Tandemausstellung in Bonn und Remagen:

Schuh und Steinspirale im Frauenmuseum. Foto: Peter Köster

Mary Bauermeister zeigt „Kunst von Anderen“ im Frauenmuseum und

„Warum eine Künstlerin Kunst sammelt“  in der Galerie Bassi

Bonn/Remagen. Mary Bauermeister im Doppelpack: Die Kölner Künstlerikone präsentiert in einer Tandem-Ausstellung neben eigenen Arbeiten auch Werke anderer Künstlerinnen und Künstler.  „Kunst von Anderen“ lautet der Titel der Schau, die bis zum 24. Juli im Frauenmuseum Bonn gezeigt wird. Die Ausstellung in der „Galerie Bassi“ ist überschrieben: „Warum eine Künstlerin Kunst sammelt“ und läuft bis Anfang September.

Bestseller geschrieben

Es war eine One-Women-Show der 87-jährigen Mary Bauermeister, die das zahlreich erschienende Publikum von der ersten Minute an fesselte. Ihr Kunstbeitrag, zunächst im Frauenmuseum und später in der Galerie Bassi, besitzt Erinnerungswert. Unermüdlich scheint scheint sie zu sein, druckreif redet sie über die Kunst, die Menschen, die Welt. Schließlich hat sie seit den 50er-Jahren selbst auf internationaler Ebene Kunstgeschichte geschrieben – sie war mittendrin in der Fluxusbewegung und der Konzeptkunst der Nachkriegsgeneration. Mit John Cage, Nam June Paik, Rauschenberg, Beuys, Christo und vielen anderen formulierte sie den Kunstbegriff neu, in New York und in Köln. Legendär und immer noch aktuell sind ihre Linsenkästen, die Steinbilder mit den fein aufgefächerten Steinen in Spiralform, das grafische Werk, die schwimmenden Gärten nach der Philosophie der Geomantie, die Lichtskulpturen aus sizilianischen Flickentüchern. Und einen Bestseller („Ich hänge im Triolengitter“) hat sie geschrieben über ihre kongeniale Beziehung und Ehe mit dem Komponisten Karlheinz Stockhausen, ein Dokument der Beziehungen in den 60er-Jahren sowie der Kunst- und Musikgeschichte.

Erfolge und Niederlagen

Lebendig und energiegeladen, mimisch, gestenreich, frech, pointiert, springt Mary Bauermeister durch die Zeiten als gebe es kein heute. Sie erzählt aus ihrem bewegten Leben, das sie selbstbestimmt und doch voller Zweifel gelebt hat. Sie berichtet über Erfolge und  Niederlagen. Alles im Gleichklang. „Ich war reich und ich war arm. Shit Happens“. „Wir kamen aus den Kellern, und ein schwarzer Mann warf Bonbons aus einem Panzer. Das sollte der Feind sein“, beschreibt sie ihre Nachkriegsgedanken. Erwachsenen glauben, niemals. Alles sollte anders werden. „Wir waren rote Socken. Unsere bewusstseinserweiternden Drogen waren Hunger und Sehnsucht.“ Ihre Wohnung (zugleich Atelier) in der Lintgasse 28 in Köln, unweit des Doms, sei ein Treffpunkt für die „Hungerkünstler“ der ganzen Welt geworden, in allen Farben, über kulturelle Grenzen hinweg: ein Schmelztiegel für interdisziplinäre, experimentelle Kunst. In den 60er Jahren hat Mary Bauermeister die Fluxus-Szene mitgeprägt, hat Künstlerinnen und Künstler angezogen und eine Epoche mitgeprägt. „Ich war jung und schön, ich hatte gewissermaßen Narrenfreiheit.“ Dieses Privileg nutzte sie für sich und Andere. Ihr Atelier bildete die geistige Grundlage zu vielen Aktionen, Aufführungen und Werken.

Mary Bauermeister im Frauenmuseum vor einem „Monster-Bild“. Foto: Peter Köster

Malerische Konzeption

Seit ihrer Kindheit hat sich Mary Bauermeister intensiv mit Musik auseinandergesetzt. Die Beziehung zu Karlheinz Stockhausen und die Freundschaft mit heute berühmten, avantgardistischen Künstlern wie John Cage, zu Beginn ihrer Schaffensperiode, führt sie zur intensiven Auseinandersetzung mit zeitgenössischen experimentellen Strömungen. Die „Malerische Konzeption“, eine Partitur für Künstlerinnen und Künstler aller Genres, hat sie im Kompositionskurs bei Karlheinz Stockhausen 1961 erarbeitet. Das Werk bildet fortwährend einen Fundus zur Weiterentwicklung ihrer Arbeit.

1962 nach New York

1962 zog es Bauermeister nach New York, wo sie im Umkreis von Jasper Johns, Marcel Duchamp und Robert Rauschenberg große Erfolge feierte. Die Verbindung verschiedener Kunstrichtungen, der Musik, der Malerei, der Philosophie war Mary Bauermeister immer besonders wichtig. Wenn die Mitbegründerin der „Fluxus- Bewegung“ ihr Wohnzimmer öffnete, entstanden Kunstwerke, bei denen es vor allem auf die schöpferische Idee ankam. Auch Verrücktheiten mussten sein: „Wir haben ein Klavier im Rhein versenkt“, sagt sie. „Als Klavier auf Wasser traf, war da ein ganz besonderer Klang.“ Leider nur für ein paar Sekunden. Alte Zöpfe abzuschneiden, darin war Mary Bauermeister schon immer eine Meisterin. Bis heute hat sich daran nicht geändert, wie ihre vom Kopf auf die Füße gestellte Gold-Rot-Schwarz- Deutschland-Flagge zeigt. Unten erscheint das Schwarz der Erde, in der Mitte taucht das Rot auf und oben glänzt das Gold der Sonne. „Es ist mein Zeichen, in Deutschland wieder eine geistig spirituelle Zukunft zu gestalten“, sagt Bauermeister, die künstlerisches Schaffen immer in Zusammenhang mit der Geschichte gesehen hat.  „Solange Schwarz oben war, lief die Entwicklung nicht gut.“

Schauplatz Galerie Bassi: Mary Bauermeister hat sichtlich Spaß mit ihrem Luftballon. Links: Galeristin Rosemarie Bassi, rechts Marianne Pitzen, Direktorin Frauenmuseum. Foto: Peter Köster

Das Bauermeister-Universum

In Mary Bauermeisters Universum ergibt eins plus eins nicht zwei. Dabei hätte die gebürtige Frankfurterin Anfang der fünfziger Jahre eigentlich Mathematik studieren sollen. Stattdessen schrieb sie sich an der Kunsthochschule ein, schließlich verkörperte Kunst für sie das Gegenteil einer definierten Wissenschaft. Sie wollte an Dinge glauben, die sich nicht beweisen ließen. An Farben, die sie nicht mischen, sich aber in Gedanken ausmalen konnte. „Ich habe Jahrzehnte keine politische Kunst gemacht. Heute mache ich politische Kunst, weil es nötig ist. Auf der anderen Seite kann ich mich dann völlig in einem roten Bild verlieren. Das ist reiner Farbrausch. Aber ich bin heute alt, ich habe alles, was ich als Künstler – sie sagt bewusst Künstler und nicht Künstlerin – erreichen wollte, erreicht. Rauf und runter, Ruhm und nicht Ruhm, Verdammung und Verherrlichung, Hunger und Sattsein. Ich gucke darüber hinweg, es ist mir egal, ich tue das, was mein innerstes Gefühl und mein Genius mir in den Kopf oder ins Herz geben. Und das ist ein solches Privileg, da ist es mir völlig wurscht, ob ich Frau oder Mann bin. Ich hab’ noch ein paar Sachen fertig zu machen, blicke aber voller Dankbarkeit auf mein Leben zurück. Ich habe mein Leben lang nur das getan, was ich gerne tue.“ Dazu gehört das Sammeln der Arbeiten anderer Künstlerinnen und Künstler, die sie mit zehn Prozent der Erlöse aus ihren eigenen Werken unterstützt. Peter Köster

Bodenpyramide in der Galerie Bassi. Foto: Peter Köster