Waldemar Ritter: Wo ist der Franziskus des Islam?

Waldemar Ritter Foto: boskap

K. Was müssen wir tun?

R: Das meiste dazu ist gesagt. Auf der Millionen-Demonstration in Paris, auf der Mahnwache vor dem Brandenburger Tor und im Deutschen Bundestag. Das meiste ist richtig. Die Rede des Vorsitzenden der deutschen Muslimverbände, die Rede des Vertreters der Juden in Deutschland, die Rede des Bundespräsidenten könnte ich nahezu eins zu eins selbst gehalten haben. „Wir alle sind Deutschland!“ Wir alle müssen die Werte der  Freiheit und Demokratie, die im Kern universelle Werte der Menschheit sind, gemeinsam verteidigen. Und gerade die kulturelle Vielfalt in Deutschland hat und braucht gemeinsame Werte für alle, die hier leben.

K:Was in der allgemeinen Diskussion ist falsch oder nicht ganz richtig?

R: Die Meinung von Angela Merkel, dass „der Islam“ inzwischen zu Deutschland gehöre.

K: Sie haben schon vor fünf Jahren den damaligen Bundespräsidenten Wulff kritisiert, als er sagte: „Der Islam gehört zu Deutschland“, ohne zu erklären, welchen er meinte.

R: Ja, welchen Islam meint Herr Wulff und welchen Islam meint Frau Merkel? Ein Blick in unser Grundgesetz kann der Wahrheitsfindung dienen: Alle Staatsangehörigen und Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland gehören zu Deutschland. Selbstverständlich  gehören alle Staatsangehörigen muslimischen, christlichen oder jüdischen Glaubens dazu. Wir alle sind Deutschland!

Sie verstehen: Die türkischen Moslems, die deutsche Staatsbürger sind, gehören zu Deutschland, nicht die Türkei. Die Staatsangehörigen katholischen Glaubens gehören zu Deutschland, nicht der Vatikan. Unsere jüdischen Mitbürger gehören zu Deutschland, nicht Israel. Die dänische Minderheit in Schleswig Holstein gehört zu Deutschland, nicht Dänemark. Der feudal-theokratische Islam der beiden untereinander verfeindeten „Gottesstaaten“, Saudi-Arabien und der Iran gehören nicht zu Deutschland.

K: Das ist richtig und plausibel, aber es kommt auch und gerade darauf an, wie wir in Deutschland miteinander leben.

R: Hier hat die Politik vieles falsch gemacht. Ganz unabhängig vom Glauben der Zuwanderer geht es darum, nicht nebeneinander oder gar gegeneinander, sondern miteinander zu leben. Alle, die das nicht wollen, sollten nicht zu uns kommen. Sie haben in der Bondessrepublik Deutschland, in der das Grundgesetz und die universellen Menschenrechte der UNO gelten, nichts zu suchen

K: Sie meinen einen Teil des Islam.

R: Exakt, den, der nicht zu Deutschland gehört. Hassprediger in Moscheen, Salafisten, Terroristen, oder Islamisten, die die Scharia über das Grundgesetz stellen möchten. Ich meine IS, den Islamischen Staat, Al Kaida oder Boko Haram in Nigeria und ihre geistigen, religiösen und politischen Unterstützer.

Ich stimme hier mit der Bundeskanzlerin voll überein, dass die geistigen Führer des Islam

klären müssen, warum Terroristen, die im Namen des Islam  morden, nichts mit dem Islam zu tun haben. Warum es ganz im Gegenteil Gotteslästerung ist, wenn im Namen des Propheten gemordet wird.

Ich bin stolz auf die vielen deutschen Muslime und die Deutschen, die zu uns aus muslimischen Ländern kamen, wie viel Aufklärung sie für ihren Glauben und die Verantwortung für die Inhalte  unseres Grundgesetzes leisten. Und sie können stolz auf Deutschland sein, dessen gleichberechtigte, gleich verantwortliche Staatsbürger sie sind.

Nicht „der Islam“, die deutschen Muslime sind ein Teil der deutschen Gesellschaft. Wer zwischen Islam und Islam unterscheidet, befördert die Aufklärung und besiegt das grausame Werk der Pariser Attentäter.

K: Warum hat es ausgerechnet in der linken und linksliberalen Szene und bei den Grünen soviel Feigheit und Ignoranz gegenüber dem Islamismus gegeben?

R:Meine mitstreitende Freundin, die Theologin Eva Quistorp, hatte einen Wutausbruch vor Rührung und weil sie die Hoffnung von Millionen teilt, die riefen oder schrieben: „Je suis Charly, je suis Juif, je suis Flic, je suis Achmed, je suis Citoyen“. Die wenigen Überlebenden des Massakers erinnerten daran, dass es um die Verteidigung der Laizität geht, um das Recht auf Islamkritik und Religionskritik.

„Der Islam“ darf nicht mit „Respekt“ eingemauert werden. Wieso sollen in Europa und in Deutschland für den Islam andere Standards gelten als für die katholische oder protestantische Kirche…. Diese Kritik darf ebenso sein, wie die Kritik  von Pussy Riot an der russisch-orthodoxen Kirche , wie die von Titanic am Papst, wie die der Feministinnen an einer patriarchalischen Theologie  und Bibelinterpretation. Dieses Recht wurde seit 1848 und seit der Französischen Revolution erkämpft. Seitdem dürfen wir sagen, dass das Christentum etwas mit Dummheit, Unbildung, Vorurteilen, Antisemitismus, mit Missionierung und Kolonisierung, mit Hexenverfolgungen, mit Inquisition zu tun hatte, die bekennende Kirche und die christlichen Märtyrer gegen den Naziterror aber auch. Ich möchte hinzufügen: Auch die friedlichen Gläubigen, die sozial engagierte Kirche.

K: Sie haben einmal gesagt: Das Christentum ist historisch durch das Feuer der Aufklärung gegangen.

R: Was heute notwendig ist, wäre eine tiefgehende Revision und zeitgemäße Interpretation der einschlägigen Koranstellen. Aber die Reform des Islam von innen heraus kommt bisher offenbar nur langsam voran. Wo ist der Franziskus des Islam? Da der Islam aber kein Pendant zum Papst kennt, auch: Wo bleiben die Imame, die diesen Islam ernsthaft reformieren, statt jedes seiner Worte, auch die gewalttätigen, für unantastbar zu erklären? Moslems fühlen durch Karikaturen ihren Propheten beleidigt. Das ist ihr Recht, solange nicht mit Gewalt verbunden. Warum aber gehen sie  in den islamischen Ländern nicht auch in Massen auf die Straße, wenn die Islamisten ihre Untaten dadurch rechtfertigen, indem sie den Propheten als Anstifter zur Gewalt- auch gegen andere Muslime – darstellen? Das ist doch eine ungleich größere Beleidigung

K: Bei Pegida wird auch im Zusammenhang mit dem Islam von „Lügenpresse“ gesprochen.

R: „Lügenpresse“ wurde nicht von Pegida erfunden. Den Begriff gibt es,  seit es Verschwörungstheoretiker und „Querfrontler“ gibt. „Lügenpresse“ ist ein Hetzbegriff des Nationalsozialismus und in Folge übernommen von der SED-DDR, wie im „Schwarzen Kanal“ des DDR-Fernsehens mit Eduard von Schnitzler.. Wer heute auf der Straße „Lügenpresse“ skandiert, weiß das entweder nicht oder hat – noch schlimmer – keine Vorstellung von der Macht der Sprache, so falsch sie auch sei. Wer „Lügenpresse“ ruft, der will tatsächlich eine gelenkte Presse, die aber bitte nur ihm recht gibt. „Lügenpresse“ überdeckt die Medienkrise, mit der wir uns auseinandersetzen müssen. Ironischerweise waren es  ja gerade die Medien, die Pegida erst Resonanz verschafften. Aber es waren auch viele Medien, die jahrelang die von Zuwanderern selbst verursachten Probleme verharmlosten oder gar verschwiegen. Nicht jeder Immigrant ist eben eine Bereicherung. Und es erhöht auch nicht die Glaubwürdigkeit von Politik und Medien, wenn sie das ignorieren

Meinungs- und Pressefreiheit und Kritik sind allerdings keine Einbahnstraßen. Nachrichten und Kommentare müssen stärker getrennt werden. Die Kritik an der Kritik ist das Salz einer offenen und freien Debatte.  Hier erkennen wir im Umfeld der Pegidisten bei einigen auch die hässliche Fratze  des Rechtsradikalismus. Nicht nur in Dresden und Leipzig, sondern auch in einschlägigen Publikationen. So wurde gerade im Blog „Politically Incorrrect“ tatsächlich gefordert, das Asylrecht abzuschaffen. Dennoch dürfen Menschen,, die sich gewaltfrei versammeln, um ihre Meinung auszudrücken, nicht pauschal als Neonazis und Schande für Deutschland abqualifiziert werden,

Wo waren die Kommentare der gleichen Leute, als vor einigen Monaten auf unseren Straßen „Juden ins Gas“ geschrien wurde?

K: Gibt es nicht auch einen Aufstand der Bibeltreuen?

R: Die evangelische Kirche hat Pegida als unchristlich bezeichnet. Doch in der evangelikal geprägten Kirche Sachsens gibt es sehr enge Verbindungen tief ins rechtskonservative Milieu. Da gibt es auch Ähnlichkeiten in der Einschätzung der Moderne  mit dem  Fundamentalismus des Islam. Doch der ganz große Unterschied: sie morden nicht für ihren Glauben. .

K: Ist die „zeitnahe“ Morddrohung der Terrormiliz „Islamischer Staat“, die zum Verbot der Pegida- Demonstration und aller anderen Demonstrationen in Dresden führte, nicht ein Anschlag auf das vom Grundgesetz verbriefte Demonstrationsrecht für alle Bürger in Deutschland?

R: Das kann nicht hingenommen werden. Sind wir schon wieder soweit, dass wegen einer möglicherweise fingierten Nachricht ein Grundrecht ausgehebelt werden kann? Jedenfalls sind die politisch und intellektuell dürftigen Begründungen so falsch, dass nicht einmal das Gegenteil richtig ist. Es ist klar: So unvorbereitet die Nachricht über Drohungen  gegen den Organisator Bachmann das Pegida-Bündnis getroffen hat, so sehr dürften sich seine Anhänger in ihren Ressentiments gegen eine „Islamisierung des Abendlandes“ betätigt sehen.

K: Wie sehr sind Deutschland und Europa wirklich bedroht?

R: Ich bin kein Theologe, ich habe auch nicht Islamwissenschaften studiert, ich bin auch kein Militär und kein Sicherheitsfachmann. Ich weiß nur, dass sich mit der steigenden Bedrohung in Europa sogar die weitweite Münchner Sicherheitskonferenz Anfang Februar befassen will. Deren Chef, Wolfgang Ischinger, äußert sich nicht sehr optimistisch. Es wäre „ein Wunder oder jedenfalls viel Glück“, wenn Deutschland vom „Hass und Vernichtungswillen“ des islamischen Terrors verschont bliebe. „Wir haben es mit einer neuen Qualität terroristischer Mörderattacken  in Europa zu tun, die wir bisher eher aus Nahost, Afghanistan oder Pakistan kannten“.

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