Kein Wort zum Sonntag: Die Energiewende wird zum größten Armutsrisiko in Deutschland

Dr. Waldemar Ritter

Waldemar Ritter, Bonn 11. Januar 2013

Die Energiewende ist richtig, weil sie wahr ist. Oder sind wir Deutschen noch zu retten?  Ist uns der Verstand abhanden gekommen? Fehlt uns die Kraft, auf der Argumente am Wetzstein radikalen Widerspruchs scharf geschliffen werden? Kann es sein, dass viele Beifall finden, die Energie und  Kultur nur aus dem Joghurtbecher kennen.

Oder sind alle um uns herum Idioten, die den überstürzten, zu frühen Ausstieg aus dem Ausstieg vom Ausstieg aus der Atomenergie für verantwortungsloses Hasardspiel halten.  Ist unseren Nachbarn, den Holländern, den Polen, den Schweizern, den Litauern, den russischen Königsbergern oder den Türken noch zu helfen, die jetzt erstmals neue Atomkraftwerke bauen? Ist allen anderen in Europa noch zu helfen, die nicht im Traum daran denken auch nur eins  ihrer 145 Atomkraftwerke ab zu schalten. Oder sind sie es, die uns vor schlimmen bewahren, die uns helfen, wenn diese Energiewende am Ende  ist ?

Wir  werden bis 2052, allenfalls die Hälfte aller Energie mit Wind, Wasser und der klimaschädlichen Solarenergie erzeugen. Das ist tragisch, aber die Wahrheit, die verschwiegen wird.

Die gescheiterte Planwirtschaft hat uns wieder. Diesmal sogar ohne Plan. Vor acht Jahren habe ich geschrieben, dass ein konkretes Gesamtkonzept überfällig ist, wenn wir energiepolitisch nicht scheitern wollen. Spätestens mit der Energiewende konnten die Bürger verlangen, dass die, die das beschlossen haben, wissen,wie die Umsetzung, der Weg, die Risiken und die Folgen ihres Handelns  aussehen. Verantwortungsethik nennt man das. Bis heute nur Fehlanzeigen!  Aus der Energiewende wird die Energiekrise. Erbärmliches Chaos mit immer schöneren Absichtserklärungen, die bis zur Bundestagswahl verhindern sollen die Politik aller Parteien am Gemeinwohl, und an ihren eigenen Maststäben für die Zukunft zu messen. In der deutschen Diskussion geht es ja oft nicht um Leben und Tod, es geht um mehr als das.

Siebzehn staatliche Energiewenden sind siebzehn Wenden zu viel

Bislang haben wir 17 staatliche Energiewenden in Deutschland. 16 Bundesländer und der Bund je eine. Die Bundeskanzlerin und alle Ministerpräsidenten haben bei ihrem Novembertreffen wohlfeile Absichten geäußert , aber nicht einen einzigen Beschluss gefasst, wo es doch „nur“ um den Bau der Leitungsnetze, um den Kraftwerkspark, um Versorgungssicherheit, um die notwendigen Energiereserven und um  „verträgliche Preise“ geht. Also auch um nie dagewesene Eingriffe in unsere Natur und Kulturlandschaften, durch riesige Stromtrassen mit 210 Grad heißen Kabeln  tausende Kilometer kreuz und quer durch Deutschland. Es geht um Millionen Vögel, die jährlich von bis zu 200 Meter hohen Windkrafträdern geschreddert werden. Um  CO2 durch Kohlekraftwerke , die nach Ansicht der Energiewendler doch schon in der Mitte diesen Jahrhunderts zur  unumkehrbaren Klimakatastrophe, zur Apokalypse der ganzen Welt führen sollten. Um den Blak out, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint und die Franzosen und Tschechen in einem harten Winter ihren Atomstrom für die eigene Heizung brauchen. Bereits ein einstündiger Stromausfall an einem Werktag im Winter kann nicht nur wirtschaftlichen Schaden von über  einer Milliarde Euro verursachen, sondern katastrophale Auswirkungen auf die Menschen haben.

Die soziale Tragfähigkeit und die Wirtschaftlichkeit sind akut gefährdet

Es geht ebenso um mögliche Stromrationierung, wie im Krieg. Und es geht um staatlich herbei geführte Umlagepreise 70 Prozent über dem am Markt erzielbaren Niveau. Um Milliarden Risiken der großen Windparks in der Nord- und Ostsee, für die nicht die Konzerne , sondern die Verbraucher haften sollen. Um die Entschädigung der Industrie , wenn sie Stromausfälle durch Nichtstun verhindert. Und um Investitionen, die teurer unökologischer und unwirtschaftlicher sind als das, was dabei herauskommt.Es geht um die Verselbständigung einer falschen Ökologie. Können wir so was wirklich wollen? Die soziale Tragfähigkeit und die  Wirtschaftlichkeit sind bereits jetzt akut gefährdet. Die Kosten explodieren. Und Neujahr werden die Strompreise weiter um 13 Prozent erhöht.Schon jetzt lässt sich absehen, das nach den 100 Milliarden Euro, die das schon gekostet hat,  bis  2020 mindestens  350 Milliarden Euro Investitionen erforderlich sind. Das sind über 200 Milliarden mehr als bei  der Entscheidung zur Energiewende erklärt wurde. Das sind 47 Milliarden mehr als unser gesamte Bundeshaushalt 2013, in dem auch noch 17 Milliarden Neuverschuldung enthalten sind. Im Vergleich dazu sind die Milliardenverluste bei Stuttgart 21 und dem Berliner Flughafen nur  kolaterale Provinzpossen, aber typische  Randerscheinungen mangelnder Kompetenz, Verantwortung und Glaubwürdigkeit.

Die Zeitbomben ticken in den Sozialsystemen, in der Staatsschulden- und der Eurokrise,  in der Demographie, bei den griechischen Verhältnissen der meisten deutschen Kommunen, die ihre Schulden nur noch mit neuen Schulden bezahlen.  Und das alles nun drauf gesattelt  mit dieser nicht durch dachten, unüberlegten Energiewendekrise. Das wird noch schlimmer und dauern. Das letzte Kamel der Karawane ist so schnell wie das erste.

Die Energiewende belastet die armen Haushalte sechs mal so hoch als Wohlhabende

Deutschland wird langfristig nicht nur wirtschaftlich zum größten Verlierer in der Welt – kein anderes Land wird so stark Marktanteile  verlieren  wie der einstige Exportweltmeister. Die Energiewende ist schon jetzt das größte nachhaltige Armutsrisiko in Deutschland. Kein  Gutbürger außer sich, kein Aufschrei in unserem Land als im letzten Winter 660 tausend Haushalten der Strom abgeschaltet wurde, weil sie diese Preise nicht mehr zahlen konnten. Kein Aufschrei  in unserem Land darüber , dass beispielsweise die  Mieter aus dem armen Ruhrgebiet und NRW  die klimaschädlichen  Solaranlagen  der reichen Immobilienbesitzer auf bayrischen Dächern  mit über 2 Milliarden fast ganz allein bezahlen müssen. Oder wenn nach Steuern, kalter Progression und Sozialabgaben die staatlich verordneten Energieumlagenpreise so steigen , dass zum eigentlichen Leben der einfachen Leute noch mehr Einschränkung in Erwerbsarmut dazu kommt.Diese Energiewende  belastet die armen Haushalte sechs mal so hoch  als Wohlhabende. Konkret: Die Belastung durch die Umverteilung  für die sogenannten erneuerbaren Energien liegt 2013  beim unteren Zehntel der Bevölkerung sechsmal höher wie bei den reichsten zehn Prozent. Was hilft es dem Zeitarbeiter,  der Hilfskrankenschwester, der Kindergärtnerin, oder gar dem Niedriglöhner , wenn man ihnen 2 Euro mehr Stundenlohn gibt und dafür drei Euro nimmt! Sollen sie beim Staat betteln gehen, wenn der Nettolohn nicht reicht für die Energiewendepreise bei Strom, Heizung und Miete? Für Brot oder Nahverkehr?

Soll die soziale Kluft noch weiter wachsen? Erstmal hat die Armutsgefährdungsquote im vergangenem Jahr die 15-Prozentmarke übersprungen. Ein absolutes Rekordhoch! Und das ist nicht das Ende der Fahnenstange. 18 Milliarden Euro mehr für Strom  und darauf, neben den bisherigen 40 Prozent Steuern werden 3,4 Milliarden Euro , also 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig. Es wird Zeit dem erneuerbaren Staatskapitalismus und seinen grün lackierten Profiteuren in den Rachen zu schauen. Nur die Natur weigert sich seit 16 Jahren standhaft  nur eine der zahllosen Prognosen einzulösen, auf denen diese Energiewende beruht.

Die Regierung hat nicht einmal einen Masterplan, kein Energieministerium und keine Energieeffizienz

Die Energiewendelpolitik der Regierung hat nicht einmal einen Masterplan bis 2020, kein Energieministerium  und keine Energieeffizienz. Da gehen die letzten Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz. Und stell dir vor, wir müssen ein Atomkraftwiedereinspeisungsgesetz für weitere 10 oder20 Jahre beschließen, weil die Etiketten auf falschen Flaschen kleben. Die ersten Atomausstiegsgegner bekommen bereits kalte Füße.Und es würde mich sehr wundern, wenn der Atomausstieg mindestens nicht gestreckt und dass das Ganze nicht innerhalb der nächsten sieben Jahre  wieder rückgängig gemacht würde. Wir selbst sind ja das größte Hindernis einer nachhaltig richtigen  Ökologie. Nur auf Politik zu zeigen und zu sagen sie allein sei Schuld. Das sind wir schon selber. Nicht nur der Staat, auch wir leben  ökologisch und ökonomisch über unsere Verhältnisse. Eine Ölologie,eine Wirtschaftsweise , die die Ressourcen um 150 Prozent überzieht, die CO2 freie Atomkraftwerke abschaltet und jedes Jahr neue Rekorde im Energie – und Materialverbrauch  präsentiert, ist  unökonomisch geworden.Sie verbraucht ihre eigenen Voraussetzungen. Wenn Energie , die Klimaemissionen  und die Ressourcen der Erde das Hauptproblem sind, müssen wir unsere Lebensweise unseren Verbrauch  und damit in einigen Bereichen unseren Lebensstandard ändern. Da hilft es nicht auf die großen Umweltverschmutzer in Aisien hin zu weisen.  Wir kaufen dort das, und verbrauchen bei uns was  Umwelt und Atmosphäre vergiftet. Meine eigene, naturschöne Enkelin hat nicht nur einen Schminktisch wie eine Filmdiva aus den 70ziger Jahren, sie verbraucht auch fünf mal soviel als eine Chinesin.

Wir müssen unsere Lebensweise ändern

Wir leben im totalitären Überkonsum

Wir leben, was wir gar nicht brauchen

Wenn die reichen Länder, wenn die eine Milliarde Menschen , die nicht nur im Wohlstand, sondern im totalitären Überkonsum leben, ihre Lebensweise ändern wäre  fast alles gut. Das wäre eine Energiewende, die diesen Namen verdient. Eine Wende , die nichts kostet, sehr viel spart, sogar viel Geld und uns alle reicher macht.

Fast täglich wird uns  von einäugigen Wissenschaftlern und Journalisten, im Fernsehen und anderen Medien mitgeteilt, dass das arktische Eis schneller schmilzt als prognostiziert und das die globale Erwärmung schneller voran schreitet als gedacht. Aber: Es gibt sehr wenige in unserem Land, wie Harald Welzer , dem Direktor der Stiftung Futur zwei, die alternative Lebensstile und Wirtschaftsformen erforscht und fördert, der, wie ich selbst in  all den Meldungen nach der Mitteilung sucht, dass dies alles infolge ihrer  und unser aller  Lebensweise geschieht, dass wir heute doppelt soviel Kleider kaufen als vor zehn Jahren. Dass die Autos  mittlerweile so groß sind, dass sie nicht mehr in die Tiefgarage passen, dass Elektrogeräte viel zu schnell kaputt gehen, aber Hersteller und Kunden es offenbar nicht anders wollen, dass fast die Hälfte aller Nahrungsmittel Westeuropas entsorgt , das heißt im Müll landet und dass in unserem Land zehn Millionen   Flachbildfernseher im Jahr gekauft werden. Wissen wir eigentlich oder machen wir uns klar, dass bei der Produktion der Fernseher und bei der Rekordproduktion der Solarzellen für unsere Dächer  ein monströser Klimakiller , das Treibhausgas Stickstofftrifluorid freisetzt, das 17200 Mal  schädlicher ist als Kohlendioxid. Und diese NF3 Konzentration in der Atmosphäre steigt um weitere 11 Prozent im Jahr. Und das wird mit 45 Prozent der  Mittel, die für alle erneuerbaren Energien bereitgestellten Summe, finanziert. All diese Beispiele zeigen, dass weder Politik noch veröffentlichte Meinung und leider auch unsere Gesellschaft in Deutschland nie  einen Zusammenhang hergestellt hat „zwischen den beunruhigenden Nachrichten von der Umwelt und Klimafront und dem absurden Überkonsum, der dafür verantwortlich ist.“

Die Besorgnisindustrie  unterscheidet sich nicht…

Das betrifft nicht nur die traditionelle, sondern eher noch stärker die akzelerierende Besorgnisundustrie mit riesigen Organisationen und Institutionen, ideologischen, medialen Zulieferern, Karrieremustern und inflationären Wachstumsraten.

Wer weiß, wie viel Energie ein  Flugzeug verbraucht und wie viel unsägliche Schadstoffe es produziert , wer weiß, dass auf der ersten Klimakonferenz in Berlin 757 Delegierte um ein verbindliches Klimaabkommen stritten, während es 2012 in Doha 17000, plus 7000 Vertreter von Nichtregierungsorganisationen plus 1500 Journalisten waren, der sieht : „Die Botschaft, die sie verkünden kommt bei ihnen selbst nicht an.“ Business as usual. Und nicht einmal eine Diskussion darüber, was Dennis Meadow  ihnen auf einer Veranstaltung der Volkswagenstiftung aus Anlass  des 40. Jahrestages  der Studie über die „Grenzen des Wachstums“ zu sagen hatte: Heute kann es nur darum gehen, Gesellschaften widerstandsfähig für das zu machen, was mit Sicherheit auf sie zukommt: Rohstoffmangel, Extremwetterereignisse, Wohlstandverluste, Stress aller Art.

Nichts kann so weiter gehen als bisher

Realismus ist gefragt.  Oder wie Welzer schreibt „wenigstens ein Gefühl  für das Wirkliche, würde ja anerkennen müssen, dass wenigstens in den reichen Ländern, nichts so weiter gehen kann als bisher.Das Kulturmodell , dass darin besteht, von allem immer mehr zu haben, muss nämlich in einem transformiert werden, das von allem immer weniger braucht. Weniger Wohlstand , weniger Konsum, weniger Mobilität, dafür aber auch : (länger) weniger Arbeit, weniger Konsumstress, weniger Ruhelosigkeit. Das gelingt praktisch in der Einübung eines anderen Lebensstils, nicht durch die Appelle der Besorgnisindustrie. Nicht, indem diejenigen, die Teil des Falschen sind , anderen mitteilen, was jetzt zu tun wäre, selbst aber so weiter machen wie bisher.“

Es gibt richtige Antworten

Jorgen Randers, der vor 40 Jahren am Bericht des Club of Rome mitwirkte  wurde neulich die Frage gestellt, ob nur noch Katastrophen helfen. Er gab ganz einfache , richtige Antworten: Kaufen Sie alle zehn Jahre ein Auto, das 30 Prozent weniger Benzin verbraucht. Fahren Sie jede Dekade ihren Energieverbrauch zu Hause um ein Drittel runter: neue Fenster, bessere Heizung, all diese einfachen Sachen.  (Warum keine Abwrackprämie für über zehn Jahre alte Haushaltsgeräte)  Und fliegen Sie weniger. Hören Sie auf in Deutschland  italienisches oder französisches  Mineralwasser zu trinken. Trinken Sie Bier von der örtlichen Brauerei und unser wunderbar reines Leitungswasser. Das ist die simpelste Antwort. Und es gibt absolut keine Entschuldigung dafür es nicht zu tun.

Ein solches Energieverhalten, nimmt den Armen nicht  noch mehr weg. Auch wenn  die Politik wieder einige Trostschnäpse verteilen wird. Es wäre ein Wandel zur Ökologie des Menschen und unserer Mutter Erde, einem Denken  jenseits von Kaufhauswahrheiten, das uns  vor Schlimmen bewahren, alle kulturell reicher machen kann. Was ich 1995 bei den Ettersburgern Gesprächen in Weimar gesagt habe, möchte ich heute nachdrücklich wiederholen: „Können wir auch mit Hilfe von Kultur die Schlüssel zum Paradies  nicht erwerben, so doch die Barrieren, die das Abgleiten zur Hölle behindern, verstärken.“

Wir können über einiges streiten. Aber sicher ist: Seit über einem Jahrhundert werden das Münchner Oktoberfest und Pützchens Markt in Bonn besser gemanagt als diese Energiewende. Am Schluss oder schon bei der nächsten Katastrophe  werden Politik, Fernsehen und andere unkritische Medien, wieder sagen, dass es keine Alternative gegeben hat und dies ja niemand vorhersehen konnte.

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