„Italiensehnsucht!“ im Museum August Macke Haus Auf den Spuren deutschsprachiger Künstlerinnen und Künstler 1905-1933

Kuratorin Martina Padberg (links) und Museumsdirektorin Clara Drenker Nagels vor Theo van Brockhusens Gemälde „Blick von der Villa Romana auf die Silhouette der Stadt Florenz, 1913. Foto: Peter Köster

Das Pech des Einen, ist das Glück des Anderen… Während das Würzburger Museum im Kulturspeicher und die Kunstsammlungen Zwickau – Max Pechstein Museum, die gemeinsam mit dem Museum August Macke Haus konzipierte Ausstellung „Italiensehnsucht! Auf den Spuren deutschsprachiger Künstlerinnen und Künstler 1905-1933“ coronabedingt nur virtuell zeigen konnten, ist dies an der dritten Station in Bonn.

Groß sind das Fernweh und die Sehnsucht – nach Sommer, Sonne, Italien oder dem Dolce Vita. Die bis zum 19. September gezeigte Ausstellung nimmt das Publikum mit auf die Reise in „das Land, wo die Zitronen blüh’n“. Man entdeckt nicht nur die Orte Italiens – die Fischerorte an der ligurischen Küste oder am Golf von Salerno, die großen Städte wie Florenz, Venedig und Rom – sondern auch ganz viele verschiedene künstlerische Temperamente und die Art, wie sie Italien für sich wahrgenommen haben. Die von Martina Padberg kuratierte Ausstellung (übrigens ihre finale Ausstellung in Bonn, da sie als neue Museumsdirektorin nach Ahlen wechselt), vereint annähernd 100 Gemälde, Fotografien, Papierarbeiten und Skulpturen von Künstlerinnen und Künstlern zwischen 1905 und 1933. Dazu zählen u.a. Käthe Kollwsitz, Ernst Barlach, Adolf Erbslöh, Erich Heckel, Carlo Mense, Gabriele Münter, Walter Ophey, Max Pechstein, Hans Purrmann, Anita Rée und Karl Schmidt-Rottluff.

Villa Romana in Florenz und Villa Massimo in Rom
Mit Italien verbinden sich seit Goethes berühmter Reises(1786–88) südliche Sehnsuchtsbilder, die viele Künstlergenerationen magisch anzogen. Es galt, antike Schätze, geschichtsträchtige Städte und eine sonnendurchflutete Mittelmeerlandschaft zu erkunden. Vielfältig waren die kulturellen Anregungen, überwältigend das südliche Lebensgefühl. Unzählige Kunstwerke in den Kirchen, Palazzi und Museen lockten in das Land jenseits der Alpen: In Florenz ließ sich die Kunst der Renaissance studieren, die Zauberstadt Venedig faszinierte durch seine Lage in der Lagune und Rom beeindruckte als macht- und prachtvolles Zentrum der katholischen Weltkirche. Die Mittelmeerlandschaft, das glitzernde Wasser, das gleißende Licht, die exotische Vegetation faszinierten gleichermaßen. Neben Paris, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts zur maßgeblichen Inspirationsquelle für die junge Künstlergeneration avancierte, blieb Italien begehrtes Reiseziel, etwa für August Macke und Max Pechstein. Künstler wie Ernst Barlach oder Karl Schmidt-Rottluff kamen als Stipendiaten an die deutschen Künstlerhäuser, die Villa Romana in Florenz und die Villa Massimo in Rom, und konnten das Land auf diese Weise für sich und ihr Schaffen entdecken.

Ernst Barlach. Ruhender Däubler, 1910/11. Foto: Peter Köster

Künstlerpaare genossen „la dolce vita“

Das Sehnsuchtsland Italien war auch für Paare und Freunde touristisches Ziel und ermöglichte gleichzeitig die gemeinsame künstlerische Auseinandersetzung mit Städten und Orten, Landschaften und Einheimischen. So genossen Gabriele Münter und Wassily Kandinsky 1905/06 „la dolce vita“ und verbrachten arbeitsreiche Monate in Rapallo an der ligurischen Küste. Weitere Künstlerpaare, wie Gertrud Alber-Eberz und Josef Eberz oder Maria Caspar-Filser und Karl Caspar entdeckten gemeinsam die italienische Landschaft rund um Florenz, an der Amalfi-Küste oder in Umbrien. In Positano entstand in den frühen 20er Jahren eine quirlige Künstlerkolonie, in der sich u.a. ein Carlo Mense niederließ. Adolf Erbslöh malte dort heroisch-pathetische Landschaften, vergleichbar mit den monumentalen Kompositionen seines Freundes Alexander Kanoldt.

Sehnsuchtsland der Farbe und des Lichts

Italien wurde vielen Malerinnen- und Malern zum Sehnsuchtsland der Farbe und des Lichts. Die Amalfiküste rund um Positano und Sorrent, die Inseln Capri, Ischia und Sizilien entwickelten sich zu beliebten Treffpunkten deutschsprachiger Künstlerinnen und Künstler. Besonders die spektakuläre Lage des hoch aufragenden Positanos und dessen kulissenartiger, von kubischer Architektur geprägter Charakter inspirierte in den 1920er-Jahren Künstler wie Anita Rée oder Richard Seewald zu neuartigen Kompositionen. Hier malte Adolf Erbslöh seine ausdrucksstarken, mit dem Pinsel gebauten Ansichten der mediterranen Steilküste, hier schuf Otto Morach Landschaftsgemälde, die von einer geheimnisumwitterten Leblosigkeit geprägt sind. Carlo Mense erreichte in Positano mit einer altmeisterlichen Maltechnik einen modernen Klassizismus mit surrealen Zügen, während die „Hellmalerei“ des Lichtenthusiasten Walter Ophey mit ihrem mosaikartigen Geflecht getupfter Pinselstriche einen Höhepunkt erfuhr.

Karl Schmidt-Rottluff, Monte Palatino, 1930, Öl auf Leinwand. Brücke- Museum Berlin. Foto: Peter Köster

Erlebte Leichtigkeit des Seins in Bildsprache übersetzt

Im Hinblick auf den hohen künstlerischen Innovationsanspruch im 20. Jahrhundert stellte sich die Frage, was im (kunst-)historisch reichen Italien noch neu zu entdecken sei. Die Sehnsucht nach einer inspirierenden Landschaft führte Werner Gilles nach Abschluss seines Studiums am Bauhaus in den Süden Italiens, wo er mit seinem Freund aus Schülertagen, Otto Pankok, zusammentraf. Pankok widmete sich wie Max Beckmann, der regelmäßig an die Adria oder Riviera reiste, allen Facetten des Lebens unter italienischer Sonne und übersetzte die erlebte Leichtigkeit des Seins mit einem Augenzwinkern in eine von der Vereinfachung der Form getragene Bildsprache.
„Italien Sehnsucht“ zeigt eindrucksvolle Werke, arrivierter, aber auch bis heute eher weniger bekannter Künstlerinnen – und Künstler aus der Zeit von 1905 bis 1933. Zu diesen zählt Hans Kuhn, dessen luftige Aquarelle Sinne berühren und Stimmungen transportieren. Eine weitere Entdeckung erlebt man im kleinen Kabinett, das von Max Peiffer Watenphul bespielt wird. Seine spannungs- und kontrastreichen Fotografien aus Rom und Florenz reflektieren nicht nur seine Ausbildung am Bauhaus, sondern ermöglichen auch einen neuen Blick auf Altbekanntes. Die Challenge im Museum August Macke Haus lädt ein zu einer abwechslungsreichen Entdeckungsreise nach „Bella Italia.“ Peter Köster