Die Europäische Union fördert Projekte verschiedener Fachbereiche in Millionenhöhe
So viele ERC Starting Grants auf einmal gab es an der Universität Bonn noch nie | Gleich sieben Forschende setzten sich mit ihren Anträgen in dem hochkompetitiven Verfahren des Europäischen Forschungsrats (ERC) durch. Mit dem Fördergeld über jeweils rund 1,5 Millionen Euro können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Ethik, Mathematik, Bodenkunde, Informatik, Astronomie sowie den Wirtschaftswissenschaften in den nächsten fünf Jahren ihre Projekte verwirklichen.
Astronomie, Jun.-Prof. Dr. Andrina Nicola | Dunkle Energie und Inflation
Im Rahmen ihres ERC Starting Grant-Projekts „PiCo – Towards constraining the Pillars of our Cosmological model using combined probes” wird Juniorprofessorin Dr. Andrina Nicola vom Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn zwei grundlegende Fragen der modernen Physik untersuchen: Welcher Mechanismus führte zu den ursprünglichen Fluktuationen, aus denen alle heute im Universum sichtbaren Strukturen hervorgegangen sind? Und was ist die Ursache für die beschleunigte Expansion des Universums? Um diese Fragen zu beantworten, kombiniert sie verschiedene kosmologische Sonden wie die großräumige Verteilung von Galaxien, den schwachen Gravitationslinseneffekt und Galaxienhaufen. Ihre Forschungsgruppe wird die von ihnen neuentwickelten Analysemethoden dann auf Daten des Rubin Observatory Legacy Survey of Space and Time und des Simons Observatory anwenden. „Das Ziel unserer Arbeit ist es, Licht auf zwei grundlegende Säulen unseres kosmologischen Modells zu werfen: dunkle Energie und Inflation“, erklärt Jun.-Prof. Dr. Andrina Nicola, die auch Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Matter“ der Universität Bonn ist.
Bodenkunde, Dr. Melanie Braun | Winzigsten Plastikteilchen im Boden auf der Spur
Es gibt kaum noch Böden, in denen kein Plastik nachgewiesen werden kann. Dabei konzentrieren sich die meisten Studien auf Partikel, die zwischen 0,001 und fünf Millimeter groß sind. Es geht noch winziger: kleiner als 1000 bzw. 100 Nanometer. In ihrem ERC Starting Grant-Projekt „NanoSoil: Nano- and colloidal plastics in soil: input, plant uptake and risk assessment” untersucht Dr. Melanie Braun vom Institut für Nutzpflanzenwissenschaft und Ressourcenschutz (INRES) in den kommenden fünf Jahren Nanoplastik in landwirtschaftlichen Böden. „Gerade für Nanoplastik wird eine schädliche Wirkung vermutet, auch auf die menschliche Gesundheit. Deshalb ist es wichtig, zu wissen wie viel von diesem Plastik in unseren Böden ist, und wie viel davon in die Pflanzen, unsere Nahrung, gelangt“, erklärt Melanie Braun, die auch Mitglied im Exzellenzcluster PhenoRob der Universität Bonn ist.
Ethik, Dr. Stefan Partelow | Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit auf den Weltmeeren
Das rasante Wachstum der Meereswirtschaft in den Bereichen Tourismus, Schifffahrt, Offshore-Energie, Aquakultur und Tiefseebergbau hat dazu geführt, dass Risiken und Vorteile der Meereswirtschaft nicht gerecht verteilt werden. Deshalb haben die Vereinten Nationen 2023 einen neuen Vertrag über die Hohe See – Meeresgebiete, die außerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit liegen und rund 50 Prozent der Meere ausmachen – verabschiedet. Die Hohe See soll im Rahmen von Modellen mit gemeinsamen Rechten verwaltet werden. „Bislang gibt es jedoch kaum Erfahrungen mit Modellen für gemeinsame Rechte in diesem Maßstab“, sagt Dr. Stefan Partelow vom Center for Life Ethics der Universität Bonn. „Wir müssen von bestehenden Ansätzen auf lokaler und regionaler Ebene lernen und Wege finden, die Prinzipien und Praktiken in globale Governance-Prozesse zu übertragen.“
Informatik, Prof. Dr. Florian Bernard | Maschinelles Lernen und menschliches Wissen
„Das Arbeitsgebiet Visual Computing arbeitet vermehrt mit Methoden des Maschinellen Lernens. Mithilfe dieser Ansätze wurden bereits eine Reihe von Problemen gelöst, wie die synthethische Generierung von photorealistischen Bildern, oder die automatisierte Erzeugung von statistischen Formmodellen von 3D-Organen“, erklärt Professor Dr. Florian Bernard vom Institut für Informatik II, der auch Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich “Modelling” ist. „Das Problem dabei ist, dass die Fortschritte häufig hauptsächlich auf eine Vergrößerung der verwendeten Ressourcen, wie Energie, Daten oder Hardware, zurückzuführen sind.“ Mit dem ERC Starting Grant will er in dem Projekt “Harmonising Observations and Underlying Principles for Visual Data Association” intelligente Algorithmen entwickeln, die maschinelle Lerntechniken mit menschlichem Wissen kombinieren.
Mathematik, Prof. Markus Hausmann | Die Symmetrie von Räumen
Prof. Markus Hausmann vom Mathematischen Institut der Universität Bonn ist ein Mathematiker, der an algebraischer Topologie und ihren Wechselwirkungen mit algebraischer Geometrie, Darstellungstheorie und tensor-triangulierter Geometrie forscht. Mit seinem Projekt “Bordism of symmetries: From global groups to derived orbifolds” taucht er in die Grundlagenforschung der Mathematik. Darin wird er die Symmetrie von Räumen mit algebraischen Methoden studieren. „Das Projekt verbindet verschiedene spannende mathematische Bereiche, in denen es in den letzten Jahren viel Fortschritt gab und die auf überraschende Weise miteinander verknüpft sind. Aus diesem Zusammenspiel versprechen wir uns neue Erkenntnisse bei lange offenen Problemen“, erklärt Markus Hausmann, der auch Mitglied im Exzellenzcluster Hausdorff Center for Mathematics ist. Den Grant möchte er nutzen, um mit einem großen Team an PostDocs und Doktoranden die offenen Probleme gemeinsam anzugehen.
Wirtschaftswissenschaften, Prof. Sarah Auster | Wie wirkt Unsicherheit sich auf Informationsgewinnung und -verbreitung aus?
Unsere Welt wird immer komplexer, Risiken unübersichtlicher. Daher ist es oft nicht möglich, genau einzuschätzen, welche Auswirkungen wichtige Entscheidungen letztendlich haben werden. Im Projekt “Information Economics with Fundamental Uncertainty: Robustness, Commitment, and Strategic Incentives (INFORM)” untersucht Prof. Sarah Auster vom Institut für Mikroökonomie, wie Unsicherheit die Gewinnung, Verarbeitung und strategische Verbreitung von Informationen beeinflusst. „Der klassische Ansatz der Informationsökonomie geht vor allem von Szenarien mit klar definierten Risiken aus“, erklärt Professorin Auster. „Mein Fokus hingegen liegt auf komplexen Lernsituationen.“ Zudem erforscht das Projekt, wie sich strategische Anreize zum Informationsaustausch verändern, wenn potenzielle Empfänger nur ein partielles Bild der möglichen Informationsquellen haben, zu denen andere Parteien Zugang haben.
Wirtschaftswissenschaften, Dr. Tomáš Jagelka | Ungleichheit im Blick
Welche persönlichen Eigenschaften sind für ein gutes Leben wichtig? Welche individuellen Vorlieben und Fähigkeiten fördern positive Lebensumstände? Diesen Fragen geht Wirtschaftswissenschaftler Dr. Tomáš Jagelka vom Institut für Angewandte Mikroökonomik der Universität Bonn in seinem vom ERC mit 1,5 Millionen Euro geförderten Projekt “FELICITAS” nach. „Wir wissen, dass es viele Ungleichheiten in den Lebensergebnissen gibt“, erklärt Dr. Jagelka, der auch Mitglied im Exzellenzcluster ECONtribute ist. Im Zentrum steht der Stellenwert der Familie und welchen Wert Menschen einem stabilen sozialen Netzwerk zuschreiben. Welche Lebensbedingungen bevorzugen Menschen im Alter und wie viel wären sie bereit zu zahlen, um Krankheiten wie Krebs oder Alzheimer zu vermeiden? Die Ergebnisse könnten genutzt werden, um Prioritäten der Gesundheitspolitik und der Forschung anzupassen.
Ausführliche Informationen zu den Projekten sowie den Preisträgerinnen und -Preisträgern:
Sieben ERC Starting Grants für die Uni Bonn