„Surreale Tierwesen“

Alberto Giacometti: „The Cat“ (Die Katze), 1951, Bronze 25 x 81 x 13 cm Foto: Peter Köster

Ausstellung im Max Ernst Museum Brühl – Letzte Ausstellung für

Kurator Jürgen Pech

Brühl. Das Max Ernst Museum in Brühl lädt zu einem ungewöhnlichen „Zoobesuch“ ein. „Surreale Tierwesen“ nennt sich die Ausstellung, die das Brühler Haus bis zum 6. Februar 2022 zeigt.

„Surreale Tierwesen“ widmet sich der Welt der Tiere und der erdachten Geschöpfe. Sei es der Vogel bei Max Ernst, der Hund bei Dorothea Tanning oder die Sphinx bei Léonor Fini: Das Bestiarium (mittelalterliche Tierdichtung), dass die Bildwelten des Surrealismus beherrscht, ist bisher ausstellungsmäßig noch nie behandelt worden. Das Max Ernst Museum, das bisher eher durch Wechselausstellungen auf sich aufmerksam machte, zeigt erstmalig eine Präsentation, die in ihrer Breite und Vielfalt – gezeigt werden 140 Werke von 74 Künstlerinnen und Künstlern, Premierencharakter besitzt.

Andrè Masson: „Die stierkämpfenden Insekten“ , 1936, Öl auf Leinwand,
89 x 116 cm. Foto: Peter Köster

Brennende Giraffe von Salvador Dalí

Der Kosmos von Max Ernst wird darüber hinaus in der Schausammlung des Museums von Affen, Eulen, Fischen, Fröschen, Hähnen, Löwen, Mäusen, Schildkröten, Schlangen, Tauben oder einem „Hundspavian“ bevölkert. Mit der surrealistischen Fauna sind aber auch die, brennende Giraffe bei Salvador Dalí der Bierseidel mit Eichhörnchen bei Meret Oppenheim oder die Bulldogge des Maldoror von Jean Benoît verbunden. Über dieses letztgenannte Tier wird später noch zu reden sein. Zu sehen sind darüber hinaus Hans Arps Kobra-Kentaur und der Minotaurus von Pablo Picasso, Nicht zuletzt Albertos Giacomettis Bronze-Arbeit „Die Katze“, eines der Highlights dieser Ausstellung und nur in einer gläsernen Vitrine zu bestaunen. Neben den bekannten Künstlerinnen und Künstlern sind auch zu Entdeckende in der Ausstellung vertreten wie Jean Benoît, Greta Knutson, Edith Rimmington, Friedrich Schröder-Sonnenstern oder Remidios Varo.

Jane Graverol: „Die Prozession des Orpheus“, 1948, Öl auf Leinwand,
70 x 50 cm, Foto: Peter Köster

Leihgaben stammen aus elf Ländern

„Wir freuen uns, dass wir Leihgaben aus Museen und privaten Sammlungen aus elf Ländern präsentieren können“, sagt Museumsdirektor Dr. Achim Sommer. Dr. Jürgen Pech, für den es die letzte Ausstellung in Brühl ist die er kuratiert, ergänzt: „Diese internationale Ausstellung des Surrealismus zeigt sowohl das Umfeld, in dem Max Ernst gelebt und gearbeitet hat, als auch die Vielfalt bildkünstlerischer und literarischer Positionen, die im Laufe der surrealistischen Bewegung entstanden sind. Die Bewegung, die Anfang der 1920er Jahre installiert wurde, lässt sich deshalb nicht – wie Impressionismus, Expressionismus oder Kubismus – durch Stilmerkmale charakterisieren.“ Surrealismus, so Pech, sei nicht wie andere Stilrichtungen an bestimmte Formen oder Ausdrucksweisen gebunden, Surrealismus sei eine Haltung der Wirklichkeit gegenüber.

Der Surrealismus bildete sich nach dem Ersten Weltkrieg Mitte der 20er Jahre in Paris heraus und veränderte die Inhalte und Formen künstlerischer und literarischer Verfahrensweisen grundlegend. Auf radikal neue Weise sollte Kunst Ausdruck einer antibürgerlichen Lebenshaltung sein und die Gesellschaft umgestalten. Unter besonderer Einbeziehung des Unbewussten und des Traums entwickelten die Surrealisten eigenständige Ausdrucksformen, sei es in der bildenden Kunst oder in der Literatur.

Vor dem Werk „Eroberung der Luft“ 1938, (Roland Penrose), posieren Kurator Jürgen Pech (links) und Museumschef Achim Sommer. Foto: Peter Köster

Objekt „Bulldogge“ wird erstmals museal gezeigt

Erstmals in einem deutschen Museum gezeigt wird „Le bouledogue de“ (Die Bulldogge des Maldoror Bulldogge). 1965 wurde das aufsehenerregende Objekt auf der elften Gruppenausstellung der surrealistischen Bewegung, in der Pariser Galerie de l’Œil unter dem Titel L’écart absolu erstmals ausgestellt. Der kanadische Künstler Jean Benoît schuf mit seiner Bulldogge ein zugleich verstörendes als auch faszinierendes Werk. Mit ihrem gedrungenen Körper, der   mit dunkelbraunem Handschuhleder versehen und dessen Rückenpartie sowie spitze Ohren und Hinterteil mit flaschengrünen Glasscherben bestückt sind, lenkt sie alle Blicke auf sich. Nicht zuletzt die langen, scharfen Krallen des Hundes, sein mit Stacheln besetztes Halsband sowie ein übergroßer Phallus, der sich im Spiegelglas der Bodenplatte verdoppelt, verleihen der Kreatur eine brutale Maskulinität. Benoîts eigener Aussage nach hat er für dieses Werk ausschließlich auf Flohmärkten erworbene Damen- und Kinderhandschuhe verwertet, aus deren Leder er die Oberfläche des Hundekörpers ausgestaltet hat. „Surreale Tierwesen“ taugt nicht nur wegen der „Bulldogge“ zu einem längeren Aufenthalt. Peter Köster

Jean Benoît: Le bouledogue de Maldoror (Die Bulldogge des Maldoror), 1965, Holz, Leder, Spiegelglas, Glas und Metall, Foto: Peter Köster