Die Exzellenzuniversität Bonn und das Vertrauen in die Wissenschaft

Rektor Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Hoch, Universität Bonn | Bildquelle: Kay Herschelmann / Uni Bonn

Kabinett Verlag

KABINETT im Interview
mit dem Rektor der Universität Bonn, Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Hoch:

Kabinett: Herr Professor Hoch, im Jahr 2018, also vor sechs Jahren, haben Sie ein großes Jubiläum gefeiert: 200 Jahre Universität Bonn. Wo steht die Universität Bonn heute?

Rektor Hoch: Die Exzellenzuniversität Bonn zählt mit der Spitzenforschung ihrer herausragenden Forschenden zu den leistungsstärksten Universitäten der Welt. Einige Beispiele: Vor wenigen Tagen hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ihren Förderatlas veröffentlicht. Wir haben uns um 9 Plätze verbessert und damit einen Riesensprung auf Platz 6 in die Spitzengruppe gemacht – die stärkste Aufwärtsbewegung unter den TOP-40-Hochschulen in Deutschland. Bei den ERC-Grants stehen wir national auf Platz 3, bei den Leibniz-Preisen, quasi den „deutschen Nobelpreisen“, auf Platz 2. Auch in den großen Rankings haben wir 2024 die besten Platzierungen jemals erreicht. Das renommierte Shanghai-Ranking sieht uns zum Beispiel auf Platz 61 aller Hochschulen weltweit und auf Rang 4 in Deutschland. Angesichts eines extrem scharfen nationalen und internationalen Wettbewerbs ist das sensationell.

Kabinett: Die Universität Bonn steht auch vor großen Herausforderungen: Die Sanierung des Barockschlosses, ihres historischen Hauptgebäudes, soll mindestens zehn Jahre dauern. Wie bleibt die Universität in dieser Zeit in der Bonner Innenstadt präsent?

Rektor Hoch: Die Sanierung unseres Hauptgebäudes ist zweifellos eine enorme Aufgabe für den Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW.  Wir sehen als Universität darin aber auch eine große Chance, unsere Präsenz in der Stadt ganz neu zu definieren. Denn für uns ist weiterhin klar: Die Universität und mit ihr das universitäre Leben gehören ins Zentrum unserer Stadt! Mit der Anmietung bedeutender Gebäude wie der ehemaligen Hauptverwaltung des Deutschen Herolds in der Poppelsdorfer Allee, dem Gebäude in der Rabinstraße 8, Teilen des ehemaligen Karstadt-Kaufhofs und besonders des früheren Appelrath-Cüpper-Hauses in der Poststraße haben wir gezeigt, wie wichtig uns die Nähe zur City und ihren Menschen ist. Mit der Ersatzaula vor dem Schluss werden wir für die Dauer der Sanierung übrigens auch am Hofgarten weiterhin präsent bleiben.

Kabinett: Das „P26“ in der Poststraße 26, das Sie kürzlich eröffnet haben, scheint Ihnen besonders am Herzen zu liegen. Warum?

Rektor Hoch: Als Exzellenzuniversität möchten wir in der Kommunikation stets neue und innovative Wege gehen. Das „P26“ ist dabei ein echtes Leuchtturmprojekt. Mitten in der City wird die Faszination Wissenschaft, zum Beispiel mit den Museen und Ausstellungen, für alle Bonnerinnen und Bonner sichtbar, greifbar und erlebbar. Ein Raum für Veranstaltungen, für Begegnung und Austausch zwischen Universität und Gesellschaft, um auf Augenhöhe miteinander ins Gespräch zu kommen. Quasi eine Einladung an die Gesellschaft, die Universität direkt zu erleben – ganz niederschwellig und nahbar. Das schafft auch Vertrauen in uns und die Wissenschaft insgesamt.

Kabinett: Apropos Vertrauen: Wie sehen Sie die aktuelle Situation des Vertrauens in die Wissenschaft?

Rektor Hoch: Positiv. Das Vertrauen in die Wissenschaft ist in vielen Ländern, vor allem auch in Deutschland, weiterhin sehr hoch. Aktuelle Studien belegen, dass die Mehrheit der Menschen die wissenschaftliche Methode nach wie vor als besten Weg zur Wahrheitsfindung ansieht. Viele wünschen sich sogar eine noch stärkere Einbindung von Forschenden in politische Entscheidungen. Das ist sehr ermutigend. Zur Wahrheit gehört aber natürlich auch, dass wir tagtäglich eine Zunahme von Desinformation, Fake News und Polarisierung erleben. Das fordert nicht nur die Wissenschaft und ihre Institutionen heraus, sondern auch uns als Gesellschaft insgesamt.

Kabinett: Was bedeutet das für die Universität Bonn?

Rektor Hoch: Im Gegensatz zu den Millionen von Stories und Clips, die jede und jeder spontan und schnell posten kann, muss Wissenschaft gründlich und gewissenhaft betrieben werden. Das heißt, es geht inhaltlich nicht um persönliche Meinungen und subjektive Eindrücke, sondern um wissenschaftlich fundierte Hypothesen und objektive Erkenntnisse, die stets auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden müssen. Das Erkennen von Fehlern, der Widerspruch und auch die Korrektur eigener Erkenntnisse – das ist die große Stärke des wissenschaftlichen Prozesses! Als Universität ist es unsere Aufgabe, dies den Menschen, gerade in diesen Zeiten, in den vieles unsicher erschient und ist, noch besser erklären als früher. Ich bin überzeugt, dass wir so die Akzeptanz und das Vertrauen in die Wissenschaft weiter stärken, zumindest erhalten können.

Kabinett: Welche Rolle spielt dabei die Wissenschaftskommunikation?

Rektor Hoch: Sie ist zentral für uns als Exzellenzuniversität. Es geht darum, unsere Wissenschaft in der Öffentlichkeit noch besser zu vermitteln und neue Konzepte dafür zu entwickeln. Neben der „P26“ denke ich zum Beispiel an unsere erfolgreichen Veranstaltungsreihen „Die Exzellenzuniversität Bonn lädt ein“ oder das „Wissenschaftsfestival“ im Hofgarten, die für alle Bürgerinnen und Bürger offen sind und in der wir unsere Forschungsergebnisse zeigen, erklären und diskutieren. Damit erreichen wir bereits jetzt mehrere Tausend interessierte Menschen! Mal abgesehen davon, dass diese Formate unglaublich spannend und erkenntnisreich sind, stärken wir damit übrigens ebenfalls das Vertrauen in uns und die Wissenschaft insgesamt.

Auch die Weltlage hat sich verändert. Der internationale Austausch steht vor großen Herausforderungen. Der Ruf nach Abschottung wird lauter…

Rektor Hoch: Exzellente Wissenschaft ist und bleibt per se international. Klar ist doch: Die großen Herausforderungen unserer Zeit, zum Beispiel Maßnahmen gegen den vom Menschen gemachten Klimawandel, können nur gemeinsam gelöst werden. Hierfür braucht es eine offene, grenzüberschreitende und kollaborative Wissenschaft, vor allem auch mit Partnern weltweit, die unsere Werte teilen.  Wir müssen aber auch mit Institutionen in Ländern wie China zusammenarbeiten, die wir in vielen Bereichen als „systemische Rivalen“ definieren. Allein deswegen, weil wir andernfalls im internationalen Wettbewerb abgehängt würden. Wichtig ist jedoch, dass wir bei einem offenen wissenschaftlichen Austausch den Themen Forschungssicherheit, Forschungsintegrität und Dual Use in Zukunft noch mehr Aufmerksamkeit schenken.

Kabinett: 2025 und 2026 stehen wichtige Entscheidungen im Exzellenzwettbewerb an. Wie optimistisch sind Sie?

Rektor Hoch: Als einzige Universität in Deutschland mit sechs Exzellenzclustern und dem Titel Exzellenzuniversität haben wir in den letzten Jahren unglaublich viel erreicht. Einige große Erfolge habe ich ja eingangs bereits genannt. Die kommenden Monate mit Begutachtungen und Evaluationen werden intensiv und die Konkurrenz ist sehr groß. Wir sind aber hervorragend vorbereitet und können stolz auf das verweisen, was wir in der aktuellen Förderperiode erreicht haben. Wir haben nicht nur großartige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt für uns gewinnen können, sondern auch unsere strategischen Partnerschaften mit exzellenten Institutionen weiter ausgebaut. Und ganz besonders freue ich mich darüber, dass wir unser Ziel, den Frauenanteil bei den Professuren von unter 20 Prozent in 2019 auf nun 30 Prozent gesteigert haben. Angesichts dessen bin ich sehr optimistisch.

Kabinett: Zum Abschluss: Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Universität Bonn?

Rektor Hoch: Grundsätzlich wünsche ich mir, dass wir weitere unsere Mission erfüllen, allen unseren Universitätsmitgliedern, Studierenden, Forschenden, Lehrenden und Beschäftigten, ein Umfeld zu bieten, in dem sich ihre Neugier, ihre Kreativität und ihre individuellen Potenziale bestmöglich entfalten können. So können wir als Exzellenzuniversität Beiträge leisten für Innovationen, für Fortschritt und Wohlstand. Erlauben Sie mir an dieser Stelle einen zweiten Wunsch. Bonn muss als Stadt der Wissenschaft, als Bundes- und UNO-Stadt im Wettbewerb ein attraktiver, internationaler und sicherer Standort bleiben. Und teilweise sogar erst wieder werden. Beim Nah- und Fernverkehr zum Beispiel ist Bonn zunehmend abgehängt, bisweilen im Wortsinn nicht mehr erreichbar, was schlicht inakzeptabel ist. Deshalb haben wir gemeinsamen mit den weiteren großen Arbeitgebern die Task Force Verkehr gegründet und unterstützen, wo wir können. Wichtig ist, dass Stadt, Region, Land und Bund Rahmenbedingungen schaffen, die der Bedeutung Bonns wirklich gerecht werden.

Kabinett: Vielen Dank für das Gespräch!