Bonner Forschende gehen dem sozialen Aspekt der Kommunikation für die geistige Aktivität auf den Grund
Bonn, 05. September – Über alle Spezies hinweg werden zum Überleben wichtige Fertigkeiten wie beispielsweise das Jagen von Beute durch Kommunikation von den Eltern an den Nachwuchs weitergegeben. Forschende des Universitätsklinikums Bonn (UKB) und der Universität Bonn konnten zeigen, dass effektive sprachähnliche Kommunikation ein wechselseitiger Prozess zwischen Sender und Empfänger ist. Ihre Ergebnisse sind im Fachmagazin „Nature Communications“ veröffentlicht.
Kommunikation – sei es durch Geräusche, Gerüche oder Bewegungen –– ist entscheidend für das Überleben. Dessen sozialer Aspekt ist dabei grundlegend für die Kognition, da unsere Aufgabenbeschreibungen im Gehirn nicht nur durch sensorische Erfahrungen, sondern auch durch die uns mitgeteilten Informationen geformt werden. „Aus unserem Alltag wissen wir, dass soziale Kommunikation unsere Lernfähigkeiten in der realen Welt verbessert, was durch das Sprichwort ‘Lehren ist Lernen zum zweiten Mal’ zusammengefasst wird“, sagt Prof. Tatjana Tchumatchenko, vom Institut für Experimentelle Epileptologie und Kognitionsforschung am UKB und Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Modelling“ der Universität Bonn.
In einer neuartigen Studie setzten die Bonner Forschenden künstliche Netzwerke als Agenten ein, die die Rollen von Lehrenden und Beschulten übernahmen. Das Lehrer-Netzwerk lernte, ein Labyrinth zu lösen, und führte anschließend das Schüler-Netzwerk durch die Aufgabe, indem es eine Nachricht übermittelte. Dieses Setup ermöglichte es den Forschenden, zu untersuchen, wie sprachähnliche Kommunikation zwischen künstlichen Agenten das Lernen und die Aufgabenerfüllung verbessert.
Gehirn erschafft Abstraktionen für unsere reale Welt
Die Ergebnisse zeigten, dass beide Rollen eine Sprache entwickeln können, die es dem Beschulten ermöglicht, vom Lehrenden zu lernen. Interessanterweise wurde diese Sprache sowohl von der zu lösenden Aufgabe als auch von der Leistung des Beschulten beeinflusst. „Was wir gefunden haben, steht im Einklang mit dem, was über die Sprachbildung bei Tieren bekannt ist“, sagt Carlos Wert-Carvajal, Co-Korrespondenzautor und Doktorand der Universität Bonn in der Arbeitsgruppe von Prof. Tchumatchenko am UKB. Er betont, dass die Art und Weise, wie unser Gehirn unsere Welt kodiert, nicht nur von unseren eigenen Erfahrungen bestimmt wird, sondern auch Abstraktionen schafft, die für andere verständlich sind: „Zum Beispiel sagen wir nicht ‚süß, knackig, rundes rotes oder grünes Obst‘, sondern verwenden das einzelne Wort ‚Apfel‘. Ein solches Wort existiert, weil unsere Sprache sich entwickelt hat, um eine gemeinsame Erfahrung, die eine angenehme Belohnung liefert, zu repräsentieren.“ Mit anderen Worten, jede Sprache muss die Welt so effizient wie möglich beschreiben.
Diese Effizienz bedeutete dabei nicht nur eine prägnante Botschaft, sondern auch eine, die so viele Informationen wie möglich enthielt. Eine gute Sprache musste sowohl die internen Beschreibungen der Aufgabe beim Lehrenden und Beschulten als auch die tatsächlichen Eigenschaften der realen Welt miteinander verbinden. „Wenn wir Rückmeldungen darüber gaben, wie gut der Beschulte die Aufgabe bewältigte, änderte der Lehrende seine Sprache, um nützlichere Informationen zu übermitteln“, erklärt Erstautor Tobias Wieczorek, der bis vor kurzem Masterstudent der Universität Bonn in der Tchumatchenko-Gruppe am UKB war. Dieser Prozess zeigt, dass effektive Kommunikation ein wechselseitiger Prozess ist. „Sowohl der Sender als auch der Empfänger müssen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die ausgetauschten Informationen klar, präzise und wirklich nützlich sind“, sagt Prof. Tchumatchenko, die die Studie leitete.
Sprache schließt den Kreis in der Kommunikation als gemeinsame Erfahrung
Bemerkenswerterweise konnten die Bonner Forschenden durch „Schließen des Kreises“ – also indem sie die Sprache des Beschulten wieder an sich selbst zurückführten – die Lernenden in die Lage versetzen, sich gegenseitig zu unterrichten. Trotz fehlender expliziter Lehrfähigkeiten kommunizierten die Agenten effektiv wesentliche Informationen und demonstrierten die Robustheit der entwickelten Sprache. „Obwohl sie nicht wussten, wie man ‚lehrt‘, konnten sie dennoch ihre Sprache nutzen, um wichtige Informationen zu vermitteln“, sagt Co-Korrespondenzautor Dr. Maximilian Eggl, der bis vor kurzem Postdoc der Universität Bonn in der Arbeitsgruppe von Prof. Tchumatchenko am UKB war.
Diese Forschungsarbeit unterstreicht die grundlegende Rolle von sprachähnlicher Kommunikation als gemeinsame kognitive Erfahrung und zeigt ihre entscheidende Bedeutung für das Lernen und die Generalisierung auf. Die Ergebnisse bieten wertvolle Einblicke in die Gestaltung biologischer und künstlicher Kommunikationssysteme, die das Lernen und die Aufgabenerfüllung in unterschiedlichen Umgebungen optimieren.
Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG, German Research Foundation) – Project-ID 227953431 – SFB 1089
Publikation: Tobias J. Wieczorek, Tatjana Tchumatchenko, Carlos Wert-Carvajal and Maximilian F. Eggl: A framework for the emergence and analysis of language in social learning agents; Nature Communications15, 7590 (2024); DOI: 10.1038/s41467-024-51887-5