Hochkarätige Oldtimer in der Eifel – Endlich mal wieder Nürburgring Classic

Zählt man den Betrag zusammen den man aufwenden muss, um die Oldtimer zu erwerben, die sich im historischen Fahrerlager zur Ausfahrt auf die Nordschleife des Nürburgrings aufgestellt hatten, so ist man schnell im sechsstelligen Bereich. Einzelne Exemplare, so der Locomobile aus dem Jahre 1916, dürfte bereits 3 Millionen Euro kosten.

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Locomobile © Klaus Ridder

Was sind das für Leute, die solche Raritäten fahren? Man nennt sie „Gentleman Driver“, wobei die Betonung auf „Gentleman“ liegt.

Sie haben es geschafft, durch Fleiß oder Erbschaft, ein technischen Kulturerbe zu besitzen und sind stolz darauf, diese Rarität auf dem Nürburgring fahren und zeigen zu dürfen. Schließlich ist der Nürburgring fast 100 Jahre alt, wie viele der anwesenden Oldtimer.

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Briten © Klaus Ridder

Ein altes historisches Fahrerlager mit  70 Boxen, jeweils verschlossen durch geriffelte Rolladentore mit einer großen schwarzen Nummer auf weißem Untergrund markiert und darin ein alter Rennwagen in Silber, Rot, Braun oder Racinggrün, da kam auch für die Besucher Freude auf.

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Volles Fahrerlager mit historischen Rennwagen. Da war „technisches Kulturerbe“ zu bewundern © Klaus Ridder

Zurück nach Corona-Pause
Pünktlich zum 95. Geburtstag des Nürburgrings kam nach 2 Jahren Corona-Pause die Nürburgring Classic mit vollem Programm zurück: Als einzige Klassiker-Veranstaltung bot sie an allen drei Tagen sowohl auf der Nordschleife als auf dem Grand-Prix-Kurs echtes Nürburgring Erlebnis. Sowohl die Teams als auch die Besucher und Zuschauer wurden auf Anhieb wieder fasziniert von der Vielzahl der hart umkämpften Rennen, der Gleichmäßigkeitsläufe, der Experience-Starterfelder oder den sortenreinen Modell- oder Marken-Starts. „Race Event – Nürburgring Classic“ fesselte dabei nicht nur beim Zuschauen von der Tribüne – mindestens genauso spannend war es auch 2023 wieder, sich bei diesem familienfreundlichen Event durch die Fahrerlager-Paddocks treiben zu lassen.

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Start © Klaus Ridder

Vom 26.-28. Mai 2023 hieß es wieder „Gentlemen … start your engines“ am Eifel-Traditionskurs Nürburgring. Wieder belebte die Nürburgring Classic Deutschlands längste und schwierigste „Gebirgs-, Renn- und Prüfstrecke – mit der legendären Nordschleife und dem Grand-Prix-Kurs“. Auch im 96. Jahr der Rennen in der wunderbaren Eifellandschaft galt, was Rudolf Caracciola (1927 Gewinner des ersten Rennens auf dem Nürburgring) nach der Eröffnung sagte: „Als wir 1927 zum neu eröffneten Nürburgring kamen, rissen wir die Augen auf. Da lag mitten in den Eifelbergen eine Straße (…) mit unsagbar schönen Ausblicken weit über das Land, auf Täler und Dörfer – aber … meine Herren, die Nordschleife … eine bärig schwere Strecke“. Übrigens, erstmals in 2023 findet in der Nürburgring Classic – sozusagen als echte kleine Deutschland-Premiere eine reinrassige Gleichmäßigkeitsprüfung (GLP) auf dem Grand-Prix-Kurs nur für Frauen-Teams statt.

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Rennwagen im Streckenabschnitt „Schwalbenschwanz“ © Klaus Ridder

Vielfältiges Programm
Das Programm an den 3 Tagen bei allerbestem Eifelwetter, morgens noch eiskalt und nachmittags Temperaturen über 20 Grad, war super. Unterschiedliche Renn- und Sportwagen waren am Start: Von den kämpfenden Zwergen (Rennwagen bis 1300 ccm) über das Duell des Vorkriegs-Giganten bis hin zu den Legenden der Formel 1.

Hervorragend war auch das Rennprogramm mit der Aufzählung der Starter, illustriert mit vielen Bildern und begleitenden Texten. Es war von den Redakteuren des Magazins OCTANE in Zusammenarbeit mit den Machern der Nürburgring Classic erstellt worden. Da wurde ein Stück Motorsportgeschichte dokumentiert.

Höhepunkte waren zweifelsfrei die Fahrten der historischen Rennwagen auf der Nordschleife. Da wurden die tonnenschweren alten Rennwagen ohne Lenkhilfe über die schwierige alte Rennstrecke bewegt – manchmal sehr vorsichtig, um die wertvollen Autoraritäten heil ins Ziel zu bringen. Aber es wurde auch manchmal ordentlich Gas gegeben, so machte es Spaß zuzuschauen, wie der Schweizer Kai Hasler seinen Maserati aus dem Jahre 1933 in einer atemberaubenden Geschwindigkeit bewegte.

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Für mich als Fotograf machte es riesigen Spaß, die Rennwagen bei Morgenlicht im Streckenabschnitt Schwalbenschwanz zu erleben. Da rasten die Rennwagen durch die Steilkurve (auch „kleines Karussell“ genannt) und hatten auch noch Zeit, mir zuzuwinken. Besonders freute sich wohl mein Bekannter „Andy“ Bayer (Spediteur aus Stuttgart), als er mich sah und spontan die Hände zum Gruß nach oben riss – und das beim Verlassen der schwierigen Steilkurve.

Rennen auf dem Grand-Prix-Kurs
Auf dem 5,4 km langen Grand-Prix-Kurs wurden Gleichmäßigkeitsprüfen (GLP), aber auch richtige Rennen gefahren.
Beim Kampf der Zwerge, das waren Tourenwagen bis 1300 ccm, waren sogar 57 (!) Fahrzeuge am Start. Mein Bekannter Andy Bayer gewann hier (er war Doppelstarter) seine Klasse auf einem Mini Cooper.

Schnell waren die ehemaligen DTM-Renner. Es waren Rennfahrzeuge, die dem deutschen Motorsport zwischen 1984 und 1995 als wichtigste Rennserie eine „Goldene Ära“ beschert hatten. Hier waren auch ehemalige DTM-Fahrer wie Harald Grohs oder Kris Nissen (DK) am Start.

Nur wenige Formel 1-Rennwagen waren dabei, sie fuhren schnelle Runden, aber kein Rennen. Schön war es, den roten Ferrari von Jacky Ickx aus dem Jahre 1971 hinter dem grünen Gras zu fotografieren oder den Ex-Benetton von Michael Schumacher im Streckenabschnitt „Michael-Schumacher-S“!

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Formel 1-Rennwagen von Jacky Ickx auf der Einfahrt zur Dunlop-Kehre und der Ex-Benetton Formel 1-Rennwagen von Michael Schumacher im „Michael-Schumacher-S“ © Klaus Ridder

Aufregend der Le Mans-Start der Vorkriegsrennwagen. Hier standen die Rennfahrer gegenüber den Rennern und liefen beim Fallen der Startflagge los, um in die Rennwagen zu springen, zu starten und loszufahren. Ein einmaliges Schauspiel wie in alten Zeiten.

Was sonst noch geschah
Ein Talbot-Formel-Rennwagen unterwegs auf der B258 zum Tanken in der Kult-Tankstelle „Döttinger Höhe“. Hier kostet ein Liter Super 30 Cent weniger als an der Tankstelle im Fahrerlager.

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Eine Überraschung auf der B258. Der Talbot Lago T26C mit dem Schweizer Rutishauser am Steuer fährt zum Tanken © Klaus Ridder

Viele Briten waren zum Ring gekommen, um ihre Boliden auf der Nordschleife zu bewegen.

An der Schranke zur Boxeneinfahrt sind seit 35 Jahren dieselben Nürburgring-Mitarbeiter aktiv – und immer freundlich zu den Rennfahrern und Besuchern.

Von einem Riesenrad aus gab es für 6 Euro einen fantastischen Ausblick auf das Fahrerlager mit der Nürburg im Hintergrund und auf die Eifellandschaft.

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Ein Riesenrad wie in Le Mans und Suzuka, nunmehr auch am Nürburgring. Von oben ein Blick auf das neue Fahrerlager mit der Nürburg im Hintergrund links © Klaus Ridder

Morgens um 8.00 Uhr begannen die Fahrten auf der legendären Nordschleife. Ich wartete als einziger Fotograf am Streckenabschnitt „Schwalbenschwanz“. Es war ein besonderes Ereignis, das Dröhnen der Motoren von weitem zu hören und dann das Auftauchen der Boliden in der überhöhten Kurve zu erleben.

Gentleman-Driver, das ist eine Klicke für sich. Abends gab es Benzingespräche im historischen Fahrerlager, bei Champagner und Wein.

Der kleinste BMW aus Erfurt hatte gerade mal 15 PS und Mühe, die steile Passage zur Hohen Acht zu bewältigen.

Resümee
Über 100 Jahre alte Rennwagen und allerbestes Eifelwetter – da kam Freude auf.

Klaus Ridder