Deutsche Siege, Schrecksekunden, Hitze und ein starkes Comeback von Totilas

Das Comeback wird von Ritt zu Ritt eindrucksvoller: Im Grand Prix Spécial haben Matthias Alexander Rath und der niederländische Hengst Totilas gewonnen. © Frank Fäller

Deutschlands größte Sportveranstaltung und Weltfest des Pferdesports, der CHIO Aachen, bietet nicht nur sportliche Höchstleistungen auf dem einzigartigen Turniergelände in der Aachener Soers. Jahr für Jahr schreibt die Großveranstaltung, die wieder über 355.000 Besucher lockte, auch immer Geschichten rund um Mensch und seine Rösser, die in Erinnerung bleiben.

Wetterkapriolen sind während der Dauer des Turniers in den fünf Disziplinen Springen, Dressur, Vielseitigkeit, Fahren und Voltigieren keine Seltenheit in Aachen, sie gehören fast zum Programm. Pünktlich zur offiziellen Eröffnungsfeier, die das diesjährige Partnerland Schweiz präsentierte, stieg das Thermometer über 30 Grad Celsius. Was die Schweizer in gewohnter Gelassenheit in ihrem Zelt im CHIO-Village fortan die ganze Woche über sich ergehen ließen, war – trotz mancher Sorgen beim Publikum – für Reit- und Fahrsportler kein Problem. Das galt besonders für die Vielseitigkeitsreiter, die schwere Prüfungen schadlos absolvierten. Für die nötige Abkühlung sorgten riesige Ventilatoren, die Eiswasser versprühten – extra Service, extra Klasse in Aachen. Diesen Genuss gönnte nach dem Sieg im DHL-Preis auch die Deutsche Sandra Auffahrt ihrem Pferd „Wolle“.

Christian Ahlmann hat sich einen Kindheitstraum erfüllt: Er gewann mit dem einzigen fehlerfreien Ritt im Stechen den Rolex Grand Prix und damit den Großen Preis von Aachen. © Frank Fäller

Schreck: Talent Katrin Eckermann stürzt zweimal am Wassergraben

Deutsche Equipen platzierten sich in der Vielseitigkeit und in der Dressur im Lambertz-Nationenpreis  an erster Stelle. Der vom Publikum hoch geschätzte Mercedes-Benz Nationenpreis – ein herrliches Event vor rund 40.000 Zuschauern bei untergehender Sonne und anschließendem Flutlicht – wollte nach starker erster Runde am Ende nicht nach Deutschland gehen, es siegten schließlich die Belgier aus dem Nachbarland. Mit viel Hoffnung nominiert und topmotiviert startete die 24-jährige Katrin Eckermann als Nachwuchstalent mit Firth of Lone in die zweite Runde des Springens – und stürzte spektakulär am Wassergraben. Ein Raunen ging durch die Menge, beide berappelten sich aber sofort wieder – und gewannen am darauffolgenden Tag den Preis von NRW in einem atemberaubenden Stechen. Nervenstark. Unglaublich, was dann am Abschlusstag beim Rolex Grand Prix, dem Großen Preis von Aachen, geschah: Erneut ließ die unerschrockene Reiterin ihr Pferd zu früh vor dem Wasserhindernis abspringen, sodass sie am Ende ins Straucheln kamen und wieder stürzten. Schwer diesmal, Eckermann blieb liegen, das Pferd humpelte davon – Stille im Publikum. Auch an dieser Stelle sollte sich zeigen, dass das CHIO Weltklasse ist. Sofort wurde die verletzte Reiterin mit Sichtschutz abgeschirmt, sie und ihr Pferd augenblicklich medizinisch versorgt. Bange Minuten im Hauptstadium, doch schon nach kurzer Zeit konnten bestürzte Besucher und Aktive von Stadionsprecher Carsten Sostmeier beruhigt werden. Reiterin und Pferd haben nur einen Schlüsselbeinbruch und heilbare Gelenkprobleme davon getragen. Mit leicht gedämpfter Stimmung wurde das Springen fortgesetzt, das Christian Ahlmann mit seinem zwölfjährigen Hannoveraner Codex One fehlerfrei im Stechen gewann und sich „einen Kindheitstraum erfüllte“.

Volker Eubel aus Köln-Porz ist Headcoach die Dressurnationalmannschaft Singapurs und wünscht für sein Team: „Einmal beim CHIO dabei sein“. © Frank Fäller

Besonnenes Comeback auf großer Bühne für Matthias Rath und Ausnahmepferd Totilas

Über einen weiteren deutschen Einzelsieg durfte sich nicht nur Matthias Alexander Rath und der niederländische Hengst Totilas im Grand Prix Spécial der CDIO-Tour freuen. Auch die zahlreichen Fans des einstigen „Wunderpferds“ waren begeistert. Im Meggle-Preis schlug das Paar erneut Valegro mit Olympiasiegerin Charlotte Dujardin, die sich allerdings den Großen Dressurpreis von Aachen (im Deutsche Bank Stadion mit neuer Osttribüne) sichern konnte. Rath verzichtete hier bewusst zugunsten eines Starts bei der anstehenden WM in der Normandie. Dennoch: was für ein Comeback auf großer Bühne für Pferd und Reiter. Nach fast zweijähriger Krankheit des Reiters und Verletzung des Pferdes präsentierten sich beide fast in alter Stärke, aber auch sehr besonnen, der Mega-Hype muss nicht mehr sein. „Der sportliche Erfolg hat nach dieser Zeit sicher gut getan“, betont Kai Meesters, bei MM-Promotion für die Vermarktung zuständig. Seine Arbeit hat sich gewandelt. Man habe schon bevor Totilas nach Deutschland kam erkannt, welches Potenzial hier lauert. Zu Beginn der Karriere von Rath und Totilas stand ein Ziel im Vordergrund: „Reitsport ist die erfolgreichste deutsche olympische Disziplin, findet hierzulande aber außer in Aachen kaum in den breiten Medien statt. Die Familie, die Besitzer und wir wollten gemeinsam den Dressursport insgesamt nach vorne bringen, die allgemeine Popularität steigern“, erläutert Meesters. Stattdessen sei das Merchandising und die PR besonders vom Verband moniert und als Grund für eine Krise ausgemacht worden, blickt Meesters zurück. „Unsere PR-Arbeit wurde schlicht nicht verstanden, eine große Chance vertan. Jetzt forcieren wir diese Werbung für den gesamten Reitsport nicht mehr, sondern konzentrieren uns auf die sportliche Seite von Pferd und Reiter, sprich von Rath und Totilas“. Das Comeback zeige, dass das gesamte Team erfolgreich arbeite, schmunzelt Meesters mit ein bisschen Genugtuung. Und die Medien spielen wieder mit …

Keine Problem mit der Hitze, aber eine willkommen Abkühlung am Wasserhindernis für die Siegerin des DHL-Preises in der Vielseitigkeit: Sandra Auffahrt. © Frank Fäller

Für „Exoten“ ist Teilnahme am CHIO noch ein Wunschtraum

„Der CHIO ist so besonders, dass für unser ganzes Team ein Wunschtraum in Erfüllung gehen würde, wenn wir in irgendeiner Art und Weise einmal teilnehmen könnten“, schwärmt Volker Eubel aus Köln-Porz beim Besuch des Vorzeigeturniers. Der ausgezeichnete Reiter (für Kenner: „geprägt von Dr. Reiner Klimke“) und Ausbilder betreibt den Reitstall Lerchenhof in Köln-Porz und trainiert dort seit acht Jahren als Headcoach die Dressurnationalmannschaft aus dem fernen Singapur. Die behinderten Sportler im 15-köpfigen Team hat er bereits zu zwei Silbermedaillen bei den Paralympics in London geführt, erstmals für Asiaten, die (noch) „Exoten“ auf der internationalen großen Reitsportbühne sind. „Eine Verflechtung beim CHIO mit den ‚Normalos‘ wäre ein Riesenschubs für uns“, träumt Eubel für seine Mannschaft. Sicher aber nicht bei der kommenden Reit-EM, die 2015  vom 11. bis 23. August in Aachen mit einem Kurz-CHIO zuvor stattfindet.

Einen extra Service für die Pferde gab es bei drückender Hitze nach getaner Arbeit: Ventilatoren versprühten mit Eiswasser kühlende Nässe. © Frank Fäller

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