„In Form! Skulptur und Plastik bis 1900“ – Ausstellung im Bahnhof Rolandeck

Pierre Viguier, Werkstatt Kopf der Maria Magdalena (Fragment) um 1460–1490. Das Fragment © Peter Köster

Remagen. „Ehrt die Tradition und lernt erkennen, was sie an ewig Fruchtbarem enthält: Liebe zur Natur und Aufrichtigkeit. Das sind die beiden starken Leidenschaften der Genies.“ Dieses Zitat von Auguste Rodin liefert das Entrée in die neue Ausstellung „In Form! Skulptur und Plastik“ in der Kunstkammer Rau. Im Zentrum dieser Schau, die bis zum 30. Januar 2022 im Arp Museum Bahnhof Rolandseck präsentiert wird, steht die historische Entwicklung der klassischen Bildhauerei.

59 Bildwerke aus der Sammlung Rau für UNICEF zeugen exemplarisch von künstlerischen Tendenzen und Entwicklungen sowie ästhetischen Diskursen vom Mittelalter bis an die Schwelle zur Moderne. Religiöse Holzskulpturen des Mittelalters, dynamisch bewegte Skulpturen des Barocks, Büstenbildnisse der Aufklärung sowie eine impressionistische Plastik bilden ein Panorama, dass die Besucherinnen und Besucher in das Jahresthema „Fantastisch plastisch“ einführt.

„Eine rätselhafte Aura und Schönheit“

„Gleich drei große Ausstellungen zeigen dieses Jahr, was Skulptur und Plastik war und ist, was Auguste Rodin und später Hans Arp bewegte, was aktuelle Bildhauerinnen wie Stella Hamberg heute lieben und hoffen“, so Dr. Oliver Kornhoff, Direktor des Arp Museums. Andra Lauffs Wegner, Vorstandsmitglied der Landes-Stiftung Arp Museum Bahnhof Rolandseck, ergänzt: „Heute, hier beginnen wir bei der Basis all dessen, beim Fundament der Moderne. Viele der Skulpturen sprechen zu uns ohne Worte. Sie brauchen keine Erklärung, sondern berühren uns, weil sie zutiefst Menschliches zeigen“.

Dr. Susanne Blöcker, Kuratorin der Kunstkammer Rau, macht deutlich: „ In der Werkstatt des Bildhauers sind Skulpturen und Plastiken heute oft die einzigen Relikte, die Geschichte sinnlich erfahrbar machen“. Viele dieser Gegenstände haben als stumme Zeugen der Geschichte Kriege und Revolutionen überstanden – anders als die Orte, für die sie geschaffen wurden, die oft schon lange zerstört sind. Viele Skulpturen bleiben Fragment wie die aus dem 13. Jahrhundert stammende meditative französische Holzskulptur des Apostels Petrus oder der steinerne Kopf einer Maria Magdalena des gotischen Bildhauers Pierre Viguier. „Bis heute besitzen diese fragilen Fragmente“ – so Blöcker – „eine rätselhafte Aura und Schönheit, die bereits Künstler wie Rodin und Arp aber auch uns heute noch in ihren Bann zieht.“

Paolo Troubetzkoy: Elin Troubetzkoy im japanischen Kostüm um 1906. In der Werkstatt des Bildhauers © Peter Köster

Mittelalterliche Skulptur steht oft in engem Dialog mit der sie umgebenden Kirchenarchitektur. Konzentriert-meditativ verkörpert sie klare religiöse Botschaften. In der Renaissance erst erobern plastische Bildwerke auch den privaten Raum. In Gärten und Innenräumen barocker Schlösser tummeln sich spielerisch und lustvoll steinerne antike Götter. Auf starke, bewegende Gefühle setzt die religiöse Barock-Skulptur der Gegenreformation. Erschreckend drastisch führt sie die Martyrien der Heiligen vor, schildert lebensnah Maria als leidende Mutter. „In Zeiten großer Glaubenskriege und Krisen will Skulptur anrühren, berühren, Sinn geben. In der Aufklärung des 18. Jahrhunderts verliert sich der religiöse Gehalt. Nun werden die gesellschaftsverändernden Philosophen der Epoche auf den Sockel gehoben“, erläutert Susanne Blöcker bei ihrer Führung durch die Kunstkammer Rau.

Seit 2009 werden 274 Gemälde und Skulpturen der Sammlung Rau für UNICEF im fortlaufenden Ausstellungswechsel im Arp Museum präsentiert. Der Wirtschaftswissenschaftler, Tropenarzt und Philanthrop Dr. Gustav Rau vermachte seine bedeutende private Sammlung der Kinderhilfsorganisation UNICEF. Ein Schwerpunkt der Sammlung liegt neben anderen auf der religiösen Kunst des Mittelalters und Barocks. Peter Köster

Francesco Bertos: Die Weinlese, um 1738, Arp Museum Bahnhof Rolandseck / Sammlung Rau für UNICEF. Foto © Peter Köster