Im Fokus: Die „Neunte“ und Musik in Krisenzeiten

Beethoven-Haus Bonn stellt Veranstaltungsprogramm für die Saison 2023/2024 vor.

Am 7. Mai 2024 jährt sich das Ereignis der Uraufführung der Neunten Sinfonie von Ludwig van Beethoven zum 200. Male. „Als damals die letzte Sinfonie aus der Feder des Bonner Komponisten erstmals erklang, wurde europäische Musikgeschichte geschrieben“, so Malte Boecker, Direktor des Beethoven-Hauses. Schon in seiner Bonner Jugendzeit hatte sich Beethoven mit der Ode „An die Freude“ von Friedrich Schiller befasst, aber erst Jahrzehnte später sollte er das Vorhaben einer Vertonung umsetzen. Das Beethoven-Haus stellt den 200. Jahrestag der Uraufführung der Neunten in das Zentrum seines Veranstaltungsprogrammes für die Saison 2023-2024.

Festkonzerte – Wissenschaftlicher Kongress – Sonderausstellungen

Mehrere von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien geförderte Schwerpunkt-Veranstaltungen konzentrieren sich auf das Jubiläum dieses epochemachenden Werks: Vorgesehen sind zwei Festkonzerte am 7. und 8. Mai 2024 mit der Rekonstruktion der Akademie vom 7. Mai 1824. Die Neunte wird erstmals seit der Uraufführung in der Besetzung, der Aufstellung und in der programmatischen Konstellation aufgeführt, die Beethoven selbst vorgegeben hatte. Für die musikalische Umsetzung sind das Originalklang-Orchester Wiener Akademie unter der Leitung von Martin Haselböck sowie der WDR-Rundfunkchor vorgesehen. Die Details werden demnächst in einer eigenen Pressekonferenz zu dem Projekt bekanntgegeben.

Begleitet werden soll dieses einmalige Vorhaben der Rekonstruktion durch einen internationalen wissenschaftlichen Kongress vom 4. bis zum 6. Mai 2024, der neueste Erkenntnisse zur Neunten verspricht. Bei der Tagung, die das Beethoven- Archiv gemeinsam mit Birgit Lodes (Universität Wien) in Bonn veranstaltet, werden Forschende aus dem In- und Ausland u.a. die Aufführungssituation, die Ästhetik und politische Bedeutung von Beethovens späten Orchesterwerken sowie deren Rezeption beleuchten.

„Die ,Neunte‘ als Musik gewordene Utopie der Menschlichkeit wird uns auch über die gesamte Saison in vielen weiteren Projekten beschäftigen“, so Boecker. Etwa in einer Sonderausstellung, die mit Blick auf die Fußball-EM 2024 in Deutschland die (völker)verbindende Kraft von Musik und Fußball untersucht. „Eine runde Sache – Fußball und Musik“ lautet der Titel der Ausstellung, die von Januar bis Mai 2024 in Kooperation mit dem Deutschen Fußballmuseum, Dortmund, gezeigt wird. Eine weitere Sonderausstellung konzentriert sich auf den großen Beethoven-Interpreten Leonard Bernstein (Mai bis August 2024). Die ursprünglich für das Beethoven- Jubiläumsjahr 2020 geplante Ausstellung zeichnet Bernsteins lebenslange Auseinandersetzung mit dem Komponisten nach. Anhand ausgewählter Dokumente, seiner Konzerteinführungen, Omnibus-Fernsehsendungen und umfangreichen Disko- und Filmografie wird Bernsteins Bedeutung für die Beethoven-Rezeptions- geschichte illustriert. Erinnert wird dabei insbesondere an aufsehenerregende Beethoven-Konzerte, etwa die Aufführung der Neunten Sinfonie an Weihnachten 1989 in Berlin.

Auch Daniel Hope, Geiger und Präsident des Beethoven-Hauses, stellt in dem von ihm als künstlerischem Leiter kuratierten Kammermusikfest BTHVN WOCHE vom 9. bis 11. Mai 2024 eine Verbindung zum Jubiläum der Neunten her. Das detaillierte Programm zum Thema „Humanismus“ wird noch bekanntgegeben.

Die Gestaltung der Veranstaltungsübersicht greift ebenfalls das Jubiläum der Neunten auf: Für die Broschüre wurden von der japanischen Fotografin Mariko Tagashiro 20 Fotos aus ihrem preisgekrönten Zyklus „Visible – ,An die Freude‘“ zur Verfügung gestellt. Sie zeigen japanische Kinder des White Hands Chorus NIPPON, einem inklusiven Musikprojekt, bei ihrer Interpretation der Musik und des Textes von Beethovens „Ode an die Freude“. Mehr als die Hälfte der Kinder sind gehörlos, hör- oder sehbehindert, haben Entwicklungsstörungen oder leben in schwierigen Verhältnissen.

Musik in Krisenzeiten

In einem Benefizkonzert für die UNO-Flüchtlingshilfe erinnert das Beethoven-Haus am 22. Oktober 2023 an den 50. Todestag des Cellisten und Friedensaktivisten Pablo Casals. Im Beethoven-Haus spielte Casals seine beiden einzigen Konzerte in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg – nicht zuletzt als Hommage an Beethoven. In ihrem Konzert gehen die beiden jungen Musiker Philipp Schupelius, Violoncello, und Robert Neumann, Klavier, der Frage nach: „Was kann Musik dem Leid, was kann Musik einem Krieg entgegensetzen?“ Sie spielen Musik rund um Casals’ Leben, Werk und Ideen – mit Werken von Beethoven, Bach, Schnittke, Granados und Casals selbst. Die Programmidee stammt von Philipp Schupelius, der dafür mit dem Fanny Mendelssohn-Förderpreis für Musik- und Programmkonzepte ausgezeichnet wurde.

Das traditionelle Tauftagskonzert am 17. Dezember 2023 widmet das Beethoven- Haus dem Projekt „Lebensmelodien“ Während des Holocausts instrumentalisierten die Nationalsozialisten die Musik Beethovens, um ihre rassistischen und antisemitischen Ideologien voranzutreiben. Gleichzeitig verboten sie die Werke vieler jüdischer Komponisten und Musiker. Einige dieser Lieder werden im Rahmen des Projekts „Lebensmelodien“ zu hören sein. Es sind jüdische Werke, die im Zeitraum 1933–1945 komponiert und gesungen, manchmal auch aufgeschrieben wurden – Musik, um in den Ghettos und Lagern zu überleben – oder auch um von

dieser Welt Abschied zu nehmen. Hinter den „Lebensmelodien“ verbergen sich die Schicksale jüdischer Menschen. Ein Ensemble aus sieben namhaften Musikerinnen und Musikern zeigt gemeinsam mit der Schauspielerin Iris Berben die Lebenskontexte der Personen auf, die diese Melodien in der Zeit von 1933 bis 1945 komponierten und aufführten. Das Projekt wurde vom Evangelischen Kirchenkreis Tempelhof-Schöneberg konzipiert und findet mit freundlicher Unterstützung des Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung statt.

Die Konzertreihen 2023/2024

Über die Schwerpunktthemen hinaus bietet das Beethoven-Haus in seinen Konzertreihen von Oktober 2023 bis Juni 2024 zahlreiche Highlights und Entdeckungen. So sind am 13. November 2023 mit dem Juilliard Quartet und am
8. Juni 2024 mit dem Gewandhaus Quartett in den „Kammerkonzerten“ zwei Ensembles zu Gast, die unter den Streichquartett-Formationen als legendär gelten. Die „Juilliards“ kommen mit einem spannungsreichen Programm mit späten Beethoven-Quartetten (op. 130 und op. 133) und Kompositionen von Jörg Widmann nach Bonn, das Gewandhaus Quartett spielt ausschließlich Werke von Beethoven (op. 18 Nr. 6, op. 96 und op. 131). Die Cellistin Raphaela Gromes hat sich auf Spurensuche in die Musikgeschichte begeben und ein reines Komponistinnen- Programm zusammengestellt, das sie am 25. Februar 2024 im Kammermusiksaal präsentiert.

In den „Klavierrecitals“ bietet das Beethoven-Haus fünf Konzerte für Freunde der Klaviermusik. Zu Gast sind hier etwa der Franzose David Fray, der zwar als ausgewiesener Bach-Interpret gilt, aber auch eine große Nähe zu Schubert (u.a. Wanderer-Fantasie) und Liszt (Auszüge aus „Années de pèlerinage“ empfindet, wie man am 28. Oktober 2023 erleben kann. Musik für 20 Finger bringen Lucas und Artus Jussen in den Kammermusiksaal. Für ihr Konzert am 15. Februar 2024 haben die Brüder ein vielfältiges und klangfarbenreiches Programm von höchster Virtuosität zusammengestellt, das drei Jahrhunderte Klaviermusik abbildet – von Mozart über Schumann bis zu Rachmaninow und Jörg Widmann.

Mit der Sopranistin Anna Prohaska und dem Tenor Ian Bostridge präsentieren sich gleich zwei Gesangsstars im Kammermusiksaal. Die thematischen Liederabende von Anna Prohaska werden weithin gerühmt. Mit ihrem Klavierpartner Julius Drake macht sie sich am 19. November 2023 auf die Suche nach dem verlorenen Paradies, inspiriert von John Miltons Meisterwerk „ Paradise Lost“ aus dem 17. Jahrhundert. Die ausgewählten Lieder aus vier Jahrhunderten umkreisen Eva und das Paradies, den Sündenfall, die Vertreibung und das irdische Leben. Der britische Sänger Ian Bostridge gestaltet mit seiner markanten und ergreifenden Stimme am 30. Mai 2024 mit seiner Klavierpartnerin Saskia Giorgini einen Liederabend mit zwei Meisterwerken der Musikgeschichte – mit Schuberts Schwanengesang und Beethovens Zyklus „An die ferne Geliebte“.

Die Reihe „Young Stars“ führt erneut sieben herausragende Nachwuchs- musikerinnen und -musiker bzw. Ensembles nach Bonn. In den „Leinwand- konzerten“ (in Kooperation mit dem Förderverein Filmkultur e.V.) dürfen Film- und Musikfreunde auf eine Dokumentation über eine Reise zu den Vorlagen zu Beethovens Bearbeitungen schottischer Volkslieder gespannt sein, und nicht nur Kinder freuen sich sicherlich über drei Stummfilme mit den „Kleinen Strolchen“ von 1928 mit Live-Musikbegleitung.

In der Jazz-Reihe „Aspekte“ gibt es insgesamt vier Konzerte: zwei Solo-Piano- Abende mit zwei herausragenden Pianisten – nämlich Sebastian Sternal und dem Norweger Eyolf Dale. Der spanische Pianist Daniel Garcia kommt mit seinem Trio in den Kammermusiksaal, und die Gruppe Sisters in Jazz bringt gleich fünf herausragende Jazz-Musikerinnen auf die Bühne.

Gefördert wird das Programm des Beethoven-Hauses von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, dem Land NRW, der Stadt Bonn und der Hermann J. Abs-Stiftung.

Freier Vorverkauf ab 19. Juni – Abonnements bis 22. September buchbar

Das Beethoven-Haus bietet drei Abonnements für die Konzerte an: das Abo Kammermusik mit sechs Konzerten, das Abo Klavier mit fünf Konzerten und das Abo Young Stars mit sieben Konzerten.

Die Abos können nur schriftlich und bis zum 22. September beim Kammermusiksaal bestellt werden (kammermusiksaal@beethoven.de). Der freie Vorverkauf beginnt am 19. Juni. Die Tickets sind dann über BONNTICKET, alle eventim-Vorverkaufsstellen und im Shop des Beethoven-Hauses erhältlich. Mitglieder des Vereins Beethoven-Haus und des Kreises der Freunde und Förderer haben die Möglichkeit, sich bereits vor dem Beginn des freien Vorverkaufs Karten zu sichern.

Das Gesamtprogramm des Beethoven-Hauses für die Saison 2023/2024 ist auf der Webseite des Beethoven-Hauses unter www.beethoven.de/saison2023/24 abrufbar. Das gedruckte Programm wird auf Anfrage auch zugeschickt.

Öffnungszeiten des Museums

Mittwoch bis Montag – 10.00 bis 18.00 Uhr, Dienstag geschlossen

Zum Beethoven-Haus Bonn

Der 1889 gegründete Verein Beethoven-Haus Bonn gilt als das international führende Beethoven-Zentrum. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, Beethovens Leben, Werk und Wirken lebendig zu halten. Zu der kulturellen Einrichtung gehört die weltweit bedeutendste Beethoven-Sammlung, das Museum in Beethovens Geburtshaus mit über 100.000 Besuchern pro Jahr, eine musikwissenschaftliche Forschungsabteilung nebst Bibliothek und Verlag sowie der Kammermusiksaal Hermann J. Abs. Getragen von rund 800 Freunden, Förderern und Mitgliedern aus über 20 Ländern, unterstützt von Bund, Land NRW, Landschaftsverband Rheinland und Stadt Bonn, erfüllt das Beethoven-Haus einen kulturellen Auftrag von nationaler und internationaler Bedeutung. Präsident ist seit März 2020 der Geiger Daniel Hope. 2016 wurde unter dem Dach der Stiftung Beethoven-Haus die gemeinnützige Beethoven Jubiläums Gesellschaft gegründet, um die Feierlichkeiten zu Beethovens 250. Geburtstag im Jahre 2020 zu koordinieren und zu vermarkten.

Beethovenhaus Bonn