Monumentales im Arp Museum

Blick in die Ausstellungshalle. Foto: Peter Köster

Einzelausstellung der Berliner Bildhauerin Stella Hamberg

Remagen. Stella Hamberg ist eine Macherin. Mit ihren kraftvollen Bronzeskulpturen hat sich die Berliner Bildhauerin eine einzigartige Position in der Kunstszene erobert. Umso erstaunlicher ist es, dass sie bis heute immer noch als Geheimtipp gehandelt wird. Das dürfte sich jetzt aber spätestens mit der Ausstellung im Arp Museum Bahnhof-Rolandseck ändern. „Stella Hamberg.Corpus“ heißt die Schau, die bis zum 27. Februar gezeigt wird.
Es ist mit insgesamt 23 Arbeiten aus den Jahren 2007 bis 2021 die bisher umfassendste Museumsschau über die Bildhauerin. Für die Umsetzung dieser skulpturalen Präsentation, für die Hamberg eine Gesamtkonzeption entwickelte, wurden eigens die Einbauten der obersten Ausstellungsetage entfernt und die Oberlichter geöffnet. Ein lohnenswerter Eingriff, wie sich zeigt. Der Meier-Bau inszeniert sich neu und versetzt das Auge in Festvial-Stimmung. Die bronzenen Figuren erhalten in der lichtdurchfluteten Halle eine einzigartige Präsenz. Durch die starken Kontraste der vorwiegend dunklen Plastiken und den leuchtend weißen Wänden des Neubaus, wird unser Sehorgan nicht müde, neue Formen und Spuren des künstlerischen Schaffensprozesses zu entdecken.

Stella Hamberg, „Trance“. Foto: Peter Köster

Übermannshoch und tonnenschwer

Versammelt sind in der Ausstellung übermannshohe und tonnenschwere Großskulpturen sowie kleinformatige Werkgruppen. Die Oberflächen der Skulpturen sind genauso abwechslungsreich, wie ihre Themen: mal schwarz glänzend, mal stumpf und mit farbigen Patinierungen. Jüngere Werke überraschen hingegen mit glatt geschliffenem Alabastergips in strahlendem Weiß. „Die Ausstellung ist eine Inszenierung als Fest von Licht, Schatten und Kontur“, so die Kuratorin Jutta Mattern. „Mit großer handwerklicher Könnerschaft gelingen Stella Hamberg Monumentalwerke. Für sie haben künstlerische Technik und Praxis einen hohen Stellenwert.“ An die klassische Tradition anknüpfend, gießt Hamberg die meisten ihrer Plastiken in Bronze. Vorausgegangene Arbeitsprozesse, bei denen sie weiche Ausgangsmaterialien wie Ton oder Gips verwendet, bleiben aber in vielen der Arbeiten sichtbar. „Die spezifische Art der Oberflächenbearbeitung wird meist während der ersten Kompositionsideen entschieden“, verrät Stella Hamberg. „Es gibt vorab bestimmte Regeln. Jede Bildidee ist mit einer grundlegenden Idee der Oberfläche verbunden. Es ist also vorher klar, ob die Modellierung eher glatt oder eher gestisch sein soll und ob und wie viel Textur einfließen darf. Danach entscheidet sich, welches Ausgangsmaterial ich verwende. Die konkrete Oberfläche wie auch die Gestalt im Detail ergibt sich erst im Verlauf der Arbeit.“
Stella Hamberg geboren 1975, studierte Bildhauerei bei Prof. Martin Honert in Dresden. Zuvor absolvierte sie eine Ausbildung zur Steinbildhauerin. Seit ihrem Meisterschülerabschluss im Jahr 2005 lebt und arbeitet sie in Brandenburg und Berlin. 2006 erhielt sie das Karl-Schmidt-Rottluff-Stipendium. Ebenso gewann sie im Jahr 2018 den vom Verein der Berliner Künstlerinnen 1867 e.V. ausgelobten Marianne-Werefkin-Preis. Arbeiten von Stella Hamberg waren u.a. im Albertinum in Dresden zu sehen.

Die Bildhauerin und ihre „skulpturale Schöpfung“. Foto: Peter Köster

Raumgreifende und figurale Werke

Hamberg beeindruckt mit raumgreifenden, figuralen Skulpturen, die ein verstörendes Wechselspiel aus vertrauten Formen und unerwarteten Verformungen eingehen. Was auf den ersten Blick ein Ast zu sein scheint, kann sich bei näherem Hinsehen als menschlicher Arm erweisen. Auf der anderen Seite entfaltet eine mögliche Tierfigur beim Umschreiten eine unnatürliche Anzahl von Gliedmaßen. Die Besucherinnen und Besucher werden in der Eingangshalle direkt von einer kolossalen Figur begrüßt. Dem „Berserker“. Als Berserker wird – nach mittelalterlichen Quellen – ein im Rausch Kämpfender bezeichnet, der keine Wunden oder Schmerzen mehr wahrnimmt. Stella Hamberg interessierte sich für dieses Thema, weil Berserker für sie Legende und Wirklichkeit zugleich sind: „Es geht schließlich um den tobenden Wahnsinn, der in uns wacht. Um die Suche nach dem Ausnahmezustand und dem Willen, Grenzen zu sprengen. Der Begriff Berserker birgt sowohl das sinnlose wie funktionalisierbare Wüten, als auch die Fähigkeit, sich für etwas aufzugeben, für etwas zu kämpfen.“

Stella Hamberg, „Das ist das“ 2015, Foto: Peter Köster

Der Körper als zentrales Element

Der Körper ist zentrales Element in den Werken der Bildhauerin. Sie erzählen von Bewegungen, ihren eigenen und denen der Künstlerinnenhand, die sie zum Leben erweckte. Im Fokus steht das Ringen um die Darstellbarkeit der menschlichen Figur und ihren formalen wie existentiellen Fragestellungen. Mit ihren dreidimensionalen Kunstwerken knüpft Stella Hamberg an klassische Traditionen der Bildhauerei an. Siehe Rodin. Dabei entwickelt sie aber ihre eigene zeitgemäße künstlerische Handschrift im Zusammenspiel von Antike, Mittelalter und Moderne. Während die Körper der Skulpturen „Trance“, „Trance 2“ und „Trance 3“ mit ihren glatt und fein polierten Oberflächen eine gewisse Introvertiertheit und Perfektion ausstrahlen, begegnen wir anderen Figuren mit bewegten, wilden Oberflächen. Der auf dem Sockel im hinteren Außenbereich des Museumsneubaus zu bestaunende „Berserker II“ strotzt nicht nur aufgrund seiner Pose vor Kraft. Vielmehr wirkt er durch die sichtbaren Spuren des Entstehungsprozesses in Form von Furchen und Einbuchtungen fast schon monströs. In expressiver, kraftvoller Art und Weise präsentieren sich Figur und Schaffensprozess gleichermaßen. Der deutlich erkennbare Kraftaufwand der Künstlerin wirkt wie ein Verstärker der skulpturalen Ausdruckskraft.
In der Ausstellung werden unsere Augen nicht müde, bekannte und neue Formen in den Skulpturen Hambergs zu entdecken. Ihre kraftvollen Figuren appellieren an uns, den Fokus unserer Aufmerksamkeit vermehrt wieder auf den (eigenen) menschlichen Körper zu legen. Die absolut lohnenswerte Ausstellung lädt uns zu einer Wanderschaft in einem besonderen Ambiente ein.

Peter Köster