Ein Kenner mit sicherem Gespür

Zuhause in seinem inspirierenden Arbeitszimmer: Autor und Reisejournalist Rolf Minderjahn. © Frank Fäller

Lüttich, Liège und Luik: drei Namen in drei Sprachen, die zeigen, dass die rund 190.000 Einwohner zählende wallonische Metropole im Dreiländereck zwischen Aachen und Maastricht ein vielfältiges Bild abgibt. Dass der Untertitel  „Unterwegs in der leuchtenden Stadt“ lautet, macht noch neugieriger, da Lüttich (bislang) eher nicht zu den belgischen Touristenmagneten wie Brüssel oder Antwerpen, Brügge und Gent in Flandern zählt.

Fast ist man geneigt zu sagen, genau diese Herausforderung braucht Rolf Minderjahn, damit der Reisejournalist und Inhaber eines Text- und Pressebüros auf Spurensuche geht. Dabei fällt es ihm leicht in den Kulturraum zwischen Frankreich, Belgien, Niederlande und der umliegenden Ardennen-Eifel Region einzutauchen, wie seine zehn bereits erschienenen Reiseführer beweisen. Fließend beherrscht der 52-Jährige mehrere Sprachen, praktischerweise auch Französisch und Niederländisch. Weil er den Newsletter und Themen für die Website der Provinz Lüttich regelmäßig ins Deutsche übersetzt, sitzt Minderjahn direkt an der Quelle. Er weiß, was passiert, wie Land und Leute ticken und ist darum ein Kenner mit sicherem Gespür. „Die Belgier machen sich noch gerne sonntags fein, trinken bis ins hohe Alter ein Abteibier immer mit Genuss“, weiß er (zu schätzen).


Die aktualisierte Auflage des City-Guides über Lüttich deckt das Potenzial der leuchtenden Stadt an der Maas auf. © Grenz-Echo-Verlag

Ich mag Belgien, weil die Menschen mit ihrer genussreichen Lebensart authentisch sind, dreisprachig leben und weil es ein sehr schönes Land ist mit Natur, Architektur, Kulinarik und Kultur satt“, sagt der Autor ohne zu zögern und gesteht schmunzelt: „Naja, die belgischen Biersorten, besonders die Trappistenbiere,  haben es  auch mir angetan.“ Chimay, ist eine bekannte Sorte und ein international berühmter Name, der zu einem gleichnamigen Adelsgeschlecht gehört. Auf dem Schloss von Prinz und Prinzessin war der Reisejournalist bereits zu Gast – sein Ruf öffnet auch Pforten, durch die nicht jeder hindurchschreiten kann.

Lüttich ist im Wandel: „Glanzstücke heute und in Zukunft“

Profaner geht es im frankophonen Lüttich zu, obwohl das fürstbischöfliche Palais ein Highlight der Stadt an der Maas ist. Neben dem TGV-Bahnhof des katalanischen Stararchitekten Calatrava und der extrem steilen Buerentreppe  (373 Stufen, im restaurierten historischen Altstadtviertel) zählt  der Wochenmarkt (!) La Batte entlang der Maas zu den bekanntesten Attraktionen der ehemaligen Schwerindustriestadt, die aber seit den 90er-Jahren zu neuen Ufern aufbreche und mehr als das biete.  „Lüttich ist im Wandel“, schreibt Minderjahn in seinem reich bebilderten Reiseführer. „Glanzstücke heute und in Zukunft“ heißt ein Kapitel, in dem das kulturhistorische Potenzial dieser Stadt mit sichtbaren Narben hin zu einer „ambitionierten urbanen Umstrukturierung“ aufgedeckt wird. Spannend, diesen Prozess jetzt mitverfolgen zu können:  in dieser lebendigen Stadt der Gegensätze, die gerade ihren besonderen Reiz ausmachen.

Neues Museum „La  Boverie“ arbeitet mit Pariser Louvre zusammen

Der Reisejournalist nennt Beispiele für den Wandel:  Die Oper sei bereits ein solches Glanzstück geworden. 2016 stehe für die Stadt die Eröffnung des Museums „La  Boverie“ im Fokus, gelegen auf der gleichnamigen grünen Maasinsel in unmittelbarer Nähe zum modernen Bahnhof. Geplant seien gemeinsame Ausstellungen in Zusammenarbeit mit dem Pariser Louvre. „Ein Meilenstein für Lüttich“, urteilt der Kenner. Und noch ein Tipp sei hier verraten, bevor dringend die Lektüre des City-Guides empfohlen wird: Unter dem mittlerweile wieder rund ein Dutzend handwerklich-traditionell arbeitender Kleinstbrauereien in der Provinz Lüttich ist die Brauerei „C“ (C  für Curtius, der Name des berühmten Lütticher Unternehmers und Munitionsfabrikanten)“ quasi das neue Bier der Stadt.


Minderjahns Publikationen beleuchten den Kulturraum zwischen Frankreich, Belgien, Niederlande und der umliegenden Ardennen-Eifel Region. © Frank Fäller

Zwei junge Brauer locken  Touristen wie Einheimische in das originelle Ambiente ihres neuen Refugiums direkt an der Buerentreppe. Wer es authentisch alltäglich mag, sollte die Maas überqueren und sich zum Beispiel einfach in ein Bistro im Viertel Outremeuse setzen – und das Leben und Treiben der Lütticher miterleben. Hier findet auch freitags der wahre Trödelmarkt (!) statt.

Eine nahezu perfekte Idee für Einsteiger gibt das Buch mit vielen Geschichten, Tipps und Informationen zum guten Schluss: „Ein Wochenende in Lüttich“ heißt die getaktete Empfehlung. Der Autor und Genussmensch (Speiskartensammler und Boulespieler)  führt die Besucher entlang eines bunten Fadens durch Lüttich und hat dabei immer ein wichtiges Element belgischer Lebensart mit Einkehrmöglichkeiten im Blick: Essen und Trinken, oder besser Gaumenfreuden. Keine Frage, wer – praktisch vor der Haustür – auf eine lohnende Entdeckungsreise gehen will, kommt nach der Lektüre an Lüttich nicht mehr vorbei. Chapeau!
(Frank Fäller)

Info: Der 143 Seiten umfassende Reiseführer „Lüttich – Unterwegs in der leuchtenden Stadt an der Maas“ (ISBN 978-3-86712-062-3) ist erschienen im belgischen Grenz-Echo-Verlag und kostet 15 Euro. www.gev.be

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