Stadtmuseum Siegburg zeigt Ausstellung Dorissa Lem „Polyphonie“

Bodeninstallation (Holz) „Alle Capanne“. Foto: Peter Köster

Siegburg. Musik ist die Herzkammer der Künstlerin Dorissa Lem. Musik transportiert ihr Werk. Aus der Musik zieht sie ihre schöpferische Kraft. Das Stadtmuseum Siegburg zeigt unter dem Titel Dorissa Lem „Polyphonie“ bis zum 22. August Arbeiten der Kölnerin.

Mit der zunehmenden globalen Technisierung und Digitalisierung, die längst Bestandteil der Kunst ist, werden diejenigen immer seltener, die ihre Arbeitsprozesse konsequent und ausschließlich analog betreiben. Dorissa Lem, die sowohl malerisch als auch bildhauerisch unterwegs ist, zählt zu diesen Kunstschaffenden. Ihre Skulpturen entstehen völlig ohne Einsatz von Maschinen und Computern. Lem liebt die körperliche Auseinandersetzung mit dem Material. „Ich brauche den Einsatz von Kraft und Energie.“ Zu ihrem bevorzugten Werkstoff zählt Holz und hier besonders Ahorn und Hollunder. Aus diesen entwickelt sie abstrakte Arbeiten mit biomorphen und architektonischen Anklängen. Einiger dieser Arbeiten zeigen eine künstlerische Seelenverwandtschaft mit Barbara Hepworth. „Mein großes Vorbild“, sagt Dorissa Lem. Die Bearbeitung mit traditionellem Handwerkszeug, die ganzheitliche Einbeziehung aller Sinne sind für Doris Lem elementare Bestandteile ihres künstlerischen Schaffens. Das Arbeiten am Holzstamm von außen nach innen ist für sie eine „Reise zum Kern des Materials.“

„Versus“: Diptychon, Öl auf Holz, 110 x 65 cm. Foto: Peter Köster

Beim Betrachten von Kunst gleicht man stets mit dem bereits Gesehenen ab. Der Titel der Ausstellung greift die Mehrstimmigkeit der Arbeiten von Dorissa Lem auf. Ihr vielschichtiges Oeuvre dazu zählt auch das Bildnerische wird getragen von der Musik. So verwandelt sie ihr Werk, sei es Malerei Zeichnung, Frottage unter dem Einfluss von Philip Glass minimal musikalischen Klängen in einen neuen Resonanzraum. Bei dem Cellokonzert „Klatbutne“ des lettischen Komponisten Peteris Vasks, griff sie das Erleben von Präsenz, von Gegenwärtigsein. Bei dieser Arbeit handelt es sich um eine in sich kreisende Klanglandschaft, die aus zahlreichen Farbschichten besteht. Der Rhythmus der Musik bestimmt ihre Herangehensweise. Sie arbeitet kraftvoll mit Spachteln verschiedener Größen, kratzt, klopft und ritzt auf, damit sich die Farbe einnisten kann. Ihre Malerei entsteht in einer Art von bildhauerischem Prozess. Die Bildschichtungen zeigen eine Durchdringung verschiedener Ebenen und verdichten sich zu einem pulsierenden Farbraum.

„Movements“, Öl auf Holz, 175 x 87 cm, 2020. Foto: Peter Köster

„Doris Lems Kunst ist nicht explizit, sie kommentiert nicht die Gegenwart, stattdessen führen ihre Arbeiten die Betrachterin, den Betrachter, hin zu jedem Schlag, den die Künstlerin auch den eigenen Klischees versetzt“, heißt es im Katalogtext von Doris Konradi. Neben dem skulpturalen nimmt das grafische Werk von Larissa Lem einen größeren Raum ein. Hier zeigen sich zwei Schwerpunkte: die bearbeitete Blindzeichnung und die Frottage, Auch hierbei spielt die Musik eine entscheidende Rolle. Die Künstlerin ertastet mit Grafit Untergründe und reibt Strukturen durch ein aufgelegtes Papier. Dabei verzichtet sie auf das kontrollierende Auge und vertraut sich nur den spürenden Bewegungsimpulsen ihrer Hand an. Indirekt greift sie Impulse von Musikern auf, reagiert zum Beispiel auf Improvisationen des jungen Kontrabassisten Jonas Gerigk. So entstehen ihre sogenannten Blindzeichnungen, in denen sie mit geschlossenen Augen intuitiv der Musik folgt, sie mit schwungvollem Gestus in dynamische grafische Muster verwandelt.

Egal, welcher Gattung man sich auch gegenübersieht, sei es Skulptur, Malerei, Zeichnung, überall ist die Gegenwart der Künstlerin und ihres Werks spürbar. Peter Köster