„Im Kaleidoskop der Moderne“ Bundeskunsthalle taucht mit der Ausstellung ein in die 1920er Jahre

Die 1920er Jahre haben Einzug in die Bundeskunsthalle gehalten. „Im Kaleidoskop der Moderne“ nennt sich die Bonner Ausstellung, die bis zum 30. Juli gezeigt wird.

Schnelllebige Zeit

Prickelnder Champagner und unaufhaltsame Lebenslust, davon war Anfang der 1920er noch nichts zu spüren. Denn das Jahrzehnt, welches so oft mit Glitzer und Glamour assoziiert wird, begann eher weniger glänzend. Die Folgen des Ersten Weltkriegs waren allgegenwärtig. Arbeitslosigkeit, Hungersnot und Existenzängste prägten die Zeit. Erst die Einführung einer neuen Währung und die Fließbandproduktion führten Mitte des Jahrzehnts zu einem wirtschaftlichen Aufschwung. Arbeitsplätze wurden geschaffen, womit nicht nur das Einkommen, sondern auch die Kaufkraft stieg. Die neue Massenproduktion machte Waren für jedermann zugänglich. Es begann ein Jahrzehnt, das in vielerlei Hinsicht prägend war. Eine schnelllebige Zeit voller Widersprüche, die nicht nur durch Medien wie Literatur, Film und Fernsehen, sondern auch durch Modetrends wie Hosenträger weiterlebt.

Motto der 1920er Jahre
Titel der Ausstellung. Foto: Peter Köster

Neuer Lebensstil

Der Rhythmus des Jahrzehnts wurde fortan bestimmt durch das Aufblühen von Musik, Tanz und Kunst und formte einen neuen Lebensstil. Einen Lebensstil der Freidenker und Avantgardisten, der den vorherrschenden gesellschaftlichen Konventionen entgegentrat. Die Menschen feierten mit neuer Lebensfreude und Freiheit ausgelassen zu Jazz, tanzten Charleston. Das Radio und der Film etablierten sich als Massenmedien. Im Varieté und Kino erlebten die Menschen Kunst und Unterhaltung von aufreizenden Burlesque-Shows bis hin zu Filmen von Charlie Chaplin. Sportwettkämpfe wie Boxen, Fußball oder Motorsport wurden zum Vergnügen der Massen. So schnelllebig wie die Zeit selbst kam auch ihr Ende. 1929 sorgte der Börsencrash am „Schwarzen Donnerstag“ in den USA weltweit für einen Zusammenbruch der Wirtschaft. Die Wirtschaftskrise stürzte das Land in Armut.

Jazz
Feier- und Lebensfreude beim Jazz. Foto: Peter Köster

Ausstellungsnarrativ

Das war das Ende der 1920er, die nun in der Ausstellung „Im Kaleidoskop der Moderne“ für eine Zeitlang wiederbelebt werden. Über 260 Exponate, Objekte, Bilder, Dokumente, Schautafeln lassen diese Zeit wieder lebendig werden. Wie bedeutsam die 1920er-Jahre immer noch sind, zeigt sich an der Fernsehserie „Babylon Berlin“ die bereits lange vor dem furiosen Erfolg das (Wunsch-)Bild dieser Zeit bestimmte mit ihrer Umbruchphase und als Experimentierfeld der westlichen Moderne.

Androide
Maschinen-Maria, Figur aus dem Film Metropolis von Fritz Lang – Gedreht 1925/26 in den Babelsberger Filmstudios / Premiere 1927 – Foto: Peter Köster

Drei große Themenkomplexe bestimmen und strukturieren das Ausstellungsnarrativ: Das Phänomen der Großstadt als Biotop und Zerrbild der Moderne; der Diskurs über die neuen Rollenbilder von Frau und Mann sowie die Konstruktion und Wahrnehmung der neuen Lebenswelten. In den Fokus gerückt werden die prägenden Phänomene dieser Epoche, Globalisierung, Geschwindigkeit, Experimentierlust, Hinterfragung der Geschlechterrollen, urbane Lebenswelten, die Vielfalt künstlerischer Konzepte, veränderte Sehgewohnheiten, Technisierung, Massenkommunikation. Apropos Geschwindigkeit. „Die 1920er-Jahre gelten als Umbruchphase und Experimentierfeld der westlichen Moderne. Die Gleichzeitigkeit und Radikalität dieser Epoche verleiht ihr noch im 21. Jahrhundert eine bemerkenswerte Aktualität und bildet den Ausgangspunkt dieser Ausstellung. Kaleidoskopartig wird die Vielfalt der unterschiedlichen Bilder und Stimmen zu immer neuen Konstellationen zusammengefügt, die den Blick für die Einzigartigkeit der Ereignisse sowie für die Analogien zur heutigen Zeit gleichermaßen schärfen sollen“, sagt Kuratorin Agnieszka Lulinska. Das Jahrzehnt werde einerseits von einer tiefen Zerrissenheit geprägt, andererseits werde es von einem ungebrochenen Fortschrittsglauben und noch nie dagewesenen Innovationsschub in allen gesellschaftlichen Bereichen (Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik) erfasst.Die Disziplinen übergreifend angelegte Ausstellung will dieses kaleidoskopartige Bild der 1920er-Jahre einer aktuellen Betrachtung unterziehen.
– Peter Köster