Kunstmuseum Bonn zeigt aktuelle Konzepte der Fotografie

„Hunter and Dog“, 2020 Polyurethan, Pigmente, Aluminiumgestell Courtesy der Künstler und Tanya Leighton. © Oliver Laric. Foto: Peter Köster

Das Kunstmuseum Bonn denkt Fotografie neu und setzt damit nicht zuletzt ein Zeichen in puncto künstlicher Intelligenz (KI). Welche neuen Bildwelten fördert der digitale Wandel hervor, und wie wirken sich aktuelle technologische Entwicklungen auf die künstlerische Fotografie aus?  Die Ausstellung „Expect the Unexpected“ (bis zum 30. April) versucht darauf eine Antwort zu geben.

Die analoge Fotografie ist seit längerem Geschichte. Heute zählt das Digitale. Wir leben in einem Zeitalter, indem die künstliche Intelligenz (KI) immer mehr unseren Alltag bestimmt. Wie stark vor allem die Kunst KI-beeinflusst ist, zeigt die Ausstellung „Expect the Unexpected“. (Erwarte das Unerwartete). Neben den gewohnten fotografischen Werkzeugen arbeiten die Künstlerinnen und Künstler diese Projekts mit neuen, fotografiebasierten Tools wie Photogrammetrie, 3-D-Scanning, 3-D-Druck, Augmented Reality, Computer Generated Imagery (CGI) und Machine Learning. Begriffe, an die man sich erste einmal gewöhnen muss. Was aber versteht man unter sogenannten fotografiebasierten Tools? Ein Glossar soll Hilfestellung leisten.

 Photogrammetrie

Beginnen wir mit der Photogrammetrie? Dies ist ein Verfahren zur Erstellung maßstabsgetreuer digitaler dreidimensionaler Modelle auf der Basis von zweidimensionalen Fotos oder anderer Messdaten (Laserscans, Radar). Dabei werden zahlreiche aus unterschiedlichen Winkeln und Aufnahmepositionen erstellte Fotos bzw. Messdaten eines Motivs / Objekts mit Hilfe eines Computerprogramms digital zu einem 3-dimensionalen Objekt zusammengerechnet.

3-D-Scanning, 3-D-Druck

3-D-Scanning, 3-D-Druck. Bei 3D-Druck-Verfahren werden auf Basis von Computerdaten reale dreidimensionale Objekte Schicht für Schicht aufgebaut (additives Verfahren). Hierzu werden 3D-Drucker unterschiedlicher Bauart verwendet, die u. a. Kunststoffe, Metall, Beton, Harz verarbeiten können. 3D-Druck-Verfahren werden in jüngster Zeit auch zur computergesteuerten Erzeugung von künstlerischen Arbeiten, z. B. Skulpturen, eingesetzt.

„Watson’s Ghost“, 2021 Zwei 3D-gedruckte Porträts, holografisches Video präsentiert auf Looking Glass Technology © Heather Dewey-Hagborg.
Foto: Peter Köster

Augmented Reality

Als Augmented Reality (AR) wird die Erfahrung einer Umgebung bezeichnet, bei der die reale Welt durch computergenerierte Inhalte erweitert wird. Dies kann z. B. mit Hilfe von AR-Brillen, Smartphones oder Tablets geschehen, wobei die Betrachterinnen und Betrachter diese Inhalte als Teil der realen Umgebung wahrnehmen können.

Computer Generated Imagery (CGI)

Als CGI werden vollständig computergenerierte Bilder oder Bildteile bezeichnet, hierbei kommt oft 3D-4D-Software zum Einsatz. Ein mit CGI erstelltes Bild kann eine existierende Realität naturgetreu nachahmen oder auch rein fiktive Welten erschaffen. In beiden Fällen kann ein CGI fotorealistisch ausgeführt werden und das Endprodukt von einer klassischen Fotografie nicht zu unterscheiden sein, man spricht auch von synthetischer Fotografie bzw. synthetischen Medien.

Spiros Hadjidjanos, Hainbuche, 2015, Alumide 3D Print, Aluminium Coating, 108,5 x 80 x 15 cm. Foto: Peter Köster

Maschine Learning (ML)

Machine Learning ist eine KI-basierte digitale Technologie und wird u. a. zur digitalen Bilderzeugung eingesetzt, wobei Algorithmen auf der Basis von bestimmten Eingabedaten (Trainingsdaten, Datasets, Trainingssets) automatisiert Muster erkennen und diese anwenden können.

Entdecker der DAN

In der Ausstellung werden Techniken vorgestellt, mit denen sich die teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler beschäftigen. In „Watson’s Ghost“ nutzt beispielsweise Heather Dewey-Hagborg das veröffentliche Erbgut des Entdeckers der DNA, James Watson. Indem „Watson’s Ghost“ unterschiedliche Interpretationen des Aussehens von Watson allein auf der Grundlage der DNA aufzeigt, werden die Komplexität des Lebens und die noch weithin unerforschten Verflechtungen von Genetik, Umwelt, Erscheinungsbild und Zufall sichtbar.

Spiros Hadjidjanos, TaraxacumOfficinale, 2016-2017, Alumide 3D Print,
82 x 40 x 20 cm, Foto: Peter Köster

Gesichtserkennung

Für die Künstlernnen und Künstler spielt sowohl die Erforschung der erweiterten Fotografie selbst und ihrer exponentiell gesteigerten Möglichkeiten eine Rolle als auch die Frage nach der Einbettung der digitalen, vernetzten Fotografie in gesellschaftlich-politische, globale Zusammenhänge und ihre Auswirkung auf unser alltägliches Leben. Die Interaktion von Mensch und Maschine rückt in den Mittelpunkt: Wer hat die Kontrolle, wer ist Autorin, Autor, Künstlerin, Künstler oder Computerprogramm? Wer kann für sich die Deutungshoheit über die neuen digitalen Bildwelten in Anspruch nehmen: menschliche Augen oder Bilderkennungsalgorithmen? Passen unsere Ansprüche an Fotografie noch mit der Realität einer global vernetzten, fotografisch dominierten Lebenswirklichkeit zusammen, in der beispielsweise Gesichtserkennung mittlerweile zum Alltag gehört?

Dies alles sind Fragen, die in der Ausstellung verhandelt und zur Diskussion gestellt werden. Die Fotografie wird dabei als öffentliches Verzeichnis (Matrix) für die aktuellen Arbeitsweisen mit digitalen bildgebenden Verfahren verstanden und in den gezeigten Arbeiten herausgefordert und überprüft.

Zugegeben: Für Jemanden, der noch die analoge Fotografie kennen und schätzen gelernt hat, ist diese Ausstellung keine leichte Kost. Dennoch lohnt sich dieser fotografische Ausflug in die digitale Bildherstellung. Peter Köster