Auf dem Weg zum UNESCO-Welterbe:

„Brückenbau“. Förderverein „Welterbe Müngstener Brücke“. Foto: Stadtarchiv Solingen.

Höchste Eisenbahnbrücke Deutschlands feiert 125. Geburtstag

Solingen/Remscheid. Die Müngstener Brücke zwischen Solingen und Remscheid ist die höchste Eisenbahnbrücke Deutschlands. 107 Meter hoch und 465 Meter lang überspannt sie das Tal der Wupper.  Das Meisterwerk aus Stahl ist ein Denkmal von nationaler Bedeutung, zudem beliebtes Ausflugsziel und  seit 125 Jahren unverzichtbare Schienenverbindung im Bergischen Städtedreieck. Nun ist das Viadukt auf dem besten Weg, UNESCO-Welterbe zu werden.

Verbindung zwischen Städten und Regionen

Die Bewerbung zum Weltkulturerbe läuft in internationaler Gemeinschaft mit fünf weiteren bauähnlichen Großbogenbrücken in Portugal, Frankreich und Italien. Erbaut im späten 19. Jahrhundert zeugen sie von Pioniergeist und großartiger Ingenieurbaukunst. Als Welterbe sollen die letzten Großbogenbrücken aus dieser Zeit für die Zukunft bewahrt werden. Neben der  Müngstener Brücke in Deutschland, stellen sich zur Wahl die Ponte Maria Pia und die Ponte Dom Luís I. in Portugal, der Garabit- und der Viaur-Viadukt in Frankreich und die Ponte San Michele in Italien. Seit mehr als einem Jahrhundert schaffen sie Verbindung zwischen den Städten und Regionen in ihren Ländern, als imposante Riesenbrücken überspannen sie tiefe Täler. Sie sind bemerkenswerte Zeugnisse der Industrialisierung in Europa und haben sich bis heute nicht verändert.

Ganz ohne Gerüst

Zurück zur Müngstener Brücke und ihrer Entstehung: Innovativ war hier nicht nur das Material – Flussstahl statt Schmiedeeisen. Die Bogenkonstruktion war kompliziert, verlangte besonderes Wissen und einen extrem hohen Rechenaufwand – ohne Computer, mit Hand und Rechenstab. Die besondere Herausforderung: Der freie Vorbau. Die beiden Seiten wuchsen aufeinander zu – ganz ohne Gerüst. Unter den Blicken vieler Schaulustiger arbeiteten die Monteure in schwindelnder Höhe, bis im März 1897 nach nur dreijähriger Bauzeit die letzte von 950.000 Nieten eingeschlagen und der Bogen geschlossen wurde. Pünktlich zum 100. Geburtstag von Kaiser Wilhelm I., dessen Namen die Brücke viele Jahre trug.

„Brückenschlag“. Förderverein „Welterbe Müngstener Brücke“.
Foto: Stadtarchiv Solingen.

Brückenschlag in Europa

So, wie die Brücken in ihren Ländern seit mehr als 100 Jahren Verbindung schaffen, so verbindet die gemeinsame Bewerbung heute die Partner in Europa. Die Initialzündung kam von den Oberbürgermeistern der drei bergischen Großstädte Remscheid, Solingen und Wuppertal. Der Startschuss fiel zum 120. Geburtstag der Müngstener Brücke. Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach betont: „Die Brücke ist unser Wahrzeichen, ein Meisterwerk der Baukunst und der Qualität. Seit 125 Jahren verbindet sie unsere Städte, Tag für Tag wird sie von Pendlerinnen und Pendler genutzt. Im Bewerbungsprozess schafft sie neue Verbindungen. Auf der operativen Ebene haben wir als Partner zueinander gefunden, neue Freundschaften in Portugal, Italien und Frankreich geknüpft. Wir schlagen Brücken in Europa.“

Transnationale Bewerbung

Der erste Meilenstein führt nun zur so genannten Tentativliste (Vorschlagsliste) zur Nominierung als UNESCO-Welterbe in Deutschland. Jedes Bundesland war 2020 aufgerufen, zwei Vorschläge einzureichen. Nordrhein-Westfalen entschied sich für die Müngstener Brücke mit ihren europäischen Partnern und hat die serielle, transnationale Bewerbung „Europäische Bogenbrücken des 19. Jahrhunderts“ zur Fortschreibung der bundesdeutschen Vorschlagsliste zukünftiger Welterbestätten an den Bund gemeldet – als einzigen Vorschlag aus NRW. 2023 beschließt die Kultusministerkonferenz der Länder die deutsche Tentativliste und reicht sie 2024 bei der UNESCO in Paris ein.

777 Stufen auf dem Brückensteig

In diesem Jahr feiert die Müngstener Brücke aber erst einmal Geburtstag, 125 Jahre ist sie nun alt. Vorab hat die Deutsche Bahn sie auf Vordermann gebracht und für viele zukünftige Jahrzehnte fit gemacht. „Die Brücke ist das Rückgrat der Bergischen Wirtschaft und damit für Pendlerinnen und Pendler sowie unsere Industrie unverzichtbar“, so Remscheids Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz. Acht Jahre lang, in rund 400.000 Arbeitsstunden und mit einem Investitionsvolumen von rund 30 Millionen Euro wurde sie denkmalgerecht saniert, weitere Gelder kamen unter anderem für technische Zusatzausstattungen und Wartungseinrichtungen hinzu. Seit dem Abschluss der Sanierung ist der Weg frei für ein ganz neues Brücken-Erlebnis – wenn man mutig und schwindelfrei ist. Auf dem sogenannten „Brückensteig“ führen 777 Stufen über einen Wartungsweg hinauf, am gigantischen Brückenbogen entlang. Das Ziel: Eine Plattform auf hundert Metern Höhe, knapp unter dem höchsten Punkt der gigantischen Brücke. Man geht in einer Gruppe, mit Helm und Klettergurt, geführt von einem Guide. Ein fürwahr bleibendes Erlebnis. Peter Köster

Detailaufnahme Müngstener Brücke: Foto: Peter Köster