„Stumme Verkäufer“ als Blickfang im Haus der Geschichte

Aktionskünstler HA Schult inmitten seiner roten Kästen. Foto: Peter Köster

„Stumme Verkäufer“ als Blickfang im Haus der Geschichte

Rote Zeitungskästen von Aktionskünstler HA Schult käuflich zu erwerben –  Erlös geht an Verein „Kunst hilft geben für Arme und Wohnungslose in Köln

Bonn/Köln. Noch vor wenigen Jahren prägten sie das Stadtbild in größeren Kommunen: die „Stummen Verkäufer“. Der Aktionskünstler HA Schult aus Köln hat 150 ausrangierte „BILD-Zeitungskästen“ aus der Domstadt übernommen, stattet sie mit neuen „Titelbildern“ seiner weltweit bekannten Kunstaktionen aus und bewahrt so diese Relikte des Print-Zeitalters.

Kleine soziale Skulptur

Rund 20 der käuflich zu erwerbenden roten Kästen (1.000 Euro pro Box) werden unter dem Titel „Politics of Pictures“ im Foyer des Hauses der Geschichte ausgestellt. Der Erlös kommt dem Verein „Kunst hilft geben für Arme und Wohnungslose in Köln zugute. Einen Kasten übernimmt das Museum anschließend und ergänzt damit auch seine Sammlungen zur Mediengeschichte Deutschlands. Ausstellungsdirektor Thorsten Smidt erläutert die Präsentation: „Die Boxen sind ‚objets trouvés‘ für den Künstler, seine zu Bildikonen gewordenen Aktionen nehmen in Form von Fotos und Collagen den Platz der Tageszeitung ein, so entstehen neue, auch aktuelle Titelbilder“. Die roten Boxen seien damit auch ein kleiner Rückblick auf die Werke und das Schaffen des Aktionskünstlers. „Jede Zeitungsbox von Künstlerhand verändert, wird auch zu einer kleinen sozialen Skulptur.“

Der Kölner Künstler hier zusammen mit Stiftungspräsident Haus der Geschichte, Harald Biermann, (mitte) und Ausstellungsdirektor Thorsten Smidt. Foto: Peter Köster

„Geronnene eingefrorene Zeit“

Die Kästen haben zwei bis drei Generationen Menschen mit ihren Zeitungen beeinflusst. „Es ist geronnene eingefrorene Zeit, die man hier wieder finden kann in einem Bild, das aus diesem Jahrzehnt geschöpft wurde und wenn so ein Kasten zu Hause steht, dann berichtet er so wie eine Skulptur von Kultur im Dialog mit dem Zeitgeist“, so der 83jährige Aktionskünstler HA Schult. Dort, wo in den Verkaufskästen früher hinter einer Scheibe die Titelseite der Boulevard-Zeitung zu sehen war, sind jetzt verschiedene Fotos und Collagen der Kunstaktionen von HA Schult zu sehen, die Schult in den letzten Jahrzehnten durchgeführt hat. Dazu gehört u.a. ein Flugzeug, das er 1977 für die Documenta  „abstürzen“ ließ. Nicht zu vergessen die Aktion auf dem Markus-Platz in Venedig, den er mit alten Zeitungen überflutete. Berühmt ist HA Schult aber vor allem für seine 1000 Müllmenschen, die „Trash-People“, die er in einer spektakulären Aktion auf der Domplatte in Köln ausgestellt hat. Aus Dosen und Kanistern, Computerschrott und anderem Abfall hatte er sie zusammengesetzt. Seit 1999 zieht sein Heer um die Welt. Ob auf der Chinesischen Mauer, an den Pyramiden von Gizeh, auf dem Roten Platz in Moskau, aber auch in 2.800 Metern Höhe am Matterhorn baute er seine Müllmenschen auf.

Provokateur der Kunst

HA Schult gilt als Provokateur der Gegenwartskunst, als wilder Wolf, der wachrütteln will: Er ist der erste europäische Künstler, der den Müll und die Umwelt zu seinen Hauptthemen machte und durch schonungslose, fast aggressive Inszenierungen bekannt wurde. „Nur an starke Bilder erinnern sich die Leute“, beschreibt Schult die Intention seines Wirkens. Der Aktionskünstler macht immer wieder auf Umweltzerstörung und wachsende Müllberge aufmerksam. „Das ist mein Job, das Unwerte wertvoller zu machen und das sollten wir mit unserem Alltag auch tun in einer Müllgesellschaft und einem Planeten, den wir zum Müllplaneten Erde gemacht haben.“ Peter Köster