH in Zürich und in Chile arbeitete und zuletzt als Junior Fellow eine Professur am Hausdorff Center for Mathematics der Universität Bonn (hcm) innehatte.
Ihr Schwerpunkt Algorithmische Spieltheorie beschreibt mathematisch Situationen, in denen sogenannte Agentinnen und Agenten miteinander interagieren, dabei aber ein individuelles Interesse haben. Etwa schnellstmöglich mit dem Auto zur Arbeit zu kommen. Was genau aber der schnellste Weg für jede und jeden einzelnen ist, hängt wiederum stark vom Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmenden ab.
Ähnlich und doch anders verhält es sich dann mit der kooperativen Spieltheorie – bei der es ein gemeinsames Ziel gibt, etwa die Erlöse eines Verkaufes aufzuteilen. Hier gilt es, Fairness mathematisch zu definieren. „Das ist eine fast philosophische Aufgabe“, sagt Vargas Koch. In der diskreten Mathematik, insbesondere in der diskreten Optimierung, geht es darum, aus einer diskreten, endlichen Menge von Optionen möglichst effizient eine beste (oder beweisbar gute) Option zu wählen. Beide Felder verbindet die Möglichkeit, mathematisch reale Fragestellungen zu ergründen.
Ihre Professur ist eine sogenannte Brückenprofessur, ist hälftig in der Fachgruppe Mathematik in der Fakultät 1 und hälftig in der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften angesiedelt und schlägt damit die Brücke von der theoretischen Grundlagenforschung zur Anwendung. „Das ist besonders reizvoll, denn ich interessiere mich immer auch für die konkrete Anwendung“, beschreibt es Vargas Koch. Und so findet ihre Forschung dann auch den Weg von der Formel auf dem Whiteboard in die reale Welt.
Für ein Beispiel bleiben wir beim Straßenverkehr: Die gebürtige Berlinerin untersucht mit ihrem Lehrstuhl beispielsweise, wie zusätzliche Faktoren wie Mautgebühren und andere komplizierte Einzelfälle das Gesamtverhalten beeinflussen. Das ist für Verkehrsplaner am Ende von großem Interesse. Potenzielle zukünftige Forschungsfelder beschäftigen sich mit dem Datenverkehr im Internet oder unseren Stromnetzen. Auch hier sind Algorithmen wegweisend.
Apropos wegweisend: Ihren Weg ins Büro berechnet die Mathematikerin übrigens nicht. Sie fährt mit dem Fahrrad. Da ist sie unabhängiger von den meisten anderen Verkehrsteilnehmenden.