Nürburgringeinweihung vor 95 Jahren / Die ereignisreiche Geschichte des Nürburgring-Erbauers

Der Remagener Rennfahrer Rudolf Caracciola gewann das Eröffnungsrennen im Juni 1927

Der Mythos Dr. Otto Creutz, das war der Mann, der in den 20er Jahren mit einigen Mitstreitern die Idee für den Bau einer Rennstrecke in der damals „gottverlassenen“ Eifel („Preussisch Sibirien“) hatte, lebt immer wieder auf. Dr. Otto Creutz wäre jetzt 132 Jahre alt, doch ein Freitod beendete sein Leben mit 62 Jahren.

Wer war dieser Mann, den die Eifel rund um den heutigen Nürburgring und den Motorsportlern in aller Welt viel zu verdanken haben und nach dem in Adenau sogar im Zentrum ein Platz benannt wurde?

Es wäre ein „normales“ Leben geworden, wenn nicht der Zufall, dass Dr. Creutz 1924 Landrat in Adenau wurde, eine entscheidende Rolle für die Region im damaligen Landkreis Adenau gespielt hätte.

Dr.Otto Creutz fuhr mit Journalisten zu einer Informationsfahrt über die noch nicht geteerte Rennstrecke.Am Steuer Hedwig Creutz

Die Idee einer Rennstrecke

Die Eifel war arm und wurde nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg von den Siegermächten besetzt. Es gab auch keine Chance, auf irgendeine Verbesserung der Situation. In Berlin war es die Weimarer Republik, die aufgrund der vielen kleinen Parteien (keine 5 %-Klausel) auch nicht so richtig handlungsfähig war. Hinzu kam der Unmut unter der Bevölkerung, weil auch noch Reparationen an die Siegermächte zu zahlen waren und Industriebetriebe demontiert wurden.

Es gab keine richtige Industrie und die Folge davon waren Millionen Arbeitslose. Letztendlich waren die Arbeitslosen für den Bau der Rennstrecke in der Eifel ein Vorteil.

Bäckermeister Franz Xaver Weber aus Adenau und Jagdpächter Hans Weidenbrück aus Köln – begeisterte Motorsportanhänger – konnten Landrat Dr. Otto Creutz in ihre Überlegungen, eine Rennstrecke bei Adenau zu bauen, mit einbeziehen.

Dr. Creutz hatte als Mitglied der Zentrumspartei gute Verbindungen zum Innenministerium in Berlin – denn von dort kam das Geld. Es musste viel Überzeugungsarbeit geleistet werden, um eine Rennstrecke im Bereich Adenau zu bauen. Er hatte aber auch bestimmte Vorstellungen. Die Rennstrecke musste kreuzungsfrei durch die Eifelwälder verlaufen, so Dr. Creutz „Ich lasse mir doch nicht das Vieh meiner Bauern kaputtfahren.“.

Das Projekt, das gebaut werden sollte, war gigantisch: Eine 30(!) km lange kreuzungsfreie Rennstrecke rund um die Nürburg mit einem Höhenunterschied von 300 m. Die Grundsteinlegung war am 27.9.1925. Es wurden veranschlagt waren 4 Millionen Reichsmark.

Vom Berliner Innenministerium kam die Forderung, Arbeitslose für den Bau einzusetzen. Das war ja auch der eigentliche Grund, eine Rennstrecke in der armen Eifel zu bauen. Letztendlich war es aber auch den guten Verbindungen von Dr. Creutz nach Berlin zu verdanken, dass die deutsche Rennstrecke nicht in die Lüneburger Heide oder anderswo hinkam.

Hedwig Creutz chauffierte bei der Einweihungsfahrt die Minister über die neuerbaute Rennstrecke. Nach ihr wurde ein Streckenabschnitt ‚Hedwigshöhe‘ oben an der Hohen Acht benannt

Bau in 2 Jahren

Der Bau und die Fertigstellung in etwa 2 (!) Jahren war beachtenswert – damals noch ohne große Baumaschinen.

Fast alles Handarbeit mit Einsatz von Feldloren. Der Streckenverlauf war grob vorgegeben, von Müllenbach bis Adenau und hoch hinauf zur Hohen Acht. Anfangs war Start und Ziel im Bereich Adenau / Breidscheid geplant – doch hier gab es problematische Grundstücksverhandlungen, so dass man in den Bereich der Ortschaft Nürburg auswich. Man orientierte sich an möglichen Steinbrüchen, um Steine und Schotter auf kurzen Wegen heranzuschaffen.

1.500 Arbeitskräfte und öfters auch mehr waren im Einsatz. Ingenieur Gustav Eichler aus Ravensburg überwachte die Baumaßnahme, manchmal begleitet von Dr. Creutz.

Immer wieder musste Dr. Creutz neues Geld in Berlin besorgen. Letztendlich waren es wohl 14.000.000 Reichsmark – kurz vor der endgültigen Fertigstellung, noch bevor die Teerdecke aufgebracht wurde, gab es eine Informationsfahrt für Journalisten. Am Steuer des „Leitfahrzeugs“ Hedwig Creutz und beim Gruppenbild finden wir Hedwig Creutz auch in der Mitte der Journalisten. Für Dr. Creutz blieb auf dem Bild am Rande nur eine sitzende Position übrig.

Gruppenfoto mit Journalisten, aufgenommen vor der Einweihung. In der Mitte links liegend Hedwig Creutz.Rechts sitzend Dr.Otto Creutz

Eröffnungsrennen 1927

Schon im Juni 1927 wurde der neue Nürburgring mit viel „Tam-Tam“ eröffnet. Alles war Rang und Namen hatte, kam zur Rennstrecke in der Eifel.

Es war ja auch eine große Sensation, dass in der armen Eifel eine gigantische Rennstrecke eröffnet wurde. Es wurden viele Reden gehalten und dann ging es im Konvoi über die Rennstrecke. Hedwig Creutz fuhr in ihrem Horch die Minister. Ihre schicken Schuhe wurden diskret beim Einstieg gegen „autofahrergerechte“ Schuhe ausgetauscht. Hedwig Creutz war die erste Frau, die die neu erbaute Rennstrecke befuhr. Wow!

Die Rennstrecke hatte lange Zeit keinen Namen. Erst im Rahmen eines Wettbewerbs wurde der Name „Nürburgring“ gefunden, benannt nach der Burgruine, die hoch über den Ort Nürburg die Eifellandschaft überragt.

Das Eröffnungsrennen wurde vom Remagener Rennfahrer Rudolf Caracciola auf einem Mercedes S (wegen der Größe des Autos und der weißen Lackierung auch „weißer Elefant“ genannt) gewonnen.

Es ging über die Nord- und Südschleife über 28,265 km; Durchschnittsgeschwindigkeit 96,5  km/h. Das Eifelrennen, so die offizielle Bezeichnung, war praktisch ein Test für den darauffolgenden Großen Preis von Deutschland, den Otto Merz, ebenfalls auf einem Mercedes S, gewann.

Dr.Otto Creutz (1889 – 1951) war Landrat im Kreis Adenau und verwirklichte die Idee, eine Rennstrecke rund um die Nürburg zu bauen.

Klaus Ridder

alle Fotos: Archiv Ridder