Tina Van De Weyer mit „Risiken + Nebenwirkungen“ im Frauenmuseum

„Tag unter“, 2021, Fotografie auf Alu Dibond. Foto: Peter Köster

Für ihre Ausstellung im Frauenmuseum wählte Tina van de Weyer den Titel „Risiken + Nebenwirkungen“. Die Werkschau wird noch bis zum 31. Juli auf der 2. Etage gezeigt.

Foto wird zum Objekt und Video zur Installation

Der Titel der Ausstellung assoziiert einen berühmten Werbespot einer Arzneimittelwerbung: „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in Ihrer Apotheke“. In diesem Falle reicht es völlig, die Künstlerin und deren Werk zu hinterfragen, denn im Zentrum des Werks von Tina van de Weyer steht ihre Befragung der Natur und ihrer Ressourcen. Für ihre künstlerische Praxis ist das intensive Beobachten, bisweilen gar physische Erforschen evident. Ihre medienübergreifenden (Re-) Inszenierungen und Animationen entwickeln erweiterte Bildebenen, die irritieren und Fragen nach Glaubhaftigkeit aufwerfen. Die Künstlerin  fasziniert die Grenzüberschreitung des Mediums. „Was die Fotografie und der Film zu leisten scheinen, genügt mir nicht. Ich kann diesen Medien nicht bedingungslos trauen. Ich bestehe darauf, ihre Mittel und ihren Raum nach von mir definierten Parametern zu erweitern.“ Ein Foto wird zum Objekt, welches in den Raum hineinragt und eine Videoarbeit wird zu einer, die Partizipanten umschliessenden Installation.“

Bild 1 Textiles
Wandarbeit. Foto: Peter Köster

Erweiterte Inszenierungen

Die Eingriffe des Menschen in die Natur sowie das Unnatürliche das dabei entsteht, werden von Tina van de Weyer nicht nur aufgegriffen, sondern durch die Inszenierungen erweitert. Das Medium der Fotografie wird hierbei besonders hinterfragt und erprobt. So mischen sich Standbilder mit Animationen, indem letztere eingefügt werden oder sich physische Bilder von der Wand ablösen und in den Raum hineinragen. Die Interpretation der Thematiken und der medienüberschreitenden Werke ist dabei den Betrachtenden selbst überlassen, wie van de Weyer betont. Die Intensität der Werke kann und soll auf unterschiedlichen Ebenen erfolgen, wodurch auch die Nuancen der Natürlichkeit bis hin zu den Inszenierungen in der Wahrnehmung variieren dürfen.

Flussfahrt in Kolumbien

Das beschreibt sehr schön ihr Landschaftsvideo einer Flussfahrt durch die kolumbianischen Gewässer mit mythologischen und wahrhaftigen Wesen oder Tiere inmitten einer idyllischen Natur. Eine völlige andere Landschaft dokumentiert van de Weyer mit ihrer Höhlen-Fotoserie „Tag unter“ (2021). Für das Experiment unter Tage entwickelte sie zunächst ein Höhlenmodell im Kleinformat. Es offenbart das Gestein und die Verflechtungen einer Höhle, die von Lichtakzenten durchflutet wird. Eine inszenierte Welt, welche die Künstlerin mit Ton- und Modelliermasse formt, belichtet und abbildet, so dass Fotografien voller Struktur, Licht und Tiefe entstehen. Die Idee für „Tag unter“ entstand in den Schweizer Bergen: „Mir wurde bewusst, dass der gesamte Berg, auf dem ich stehe, von unterirdischen Gängen durchzogen ist. Diese Welt hat mich unglaublich beeindruckt “, so die  Künstlerin.

Tina van de Weyer: „Landschaften“. Foto: Peter Köster
Tina van de Weyer: „Landschaften“. Foto: Peter Köster

Textile „Pillows“

Das Interesse an besonderen Praktiken sowie die Thematik innerhalb ihrer Kunst lassen sich auch in ihren neuen Arbeiten entdecken. So finden sich Abbilder echter Höhlenstrukturen auch auf den jüngst geschaffenen textilen „Pillows“ aus der Reihe „Den Kopf auf Stein gebettet (2024). Mit „Hand Form“, einer dreiteiligen Serie zeigt Tina van de Weyer darüber hinaus im Frauenmuseum erstmals KI generierte Arbeiten.

Fazit: Wer die Ausstellung von Tina van de Weyer im Frauenmuseum besucht, muss also weder „Nebenwirkungen“ befürchten, er muss auch beim Betrachten der Fotos, Videos, Objekte, Installationen keine „Risiken“ eingehen. Er sollte sich aber sehr bewusst auf das Werk einlassen. Es lohnt sich.

Peter Köster