Dr. Lena Tacke ist eine von drei RWTH-Forschenden, die zu Jahresbeginn ins Junge Kolleg der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste aufgenommen wurden.
Als Professurvertreterin forscht Dr. Lena Tacke auf dem Gebiet der Religionspädagogik und der Theologie an der RWTH Aachen. Doch ihre Interessen sind – wie ihr Forschungsgebiet – weit gestreut. Nicht zuletzt der interdisziplinäre Ansatz ihrer Forschung überzeugte die Kommission der Akademie der Wissenschaften und der Künste NRW davon, sie in das Junge Kolleg der Akademie aufzunehmen.
Frage: Was bedeutet Ihnen die Aufnahme ins Junge Kolleg?
Lena Tacke: Ich bin sehr dankbar, weil es eine große Chance ist, noch stärker interdisziplinär zu arbeiten und sich mit den anderen Mitgliedern zu vernetzen. Das bietet mir die Möglichkeit, eins meiner Fokusthemen, die Nachhaltigkeit, weiter nach vorne zu bringen. Durch die Interdisziplinarität kann ich dieses Thema auch über die Lehrerinnen- und Lehrerbildung und über die Geisteswissenschaften hinaus betrachten. Neben der Dankbarkeit dafür habe ich mich natürlich auch einfach nur gefreut, denn es ist ja eine Wertschätzung der eigenen Arbeit – die nun noch einmal sichtbarer wird. So werden die Themen, die mir am Herzen liegen, wie nachhaltige Entwicklung im Bildungskontext, noch einmal mehr nach vorne gebracht.
Frage: Was sind Ihre Erwartungen an das Kolleg und den interdisziplinären Austausch?
Tacke: Auch heute arbeite ich bereits stark interdisziplinär. Durch das Junge Kolleg erhoffe ich mir weitere interdisziplinäre Vernetzung und Kooperation, aber auch die Zusammenarbeit mit Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Spannend finde ich die Zusammenarbeit mit den Künsten, die in der Akademie vertreten sind.
Frage: Worin liegt da der besondere Reiz?
Tacke: Ein weiterer Forschungsschwerpunkt von mir sind religionskulturelle Fragestellungen. Kunst kann visionär und kritisch sein, das macht die Auseinandersetzung beispielsweise auch im Kontext von Nachhaltigkeit spannend. Ich habe in einem Schnittgebiet zwischen Theologie und Kunstgeschichte, also durchaus bereits interdisziplinär, promoviert. Dadurch habe ich mich schon seit langer Zeit immer wieder mit Kunst in der Beziehung zur Religion beschäftigt.
Frage: Ihr Schwerpunkt ist Nachhaltigkeit in der Bildung – beim Thema Nachhaltigkeit herrscht Konsens, oder?
Tacke: Es gibt mittlerweile einen breiten Konsens, dass wir Nachhaltigkeit brauchen – aber wie wir das konkret umsetzen, dazu gibt es keinen Konsens. Wie gehen wir beispielsweise mit Rohstoffen um? Wo soll investiert werden, wo nicht? Was sind die Energien der Zukunft? Gleiches gilt für Fragen der Klimagerechtigkeit. Diese gesellschaftspolitischen Kontroversen werden nicht zuletzt auch aktuell im Wahlkampf sichtbar.
Frage: Wie vermittelt man nun Nachhaltigkeit in der Bildung?
Tacke: Es gibt das Konzept „Bildung für nachhaltige Entwicklung“, das von den Vereinten Nationen mit der Agenda 2030 ins Leben gerufen wurde. Die Klimakrise ist der Ausgangspunkt für dieses Konzept. In NRW ist das inzwischen eine interdisziplinäre Querschnittsaufgabe in allen Bildungseinrichtungen – folglich auch für die Universitäten und die Hochschulpolitik. Es geht dabei darum, zu einem zukunftsfähigen Denken und Handeln zu befähigen. Als Theologin stelle ich hier zum Beispiel ethische Fragestellungen, wie Fragen der Generationen- und Klimagerechtigkeit, in den Fokus.
Frage: Sie bilden zukünftige Theologinnen und Theologen aus – wie interpretieren Sie Ihre Rolle bei der Bildung für nachhaltige Entwicklung?
Tacke: Für die Theologie spielen ethische und sozial-ökologische Fragestellungen im Kontext von Nachhaltigkeit eine besondere Rolle. Wie beispielsweise eine Auseinandersetzung mit Folgen der ökologischen Krise, Fragen nach Verantwortung und Gerechtigkeit. Das sind auch Aspekte, die mir in meiner Forschung wichtig sind. Ich verstehe die Theologie hier als eine kritische Stimme, die sozial-ökologische und gesellschaftspolitische Strukturen in den Blick nimmt. Die theologischen Schwerpunktsetzungen können dabei ganz unterschiedlich sein. Ich selbst nehme zum Beispiel Emotionen im Kontext der ökologischen Krise in den Blick, also Emotionen wie Wut, Angst und auch Hoffnung. Zudem frage ich als Religionspädagogin immer auch nach Nachhaltigkeit als Thema in Bildungs- und Lernprozessen.
Frage: Merken Sie in Ihrer täglichen Arbeit, dass Wichtigkeit und Akzeptanz des Themas stetig steigen?
Tacke: Nachhaltigkeit war lange ein Nischenthema, auch in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern. In meiner Wahrnehmung hat die Bedeutung in den letzten Jahren zwar stark zugenommen, auch dank der Agenda 2030 und dem BNE-Konzept der Bundesregierung, aber dennoch ist das BNE-Konzept kaum in Prüfungsordnungen oder Modulbeschreibungen verankert.
Frage: Wie können Sie dem entgegenwirken?
Tacke: Zum einen geht es mir um die Gestaltung und Evaluation von Lernprozessen, gerade über Serious Games und game-based learning. Da entwickle ich aktuell ein zweites, diesmal hybrides Game, nachdem das erste Spiel ein digitales war. Zum zweiten schaue ich in meiner Forschung auf Emotionen und auch auf Zukunftsbilder, die wir im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung haben. Gerade negative Emotionen wie Wut oder Angst hängen eng mit eigenen Zukunftsbildern zusammen. Denn nur wenn ich davon ausgehe, dass es die Möglichkeit für Veränderung gibt und hier ein klares Ziel habe, kann das aktivierend verstärkend sein, also nur dann kann ich eine Zuversicht entwickeln. Gerade das Thema Nachhaltigkeit überfordert oft, weil immer wieder gefragt wird, was als Einzelner schon bewirkt werden könne. Um unter anderem das aufzufangen, werde ich in meiner Forschung noch einmal verstärkt den Blick auf Zukunftsbilder im Kontext von nachhaltiger Entwicklung legen.
Frage: Haben Sie über Theologie und schulischen Religionsunterricht hinaus weitere Möglichkeiten der Einflussnahme?
Tacke: Mein fachlicher Fokus nimmt Religion als eine Weltdeutung in den Blick, aber da Nachhaltigkeit ein fachübergreifendes Thema ist, forciere ich in meinen Forschungsprojekten interdisziplinäre Zugänge – BNE ist eben eine Querschnittsaufgabe. Insofern ist Interdisziplinarität eine Voraussetzung für das Thema Nachhaltigkeit.
Frage: Sie entwickeln also Methoden, die sich auf alle Fächer anwenden lassen?
Tacke: Genau. Das bereits entwickelte Serious Game ist ein gutes Beispiel dafür. Es ist fachübergreifend und richtet sich in diesem Fall an Lehramtsstudierende aller Fachgruppen.
Frage: Und es hat auch die Kommission des Jungen Kollegs beeindruckt…
Tacke: Ja, das erste Spiel war das Ergebnis eines interdisziplinären Forschungsprojektes und der Kooperation mit verschiedenen wirtschaftlichen Akteuren, mit dem ich nicht nur neue Impulse für die Lehre setzen konnte, sondern das insbesondere auch in die Hochschulpolitik ausgestrahlt hat.
Frage: Welche Themen werden Sie zukünftig beschäftigen?
Tacke: Zum einen natürlich das zweite Serious Game, das voraussichtlich im Frühjahr fertig sein wird. Ich arbeite gerade an der Fertigstellung des Prototyps, bei dem die Spielerinnen und Spieler sich mit Zukunftsperspektiven unterschiedlicher Dimensionen von Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Nach einer qualitativen Evaluation kann ich den Prototypen entsprechend überarbeiten, sodass die ersten Modelle hoffentlich noch dieses Jahr fertig werden. Wichtig für mich ist auch, künftig noch stärker in das Thema Emotionen einsteigen. Ich halte das für einen wesentlichen Punkt mit Blick auf die Ängste, Sorgen und Vorbehalte insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, wie viele Jugendstudien der letzten Jahre gezeigt haben. An einem möglichen Umgang mit diesen Emotionen und der gefühlten Machtlosigkeit im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung zu arbeiten, ist für mich ein echtes Herzensprojekt.
Das Junge Kolleg der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste
Für die neuen Mitglieder ist die Aufnahme in das Stipendienprogramm der Akademie eine wichtige Auszeichnung: Das Junge Kolleg bietet sowohl finanziellen Freiraum für die eigene Forschung und Kunst in Form eines jährlichen Stipendiums von 10.000 Euro als auch die Möglichkeit zum Austausch mit anderen exzellenten jungen Forscherinnen und Forschern sowie Künstlerinnen und Künstlern.
Seit 2006 fördert die Akademie mit dem Jungen Kolleg den Nachwuchs in Nordrhein-Westfalen und zählt mittlerweile rund 190 aktive, assoziierte und ehemalige Stipendiatinnen und Stipendiaten. Das Junge Kolleg steht Promovierten sowie herausragenden künstlerischen Talenten offen, die nicht älter als 36 Jahre sind. Voraussetzung für die Mitgliedschaft sind zusätzlich zur Promotion herausragende wissenschaftliche oder künstlerische Leistungen.