„Heimat. Eine Suche“ – Sonderausstellung im Haus der Geschichte

„Heimat“ in Zeiten von Corona. Foto: Peter Köster

Wie schafft man Heimat? Was macht Heimat aus? Wie kann man Heimat mitnehmen? Ist Heimat etwas Inneres oder Äußeres? Welche Gefühle löst die Heimat in uns aus? Was eigentlich ist Heimat? Diesen Fragen zum Thema Heimat versucht die bis zum 25. September gezeigte Sonderausstellung „Heimat. Eine Suche“ im Haus der Geschichte auf den Grund zu gehen.

Präsent in Marketing und Politik

„Heimat ist etwas Positives, etwas das Zusammenhalt stiften kann, das gemeinsame Zukunft möglich macht“, sagt Bundespräsident Frank Walter Steinmeier. „Wieviel Heimat braucht der Mensch“, lautet der Titel eines 1966 veröffentlichten Essays des Autors und Shoa-Überlebenden Jean Améry. Nach der Erfahrung existenzieller Heimatlosigkeit kommt er zu dem Schluss: Man muss Heimat haben, um sie nicht nötig zu haben. Zwei völlig unterschiedliche Darlegungen zum Thema Heimat die zeigen, wie überaus vielfältig dieser Begriff  ist. Mit „Heimat. Eine Suche“ behandelt die Ausstellung eine überaus aktuelle, viele Menschen emotional berührende Thematik. Heimat hat Konjunktur. Sie ist präsent in Marketing, Werbung und Politik. Der Heimatbegriff wird kontrovers diskutiert, instrumentalisiert. Eine allgemein gültige Definition von Heimat existiert nicht – nach wie vor scheint „Heimat“ ein vager und unbestimmter Terminus zu sein. Aber was genau ist Heimat? Bestimmt nicht ein Begriff, sondern ein ganzer Komplex von Bedeutungen. Vielleicht auch etwas Undefinierbares oder doch Greifbares. Das nordrheinwestfälische Heimat-Ministerium vergibt den „Heimat-Preis“. Dieser würdigt das herausragende Engagement von Kreisen, Städten und Gemeinden. Neben der Wertschätzung für die geleistete Arbeit verbindet sich damit auch die Chance, vor Ort über das Thema „Heimat“ zu diskutieren.

Das Holzrelief des syrischen Schnitzers Fadev Alkhudr zeigt seine Fluchtgeschichte aus dem kriegszerstörten Aleppo und seine Flucht über das Mittelmeer nach Deutschland. Foto: Peter Köster

Schlüsselbund als Erinnerung

Aber zurück zur Ausstellung: Ein alter Schlüsselbund hängt in einer Vitrine. Seine Besitzerin hat ihn jahrzehntelang mit sich herumgetragen. Auch wenn die Türen, zu denen die Schlüssel passen, wahrscheinlich längst nicht mehr da sind. Oder auch das  ganze Haus. Aber diese Schlüssel erinnern an die Heimat, sie erinnern daran, wo man herkommt, glücklich und traurig gewesen ist. Zentrum der Ausstellung ist eine Art Dorfplatz. Da gibt es Sitzgelegenheiten, und es laufen Videos mit Diskussionen über das Thema. Vom Platz aus kann man in verschiedene Räume gehen und sich mit Migrationsgeschichten oder der erfolgreichen Fernsehserie „Heimat“ der Hundrücksaga von Edgar Reitz beschäftigen. Nicht nur hier gibt es viele Medienstationen mit Filmausschnitten, Reportagen und kurzen Interviews. Es geht auch um die Dörfer, die am Niederrhein dem Braunkohletagebau weichen mussten. Es geht um Heimat im geteilten Deutschland und Identitäten in verschiedenen Regionen, (Spät-Aussiedler und Vertriebene, jüdisches Leben in Deutschland, Heimischwerden von Menschen mit internationaler Geschichte. Das Bühnenbild einer idyllischen Spreelandschaft aus dem Dorf „Mühlrose“ steht für die Bedrohung der sorbischen Minderheit, ihrer Sprache und Kultur durch den Tagebau. Der Fokus liegt auf der Entwicklung seit 1945. Plötzlich taucht eine Tür auf, die zu einer Flüchtlingsunterkunft gehört. Eine aus Syrien geflohene junge Frau hat die Tür bemalt. Sie zeugt von dem Bemühen, den Verlust der alten Heimat zu verarbeiten und in einer potenziell neuen Heimat Halt zu finden.

Emotional aufgeladener Begriff

Die Schau beleuchtet die unterschiedlichen Definitionen eines emotional aufgeladenen Begriffs. Zu sehen sind zahlreiche Zeitzeugen-Interviews und rund 600 Exponate. Präsentiert werden unter anderem ein Dirndl aus afrikanischem Batikstoff oder der Koffer eines Holocaust-Überlebenden. Zu Wort kommen auch Menschen, die aus verschiedenen Ländern in die Bundesrepublik geflohen und hier mehr oder weniger heimisch geworden sind. Auch Jüdinnen und Juden beantworten die Frage, inwiefern Deutschland für sie Heimat sein kann. Thema der Ausstellung ist auch der Verlust und das Finden einer neuen Heimat. Manchmal sind es die kleinen Dinge, die viel erzählen. Manchmal auch größere. Gleich am Eingang sieht man bestickte Sofakissen. Im schönsten Wiesengrunde ist meiner Heimat Haus“ steht auf einem, der Beginn eines alten Volksliedes. Es ist ein Kunstwerk, auch wenn es erst ganz normal wirkt. Daneben hängt – vom gleichen Künstler, Stefan Strumbel, entworfen – eine bonbonbunte Kuckucksuhr – Die Erinnerung ist hier auch gleichzeitig eine Verfremdung.

Wie kann ein moderner Heimatbegriff aussehen, der dem gesellschaftlichen Zusammenhalt dient? Kleider, Schlüssel und Lieder erinnern an die Vergangenheit. Doch in der Ausstellung im Haus der Geschichte geht es auch um die Zukunft. Heimat ist etwas, das sich verändert. Peter Köster

Dirndl aus afrikanischem Batikstoff, als Teil der Ausstellung. Foto: Peter Köster