Vier Meter hohe hellrote Handtasche mit langen Beinen als Hingucker

Posieren vor der „Walking BAG“. Alexander Graf Lambsdorff (MdB), Künstler Erwin Wurm, Walter Smerling, Vorsitzender Stiftung für Kunst und Kultur (v.l). Foto: Peter Köster

Österreichischer Künstler Erwin Wurm schuf für die Bonner Innenstadt die Skulptur „Walking BAG“

Eine riesige hellrote Handtasche mit langen Beinen lenkt seit ein paar Tagen die Aufmerksamkeit der Bonnerinnen und Bonner auf sich. „Walking BAG“ lautet der Titel der überlebensgroßen Bronzeskulptur des renommierten österreichischen Künstlers Erwin Wurm.

Weder weiblich noch männlich

Auf langen Beinen stolziert die Tasche zwischen Universität und Münster durchs Bonner Zentrum, so als käme sie gerade aus einem Geschäft. Ausgestattet ist sie mit kräftigem Schuhwerk, die den darauf ruhenden Körper mit Leichtigkeit tragen. Der Körper besteht aus Beinen, die weder weiblich noch männlich sind und einer Tasche. Diese ersetzt die Trägerin oder den Träger, einfach und konsequent. Erwin Wurm lässt seine Skulptur doppelbödig daherkommen: Vordergründig spaziert eine Handtasche durch die Einkaufsmeile, die jedoch einen faden Nachgeschmack hinterlässt: Rank und schlank ist das Ziel schön und wohlhabend, modisch unnd stilsicher. Aber wer entscheidet darüber was schön ist wie „man“ zu sein hat, wer dazu gehört und wer nicht?

Heftige öffentliche Debatte

Bereits im Vorfeld ihrer Installation entfachte die vier Meter hohe Skulptur eine heftige öffentliche Debatte um ihre gesellschaftspolitische Bedeutung. Hinzu kam der jetzige Standort an der Ecke Am Neutor/Am Hof, die Schnittstelle von Kommerz, Wissenschaft und Kirche. „Ein Kunstwerk polarisiert“, so der  Vorsitzende der Stiftung für Kunst und Kultur e.V. Bonn, Walter Smerling.   Kunst im öffentlichen Raum spiegele nicht nur den Zustand unserer Gesellschaft. Sie zeige uns zugleich das „öffentlichste Gesicht vom Zustand unserer Kultur“. Smerling: „Werden wir mitten im Stadtbild mit einem Werk konfrontiert, müssen wir, ob wir wollen odcr nicht, Stellung beziehen. Wo die Kunst unaufgefordert zu uns kommt und nicht wir zur Kunst, da ist der Disput und oft auch der Krach vorprogammiert.“

Konsumkritik

Konsumkritik ist eines der Themen, zu denen der österreichische Künstler Erwin Wurm immer wieder zurückkehrt. Die Suche nach dem Wesen der Gesellschaft steht im Fokus seiner Werke, mit denen er zugleich die Grenzen und Möglichkeiten zeitgenössischer Skulptur auslotet. Mit teils kritischem Blick auf eine paradoxe Welt richtet Wurm diesen besonders gerne auf menschliche Schwächen und Obsessionen: „Ich zeige eine Person, die auf ihre Accessoires reduziert ist: Tasche und Schuhe. Das mag paradox wirken, doch unsere Realität ist viel verrückter als jede absurde Perspektive es für möglich hält. Nicht die Fantasie ist unser Problem, sondern die Realität.“

„Kunstprojekt Bonn“

Die Arbeit „Walking Bag“ erkläre den Menschen zum Accessoire seiner selbst und lasse die Luxus-Handtasche zum Stellvertreter-Modell werden, so die Stiftung für Kunst und Kultur. Gerade auf solche Debatten über Anspruch und Freiraum der Kunst im öffentlichen Raum zielt das „Kunstprojekt Bonn“ der besagten Einrichtung. Mit der neuen Skulptur stellt der Bonner Verein schon das fünfte Kunstwerk in der Stadt auf. Im Jahr 2014 startete die Reihe mit der „Hommage an Beethoven“ von Markus Lüpertz, von einigen Bonnerinnen und Bonnern auch als „Knethoven“ bezeichnet. Danach folgten „Mean Average“ von Tony Cragg auf dem Remigiusplatz und „Arc89“ von Bernar Venet am Trajektknoten (Museumsmeile). Zuletzt kam im Jahr 2018 die „Hommage an August Macke“ von Stephan Balkenhol im Bonner Hofgarten dazu.

„Urbanes Museum“

Die Kunstwerke folgen der Idee des „Kunstprojekts Bonn“. Für dieses sogenannte „urbane Museum“, sollen bis 2030 weitere Werke für den öffentlichen Stadtraum entstehen, teilt die Stiftung für Kunst und Kultur mit.  Gleichzeitig verweist sie darauf, dass das „Kunstprojekt Bonn vollständig aus privaten Mitteln finanziert wird. „Für das Kunstprojekt Bonn werden keinerlei Steuergelder in Anspruch genommen. Dies gilt auch für das fünfte Kunstwerk der Reihe. Die Produktionskosten sind vollständig durch privates Sponsoring der Mitglieder der Stiftung für Kunst und Kultur gedeckt.“ Peter Köster