Es besteht weiter Redebedarf

Diskutierten über das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und der US-Regierung: Claas Tatje, Elena Bryan, Martin Häusler, Prof. Ralph Wilde und Francisco Mingorance (von links). © Susanne Horn

Aachen. Die Transatlantic Trade and Investment Partnership, kurz TTIP, die derzeit zwischen der EU-Kommission und der US-Regierung verhandelt wird, soll – einfach gesagt – als Freihandelsabkommen vor allem die wirtschaftliche Zusammenarbeit dies- und jenseits des Atlantiks vereinfachen und verbessern. Expansions- und Innovationsimpulse werden erwartet. In der deutschen Übersetzung zu TTIP taucht schon der Begriff Verbraucherschutz auf, ein Hinweis darauf, wo die Sorgen nicht nur in der deutschen Bevölkerung, sondern auch bei Parlamentariern liegen. Aktuell könnte die angespannte Situation in der Ukraine außerdem dem geplanten Abkommen einen starken politischen Akzent verleihen, indem es auch um das  Bekenntnis zu gemeinsamen Werten zwischen Europa und US-Amerika geht. So lassen sich wichtige Aspekte kurz zusammenfassen, die der 2. Transatlantische Wirtschaftsdialog auf Einladung des Amerika Haus e.V. NRW und des US-Generalkonsulats in Düsseldorf bei der IHK Aachen kontrovers diskutierte: TTIP, zu deutsch Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft und Verbraucherschutz, hieß das Thema. Abseits der öffentlichen Debatte um Geheimdienstaffären, Genmais und Chlor-Hühnchen wollte die das Amerika Haus NRW einen sachlich orientierten Blick auf die Debatte werfen.

Elena Bryan, seit 2011 oberste Handelsbevollmächtigte der U.S.-Vertretung in der EU, warb für TTIP. Copyright: Susanne Horn

Als Hauptrednerin konnte Elena Bryan gewonnen werden. Sie ist seit 2011 oberste Handelsbevollmächtigte der U.S.-Vertretung in der EU und erfahrene Verhandlungsführerin in verschiedenen Freihandelsabkommen, zum Beispiel mit Südostasien und Indien. Aus ihrer Sicht liegen die Vorteile auf der Hand. Zwei große Wirtschaftsblöcke, die rund 30 % des globalen Handelsmarktes ausmachen und etwa 40 % des Weltmarktes an Dienstleistungen erwirtschaften streben weiter nach Wirtschaftswachstum. Indem sie sich auf bestimmte Standards bei Produkten und Dienstleitungen verständigen, den freien Waren- und Güterverkehr fördern, große wie kleine Unternehmen begünstigen, sind die Partner mit gemeinsamen Prinzipien auch gut gerüstet für einen starken Auftritt auf den globalen Märkten. Bedenken, dass es gar darum gehen könne, den Vertrag von Lissabon oder die U.S. Verfassung zu ändern, erteilte Elena Bryan eine klare Absage. Sie betonte, dass an verfahrenstechnischen Rahmen und den Standards gearbeitet werde, die beiderseits anerkannt werden sollten. Ganz praktisch stellte sie die Frage, ob die Notwendigkeit bestehe, zwei verschiedene Zertifizierungen für Unternehmen zu erhalten, um Produkte in den Vereinigten Staaten sowie der EU verkaufen zu können. „But not, one size fits all“, nicht eine Regel gelte für alles, versprach sie.

Martin Häusler, Mitglied des Europaparlaments der Fraktion der Grünen/ EFA, sieht vor allem Gefahren für den Verbraucher- und Umweltschutz. Copyright: Susanne Horn

Mehr Transparenz bei den Verhandlungen

Verbraucher- und Umweltschutz, Lebensmittelsicherheit und Arbeitnehmerrechte dagegen sind Positionen, die Agrartechniker, Biobauer und Landwirtschaftsexperte Martin Häusling als Mitglied des Europaparlaments der Fraktion der Grünen/ EFA bei einer TTIP-Unterzeichnung ernsthaft gefährdet sieht. „Für den Umwelt- und Verbraucherschutz haben wir in Europa lange gekämpft, wir wollen kein Vertrauen verspielen“, betonte er in seiner Rede. Diese Regeln entsprächen auch dem Willen der Verbraucher, etwa in Fragen der Gentechnik gäbe es eine klare Ablehnung auf Seiten der Europäer. Überbewertet seien außerdem bestehende Zölle, sie fielen in der Handelsbilanz praktisch nicht mehr ins Gewicht. Und „geht der Investorenschutz dann zu Lasten der Steuerzahler?“, fragte Häusler. Er befürchtet zudem ein Ungleichgewicht für kleine und mittelständische Unternehmen, zu Lasten der südeuropäischen Länder. „Wir brauchen mehr Transparenz bei den Verhandlungen“, bemängelte der EU-Abgeordnete. Generell stelle sich zudem die Frage, ob bilaterale Feinhandelsabkommen noch zeitgemäß seien, oder ob nicht nach dem Vorbild der WTO (Welthandelsorganisation) auf globale Standards geschaut werden müsse.

An der anschließenden Podiumsdiskussion im großen Foyer der IHK Aachen, moderiert von ZEIT-Mitarbeiter Claas Tatje aus Brüssel, beteiligten sich mit Ingenieurswissen Prof. Ralf Wilde, Vorstandsvorsitzender TÜV Rheinland, Berlin, Brandenburg, Pfalz, und Francisco Mingorance vom Trans-Atlantic Business Council (TABC) in Brüssel. Beide erkannten Chancen für ein Freihandelsabkommen, doch Prof. Wilde brachte es auf den Punkt: „Let’s talk“, lautete abschließend sein Statement. Es besteht also weiter Redebedarf…

Quelle:

Frank Fäller

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