„Wer wir sind“ Fragen an ein Einwanderungsland · Bundeskunsthalle und DOMID zeigen ganz besondere Ausstellung

Zugegeben, eigentlich gehört diese Ausstellung im Haus der Geschichte verortet. Dass „Wer wir sind“ Fragen an ein Einwanderungsland“ nun bis zum 8. Oktober in der Bundeskunsthalle (BKH) gezeigt wird, ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass neben vielen historischen Objekten und Dokumenten auch künstlerischen Positionen sehr viel Raum gegeben wird. Die Ausstellung ist zudem ein gemeinsames Projekt zwischen der Bundeskunsthalle und dem DOMID (Dokumentationszentrum und Museum über die Migration.

Nicht nur leichte Kost

Künstlerische Arbeiten sind der Ausgangspunkt für die Bonner Ausstellung, die sich mit der Gesellschaft und ihren Strukturen auseinandersetzt. Sie stellen mitunter tabuisierte Fragen und öffnen neue Perspektiven auf. Einige Künstlerinnen und Künstler haben eigens für „Wer wir sind“ neue Arbeiten konzipiert, die in der Ausstellung erstmals zu sehen sein werden. In den zeitgenössischen Positionen wird die eigene Perspektive thematisiert. „Bei wer wir sind geht es um das Hinterfragen der eigenen Vorurteilsbehaftbarkeit und ein Hinterfragen der eigenen Privilegien“, sagt Kuratorin Johanna Adam. Die Besucherinnen und Besucher erhalten einen neuen Blick auf die Welt. Dabei ist nicht alles was die Bonner Präsentation offeriert, leichte Kost. Das weiß auch Johanna Adam. „Kunst kann sicherlich auch mal ein Tabu brechen, auch mal böse sein auch mal provozieren.“

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William Kentridge, „Darstellung Koloniale Welt“ 2003, Foto: Peter Köster Benjamin Patterson

Historische Tiefenbohrungen

Wie entsteht das „Wir“ in einer Gesellschaft? Gelingt dies nur über die Abgrenzung zu „den Anderen“? Ist es möglich in unserer Gesellschaft zu einem gemeinsamen und umfassenden „Wir“ zu gelangen? Was sind die Ziele und was erwartet die Besucherinnen und Besucher? Dazu DOMID-Geschäftsführer Robert Fuchs: „Zentral ist für uns die Gegenwart; wie leben wir heute in dieser Gesellschaft zusammen und wie wird diese Gesellschaft durch Migration geprägt. Anhand der Objekte und der Geschichten der Leihgeberinnen und Leihgeber nehmen wir dabei historische Tiefenbohrungen vor. Ein Begriff, gegen den sich die Politik lange gewehrt hat und der heute selbstverständlich erscheinen sollte. „Migration ist kein Sonderfall, sie ist der Normalzustand, zu jeder Zeit und überall auf der Welt. Die Menschen, die nach Deutschland kamen, kämpften seit jeher darum, Teil der Gesellschaft und ihrer Geschichte zu sein. Erfahrungen von Rassismus und Diskriminierung sind bis heute Alltag für Menschen, denen die Zugehörigkeit zum Wir abgesprochen wird, ob mit oder ohne Migrationsgeschichte. Ihre Wege sind gekennzeichnet von Widerständen, aber auch von Erfolgen.“

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Mona Hatoum. „Hot Spot“, 2013, Großer Globus mit signalroten Neonstreifen. Foto: Peter Köster

Strukturen der Gesellschaft

Eva Kraus, Intendantin der Bundeskunsthalle ergänzt: „Seit einigen Jahren befinden wir uns im Prozess der interkulturellen Öffnung mit unserer Institution. Die Ausstellung unterstützt diese Entwicklung in außerordentlicher Weise. Die gezeigten Objekte und Dokumente ergänzen die zahlreichen künstlerischen Arbeiten. Gemeinsam mit ihnen können wir Geschichten erzählen und die besondere Vielfalt illustrieren auf die es heute und in Zukunft in unserer Gesellschaft ankommt. Die Ausstellung schaut auf die Strukturen der Gesellschaft: Wer darf mitreden und bestimmen? Wie schaffen wir Zugang zu Räumen und Ressourcen, zu Bildung, Wohnraum und Kultur? Wer wir sind wirft einen Blick auf die Errungenschaften wie auch die Hürden im Ringen um ein gleichberechtigtes Miteinander.“

„Wer wir sind“ ist eine Ausstellung, die ob ihres besonderen Drehbuchs, nicht zuletzt ihres umfangreichen und inhaltschweren Themas unbedingt besucht werden sollte. Zugleich ist sie ein Vorgriff auf das 2027 in Köln errichtete bundesweite Migrationsmuseum. Peter Köster