LVR-Landesmuseum Bonn zeigt „Roms fließende Grenzen“

Maske des Flussgottes Rhenus aus Bonn, 2. Jh. N. Chr. Foto: Peter Köster

Archäologische Landesausstellung NRW. „Leben am Limes“ – auf die „Germanen“ folgen die „Römer“
Auf die „Germanen“ folgen die Römer: Das Landesmuseum Bonn zeigt bis zum 29. Mai 2022 die archäologische Landesausstellung NRW „Roms fließende Grenzen“ – „Leben am Limes“. „Die Ausstellung hätte zu keinem besseren Zeitpunkt stattfinden können“, freut sich Dr. Torsten Valk, Direktor des Landesmuseums Bonn. „Erst vor wenigen Wochen hat das UNESCO-Welterbekomitee den Niedergermanischen Limes mit seinen Fundplätzen in Nordrhein-Westfalen, den Niederlanden und Rheinland in die Liste der Weltkulturerbestätten aufgenommen.“ Neben Bonn zählen Detmold, Xanten, Haltern am See und Köln zu weiteren Standorten, in denen die neuesten Forschungsergebnisse über die römische Geschichte vorgestellt werden.

Rheinland ein Schmelztiegel

In römischer Zeit war das Rheinland ein Schmelztiegel: aus allen Regionen des Römischen Reiches, aber auch aus der benachbarten „Germania magna“ kamen Menschen an den Rhein und wurden hier heimisch. Sie bildeten gemeinsam eine lebendige Gesellschaft. Inschriften, Grabmale und Weihedenkmäler erzählen die Geschichten der Menschen, die einst hier lebten. Manchmal nennen sie ihre Namen oder zeigen ihre Bildnisse. Sie stellen die Personen so vor, wie sie im Leben waren. Ob Männer oder Frauen, Erwachsene oder Kinder, Soldaten oder Zivilisten, Freie oder Unfreie: Geschlecht, Alter, Herkunft und soziale Stellung zeigen sich in den Inschriften und Porträts, aber auch in der Kleidung, dem Schmuck oder anderen Besitztümern.

Der Grabstein des römischen Hauptmanns Marcus Caelius, nach 9 n. Chr., LVR-LandesMuseum Bonn. Foto: Peter Köster

Maske des Flussgottes Rhenus

Die Bonner Ausstellung hat einige Highlights zu bieten, wie die Maske des Flussgottes Rhenus aus Bonn aus dem 2. Jahrhundert nach Christus. Ferner einen römischen Klappstuhl. „Bei Grabungen stießen Archäologen in Erkelenz auf einen Klumpen aus korrodiertem Metall. Dieses zunächst undefinierbare Ding entpuppte sich nach genauerer Untersuchung als Sensation. Bei dem Metallklumpen handelte es sich um die Fragmente eines Klappsessels aus dem ersten Jahrhundert nach Christus“, sagt Susanne Willer, die gemeinsam mit Tünde Kaszab-Olschewski die Ausstellung kuratiert hat. Ein Schmied baute das antike Mobiliar aufgrund weiterer entdeckter Fragmente nach.

Legionsstandort Bonn

Die Ansiedlung der Menschen geschah insbesondere in der Nähe der Legionen, die an vielen Orten und Grenzregionen des Reiches wie in Bonn, Neuss und Xanten stationiert. Was zog sie hierher? Wie wohnten, arbeiteten, wirtschafteten sie? Wie waren sie zu Land und zu Wasser auch über den Rhein hinweg miteinander verbunden? Der besondere Fokus ist auf den Legionsstandort Bonn gerichtet, der mit einer Nutzung vom ersten bis weit ins fünfte Jahrhundert hinein eine außergewöhnliche Kontinuität fast über die gesamte Zeit römischer Präsenz am Rhein aufweist. Das Römerlager Bonn war der mit Abstand am längsten genutzte römische Stützpunkt des Niedergermanischen Limes. Zahlreiche Funde wie Grabmonumente, Wandmalereien und Alltagsgegenstände berichten vom Leben der Menschen, die im „locus Bonna“ ihre Heimat fanden. Wer lebte im römischen Bonn? „Vermutlich waren es im 2. Jahrhundert bis zu 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner allein im vicus“, schätzt Susanne Willer. Dazu kamen die Soldaten des Legionslagers mit rund 6.000 Mann und ihren Familien sowie Menschen aus Handwerk, Handel und Gewerbe – also mindestens noch einmal so viele in den „canabae legionis. Die Römer errichteten das Bonner Legionslager im ersten Jahrhundert im heutigen Bonn-Castell.

Exponate aus der LVR Sammlung. Foto: Peter Köster

Umfassendes Fundspektrum

Als Zentralarchiv der archäologischen Bodenfunde im Rheinland verwahrt das LVR-LandesMuseum Bonn einen Großteil der Sachkultur aus den Militärstandorten und zivilen Siedlungen am Rhein und im Hinterland. Das umfassende Fundspektrum des Landesmuseums, einige Exponate werden erstmalig gezeigt, zeugt von einer bunten, multikulturell geprägten und überregional vernetzten Welt an der Grenze des Imperium Romanum. Das Bonner Haus dokumentiert überzeugend, wie bedeutend dieser römische Limes war. „Er stellte keine Grenze im engeren Sinn dar, sondern durch seine Durchlässigkeit und Lage an der Lebensader Rhein definierte er einen faszinierenden kulturellen Raum, der vom Austausch, Produktion und Handel und natürlich den großen Militärlagern und angrenzenden Städten geprägt war“, erzählt Tünde Kaszab-Olschewski.

Römisches Imperium

Das römische Imperium wäre ohne die Mobilität seiner Bewohnerinnen und Bewohner undenkbar gewesen. „Die Menschen, die sich aus beruflichen oder aus privaten Gründen auf den Weg machten, zeigten Reisebereitschaft, Neugier und Risikofreude“, sagt Susanne Willer. „Auf einem gut ausgebauten Straßennetz von etwa 100 000 km Länge gelangten sie überall hin. Die Straßen verliefen oft schnurgerade durch die Landschaft. Hindernisse beseitigten die Ingenieure, indem sie Berge untertunnelten und Brücken über Flüsse spannten.“ So vielfältig wie die Menschen im Rheinland waren auch ihre religiösen Vorstellungen. Ob sie sich Gesundheit, beruflichen Erfolg, eine gute Ernte oder eine sichere Rückkehr von einer Reise erhofften, für alles gab es eine spezielle Gottheit. Die Menschen beteten zu ihren Göttinnen und Göttern und brachten ihnen Opfer dar. Sie suchten die städtischen und ländlichen Heiligtümer auf und füllten sie mit allen Arten von Weihegeschenken.

Wein-Amphoren aus Ton. 2. Jahrhundert. Foto: Peter Köster

Der Rhein als fließende Grenze

Für mehr als 400 Jahre war der Rhein die fließende Grenze zwischen dem
Römischen Reich und dem rechtsrheinischen „Barbaricum“. Als die fränkischen Könige in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts als neue
Macht aufstiegen, war das Ende der Grenze besiegelt. Die Kulturen beiderseits
des Flusses waren zu diesem Zeitpunkt jedoch schon längst miteinander
verschmolzen. Seine Funktion als Verkehrsweg und als europäische Lebensader für den Austausch von Waren, Gütern und Ideen hat der Rhein behalten – bis heute.

Peter Köster