Formel 1 im Umbruch -Neue Regeln, neue Wagen und Abschied von Russland-

Die Weltmeisterschaften 1952 und 1953 wurden mit F2-Rennwagen ausgetragen. Hier Hans Hermann auf VERITAS F2 beim Großen Preis von Deutschland 1953 auf dem Nür-burgring. Foto Archiv Ridder

72 Jahre Formel 1, eine lange Zeit. Doch der sog. Formel 1-Zirkus drohte kaputt zu gehen: Wenige siegfähige Teams, eigentlich nur zwei (Mercedes und Red Bull), zu teuer für die Teams und somit auch für die Zuschauer und bezogen auf Deutschland keine kostenfreie Übertragung im Fernsehen. Es musste gehandelt werden und die Motorsportwelt ist gespannt, wie es mit der „Reformation“ weiter gehen wird. Eine Vorschau, aber auch eine Nachschau auf 72 Jahre Formel 1.

Formel 1 seit 1950

Eigentlich muss man die ‚Formel 1-Weltmeisterschaft‘, die seit 1950 durchgeführt wird, als Formel-Weltmeisterschaft bezeichnen, denn es gab auch Zeiten (1952-1953), wo Formel 2-Rennwagen um die Weltmeisterschaft fuhren.

Und auch die Europameisterschaft in den 30er Jahren mit den siegreichen Silberpfeilen von Auto Union und Mercedes war eine der heutigen F1-Weltmeisterschaft vergleichbare Serie.

Mit dem Großen Preis von Großbritannien am 13. Mai 1950 begann die neue Zeit und der Sieger hieß Dr. Giuseppe Farina und wurde im selben Jahr auch erster F1-Weltmeister.

Von 1952 bis 1953, wurde die Fahrerweltmeisterschaft für die preiswerteren F2-Rennwagen ausgeschrieben, bevor dann 1954 wieder F1-Rennwagen um die höchste Trophäe im Formel-Rennsport kämpften.

ADAC Eifelrennen 2009 (2009-09-27): Foto: Jan Brucke

Vielleicht noch zur Erinnerung, dass Mercedes 1954 in die Weltmeisterschaft einstieg und mit dem Argentinier Juan Manuel Fangio 1954 und 1955 die Fahrerweltmeisterschaft gewann.

Es waren interessante Rennen mit dem damals überragenden Fahrer J.M. Fangio, der insgesamt 5 Weltmeisterschaften gewann. Doch die Rennen waren gefährlich, allein das Jahr 1958 verzeichnete 4 tote F1-Fahrer.

Doch die Rennen gingen weiter, ohne Sicherheit für die Rennfahrer und auch für die Zuschauer – bis in der Ära des Österreichers Niki Lauda ein Umdenken einsetzte, so wurden beispielsweise auf der legendären Nordschleife des Nürburgrings keine F1-Rennen nach dem spektakulären Feuerunfall von Niki Lauda 1976 gefahren.

Eine weitere neue Epoche in der F1-Weltmeisterschaft leitete in den 70er Jahren der Engländer Bernie Ecclestone ein, der F1-Zirkus wurde kommerzialisiert und vollkommen neu organisiert: Mehr Vermarktung durch das Fernsehen, Ausweitung der Rennserie auf Rennstrecken in aller Welt und Beteiligung der Rennställe an den immer höheren Einnahmen durch das Fernsehen und der „Antrittsgelder“ der Rennveranstalter.

Das Konzept ging solange auf, bis alles zu teuer wurde und kleinere Rennställe sich den Luxus, Rennwagen mit höchster technischer Ausrüstung zu bauen, nicht mehr leisten konnten. Auch für die Zuschauer wurde es zu teuer. Teilweise leere Tribünen, langweilige Rennen und, bezogen auf Deutschland, keine siegfähigen Fahrer mehr. Hinzu kam, dass sich aufgrund dieser Misere der Privatsender RTL von der kostenfreien Berichterstattung zurückzog.
Grundsätzliche Änderungen mussten her, um die Königsklasse des Motorsports noch am Leben zu erhalten.

Die Silberpfeile von Mercedes und Auto Union bestimmten die 30er Jahre mit überlege-nen Siegen. Hier der 3malige Europameister Rudolf Caracciola. Foto Archiv Merdes

Neuanfang 2021/22-hoffentlich spannende Rennen

Die Formel 1-Weltmeisterschaft 2022 wird die 73. Formel 1-Weltmeisterschaft werden. Für die Saison werden bedeutende Änderungen im technischen Reglement vorgenommen. Diese Änderungen sollten eigentlich schon 2021 eingeführt werden, wurden aber als Reaktion auf die Covid-19-Pandemie um ein Jahr verschoben.

An der Entwicklung der „neuen Formel 1“ waren die Konstrukteure der Rennwagen, die Fahrer, der Reifenhersteller Pirelli beteiligt.- unter Führung der FIA (Federation International de l’Automobile)  Es gab insbesondere zwischen den „großen“ und „kleinen“ Rennställen natürlich unterschiedliche Meinungen.

Aber letztendlich schafften es alle Teams, zu den Testfahrten vom 23. bis 25. Februar 2022 auf den Circuit de Barcelona-Catalunja, ihre neuen Rennwagen fahrbereit zu haben. Es gab große Überraschungen in der Auslegung der neuen Regeln.

Der neue Ferrari F1 hinterließ bei den Testfahrten in Barcelona einen guten Gesamtein-druck. Foto Ferrari

An den 3 Testtagen gab es nach Aussage von Michael Schmidt, dem Kenner der Szene von der Motorsport Zeitschrift „MOTORSPORT aktuell“ weder einen Favorit noch einen Verlierer. Ferrari und McLaren, so Michael Schmidt, hinterließen den stärksten Eindruck, weil sie ein bestimmtes Aero-Problem am besten gelöst hatten. Was war das Problem? Auf der Geraden machte sich bei 300 km/h plötzlich ein Schaukeln bemerkbar. Ab einem bestimmten Anpressdruck (die neuen Rennwagen fahren mit dem sog. „Ground Effect“, d.h. der Rennwagen wird aufgrund der Aerodynamik förmlich an die Piste gesogen), lässt das Wackeln nach.

Schnellster an den 3 Tagen war der siebenfache Weltmeister Lewis Hamilton (Mercedes) vor seinem neuen Stallkollegen George Russell. Max Verstappen, letztjähriger Weltmeister, war auf seinem Red Bull Sechster vor Sebastian Vettel auf Aston Martin. Mick Schumacher wurde 18. und hinterließ trotzdem einen guten Eindruck. Aber, diese Zeiten sind noch nicht hoch zu bewerten – wichtig ist das Durchhaltevermögen und hier schaffte Carlos Sainz auf Ferrari mit 236 Runden die längste Distanz und Robert Kubica mit dem Alfa Sauber nur 9 Runden. Nächste Tests werden vom 10. bis 12. März 2022 im Ölstaat  Bahrain stattfinden , danach findet dort am 20. März auch das erste Rennen statt.

Die F1-Saison beginnt am 23. März 2022 im Emirat Bahrain. Foto Geschi Ridder

Neue Fahrer in der Saison 2022

Bevor ich auf Einzelheiten eingehe, möchte ich eine neue Meldung zitieren: Das niederländische Ausnahmetalent Max Verstappen hat seinen Vertrag beim österreichischen Limonadenhersteller Red Bull bis zum Jahre 2026 verlängert und bekommt eine jährliche Gage von 40 bis 50 Mio. Euro. Wow!

Übrigens, das Budget der Rennställe für eine Saison wurde auf 135 Mio. Euro gedeckelt, ausgenommen sind Gehälter für die Fahrer und Angestellten eines Teams.

Aus der Formel 1 „entfernt“ wurde der Russe Nikita Mazepin. Dazu gleich mehr.

Aufgestiegen in das Spitzenteam Mercedes ist der talentierte Engländer George Russell. Dafür musste Valteri Bottas aus Finnland, trotz seiner Siege im letzten Jahr, das Team verlassen und fährt nunmehr bei Alfa Sauber.

Die deutschen Fahrer Sebastian Vettel (Aston Martin) und Mick Schumacher (Haas) bleiben bei ihren Teams.

Neuer Teamkollege von Mick Schumacher wird der Enkel des mehrmaligen F1-Weltmeisters Emerson Fittipaldi namens Pietro Fittipaldi.

Schade, der unter den Fans sehr beliebte Finne Kimi Räikönen hat  mit 42 Jahren den Formel 1-Zirkus verlassen, so dass dann von den ‚alten‘ Fahrern nur noch der Spanier  Fernando Alonso (40) dabei bleibt.

Bleibt zu hoffen, dass mit den neuen und alten Fahrern wieder mal mehr Sieger ‚aufs Treppchen‘ kommen.

Mercedes-AMG Petronas F1 Team, F1, Barcelona, Track Session, Lewis Hamilton Foto Mercedes

Krieg in der Unkraine

Der Krieg in der Ukraine hat auch Auswirkungen auf den Motorsport und auf die Formel 1.

Sebastian Vettel erklärte spontan, dass er beim Großen Preis von Russland in Sotschi nicht starten würde. Mittlerweile wurde das Rennen auch im Veranstaltungskalender der FIA gestrichen.

Ein weiteres Thema war das Sponsoring des Haas-Teams. Bekanntlich fuhr der Teamkollege von Mick Schumacher, der Russe Nikita Mazepin, mit Sponsorengeldern seines Vaters, einem ‚Oligarchen‘. Das Haas-Team reagierte sofort und entfernte die Aufkleber ‚Uralkali‘ von den Rennwagen und Transportern. Der Fahrer Mazepin, der in der letzten Saison insbesondere durch ein rüpelhaftes Fahren aufgefallen war, wurde durch Pietro Fittipaldi ersetzt. Übriges, Insider kennen den brasilianischen Rennfahrer noch aus der DTM-Saison 2019.

Resümee

Hoffentlich wird der Neuanfang in der Formel 1 zu einem ausgeglichenen Starterfeld mit vielen unterschiedlichen Siegern führen – und zu einer deutlichen Reduzierung der Eintrittspreise.

Klaus Ridder

Michael Schumacher fuhr von 1991 bis 2012 in der Formel 1 und wurde 7x Weltmeister. Foto Ridder