Die Beschäftigten im UKB haben in der Corona-Zeit Enormes geleistet

Prof. Wolfgang Holzgreve
im Interview mit KABINETT

An welcher Rankingstelle steht die UKB Bonn in NRW?

Bei Beurteilungen von Leistungen und Reputation sollte man natürlich auf die neutralen Instanzen setzen anstatt auf die Selbstwahrnehmung. Daraus ergibt sich ein gewisser natürlicher Wettbewerb um die Qualität.

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, die Leistungen eines Klinikums miteinander zu vergleichen. Unsere Aufgaben betreffen gleichzeitig Forschung, Lehre und die Krankenversorgung. In der Forschung gibt es anerkannte Kriterien, insbesondere die Auswertungen von Zitierungen der wissenschaftlichen Publikationen und deren Impact in der Welt, aber auch das Volumen der Einwerbung von Drittmitteln von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, vom Bundesministerium für Forschung und Technologie, der EU etc. wird bewertet und verglichen.

Wir haben sechs gute Uniklinika in unserem größten deutschen Bundesland NRW. Glücklicherweise steht Bonn im Ranking mit seinen Forschungsleistungen seit mehreren Jahren auf dem ersten Platz. Das freut uns, weil wir den Auftrag für Forschung und Lehre sehr ernst nehmen und für wichtig halten. Die Qualität der Krankenversorgung ist schwieriger zu beurteilen, übrigens auch für die Patienten.
Man kann die Reputation einer Klinik z. B. bei der Ärzteschaft in Kliniken und Praxen erfragen, wie das die Wochenzeitschrift Focus seit Jahren macht. Da wir auch bei dieser Klinikliste auf Platz 1 in NRW stehen und beim durchschnittlichen Fall-Schweregrad (CMI) sogar die dritthöchste Position in Deutschland haben, befindet sich die Krankenversorgung im UKB auf höchstem Niveau, übrigens auch im internationalen Vergleich. Je höher der CMI ist, desto mehr Vertrauen genießt ein Krankenhaus bei den Patienten und Einweisern, weil man dort offensichtlich besonders oft die schwersten Fälle hinschickt und Patienten mit sehr komplexen Krankheitsbildern behandelt werden.

Unsere Spitzenposition deutet darauf hin, dass wir um Bonn herum, die ganze Rheinschiene und den umgebenden Ballungsraum mit inbegriffen und weit darüber hinaus, offensichtlich diese Funktion des universitären Krankenhauses in besonderer Weise erfüllen. Dies erfreut uns außerordentlich und wird gleichzeitig international reputiert.

Wie sieht die Jahresbilanz im UKB Bonn im Verhältnis zu anderen Unikliniken aus?

Das Universitätsklinikum Bonn hat eine Bilanzsumme von etwa 1,5 Mrd. Euro pro Jahr. Auf der Erlösseite erhalten wir einen Zuschuss vom Land für Forschung und Lehre. Aus diesem Etat wird die gesamte Lehre bezahlt sowie die Professuren. Wir bewegen uns da in einer Größenordnung von 120 Mio. EUR. Die viel größere Summe für die Krankenversorgung auf höchstem Niveau muss jeden Tag aufs Neue hinzu verdient werden. Sie erfolgt durch Zahlung der Krankenkassen, wobei in Deutschland die Vergütung für stationäre Behandlungen nach dem sog. DRG (Diagnosis Related Groups) erfolgt. Dies bedeutet, dass alle Krankenhäuser, von den kleinsten bis zu den größten, für die jeweiligen Leistungen dieselben Vergütungen erhalten. Leider gibt es bisher keine Erlöse für die besonders hohen Vorhaltekosten der knapp 40 Universitätsklinika in Deutschland. Wir sind aber am UKB bei allen Aufgaben immer besonders belastet. So haben wir über 3.000 Patient*innen mit Covid-19 stationär behandelt und 170 Verletzte der Flutkatastrophe im Ahrtal.

Am UKB sind wir stets voll belegt und haben wegen hoher Nachfrage häufig Engpässe in unserer Betten- und OP-Kapazität. Wir betreuen etwa 50.000 Patienten pro Jahr stationär, und etwa 400.000 Patienten ambulant mit Wachstumsraten von etwa 5 % pro Jahr. Unter den 6 Unikliniken in NRW besetzen wir bei der wirtschaftlichen Auskömmlichkeit die Spitzenposition, da wir jeweils die besten Jahresergebnisse in den letzten Jahren erzielt haben. Es ist auch unser erklärtes Ziel, mit den von den Steuer- und Krankenkassenzahlern zur Verfügung gestellten Mitteln auszukommen, da die Steuer- und Krankenkassenzahler, gerade diejenigen mit niedrigem Einkommen, im Moment schon stark belastet sind.

Daher versuchen wir gerade mit unserem Verband Universitätsklinika Deutschland (VUD) auf politischer Ebene für diese Vorhaltekosten eine gesonderte Vergütung zu erhalten, welche die Universitätsklinika als Maximalversorger bereitstellen müssen. Das Thema ist in der Politik angekommen und die Berücksichtigung einer besonderen Versorgungsstufe steht auch auf der Agenda von Gesundheitsminister Lauterbach. Wir vertreten den Standpunkt, dass eine Weiterentwicklung des DRG-Systems notwendig ist. Sie ist in anderen Ländern bereits erfolgt und in Deutschland längst überfällig. Es müsste so sein, dass die Zusatzkosten für die hohen Vorhaltekosten bei der Versorgung z.B. von Extremkostenfällen und Notfällen in interdisziplinären Zentren etc. in einer eigenen Versorgungsstufe berücksichtigt sind. Bedauerlichweise ist es so, dass die überwältigende Mehrzahl der Universitätsklinika in Deutschland große Defizite hat, und dieses strukturelle Defizit hängt eben wesentlich mit den vielen Sonderaufgaben zusammen, die wir bewältigen müssen.

Wie ist es mit dem Trend zur Ambulantisierung bei medizinischen Leistungen?

Ein ganz großer Trend in der Medizin, den ich sehr begrüße, ist, dass immer mehr Behandlungen ambulant durchgeführt werden können, für die früher stationäre Aufenthalte erforderlich waren. Einige Nachbarländer – insbesondere Skandinavien aber auch die angelsächsischen und die Beneluxländer – sind uns in diesem Punkt voraus. So werden z. B. Leistenhernien- Operationen in Deutschland bei über 99 % der Patienten stationär durchgeführt und in Dänemark nur bei 17 %. Das UKB betreut pro Jahr alleine 40.000 Patienten im Notfallzentrum. In diesem schlecht vergüteten Teil der medizinischen Versorgung, wo die Vorhaltekosten besonders hoch sind, sind die Wachstumsraten am stärksten.

Solche Veränderungen sollten jetzt kommen, um das erhaltenswerte System, das wir in Deutschland haben, weiter zu verbessern und für die Zukunft abzusichern. Die medizinische Versorgung in Deutschland ist insgesamt im internationalen Vergleich gut, da die Wege zu ärztlichen Betreuungen und die Wartezeiten im Vergleich zu anderen europäischen Ländern kurz sind.

Sie hatten Anfang des Jahres 140 Pflegekräfte, die streikten. Wo lag bei Ihnen die Belastungsgrenze?

Dieser Streik, zu dem die Gewerkschaft Verdi kurz vor den Wahlen in NRW aufgerufen hatte, betraf alle 6 Universitätsklinika in NRW. Eigentlich wäre der Verhandlungspartner für Verdi die bundesweit aufgestellte Tarifgemeinschaft der Länder gewesen, aber diese hatte eine Tarifverhandlung abgelehnt. Üblicherweise geht es bei Streiks um Lohnerhöhungen. Die Tarifverhandlungen waren aber gerade zum Ende des vorausgegangenen Jahres erfolgreich abgeschlossen worden. Wegen der nach einem solchen Tarifabschluss einsetzenden sog. “Friedenspflicht” konnte der Streik nur ein anders Ziel als die Lohnerhöhung beinhalten, und so wurden dann Forderungen nach Entlastung der Pflegenden von Verdi vorgetragen. Die Idee war, dass man die vorher festgelegten Verhältniszahlen, wie viele Pflegefachkräfte man pro Patienten benötigt, bzw. wie viele Auszubildende pro Ausbilder, noch einmal verändert werden sollte. Bei Unterschreiten dieser neu festzulegenden Verhältniszahlen sollte Freizeitausgleich gewährt werden, auch in der Hoffnung, dass dann mehr Pflegefachkräfte rekrutiert werden können oder im Beruf erhalten bleiben.

Das UKB verfolgt das Ziel der Entlastung schon seit vielen Jahren und hat in den letzten Jahren pro Jahr etwa hundert Pflegende jährlich mehr eingestellt. So haben wir z. B. vom Jahr 2016 mit 1.060 Vollkräften in der Pflege die Zahl bis 2021 auf 1.461 Vollkräfte gesteigert und gleichzeitig die Zahl der Patienten pro Pflegenden verringert. Trotzdem haben wir am UKB wie bundesweit gelegentlich die Situation, dass bestimmte Betten unberücksichtigt bleiben und OP-Säle schließen müssen, weil Personal fehlt. Es muss eine große Anstrengung erfolgen, diesen Beruf so attraktiv zu gestalten, dass wir insgesamt mehr Pflege-Fachkräfte in den Kliniken haben. Dies ist die Hauptaufgabe, um die wir uns bemühen, mit einer Vielzahl an Maßnahmen zur Entlastung, die auch neben guten Gehältern die Attraktivität des Berufes verbessern. So haben wir am UKB Maßnahmen wie die Chance zur Weiter –Qualifikation innerhalb des Berufes ausgebaut, wir stellen viele KiTa-Plätze bereit, verbessern das Mobilitätsangebot, helfen bei der Wohnungsbeschaffung etc.. Wir haben einen Trimm-Pfad am Übergang des Venusberg-Campus zum Kottenforst eingerichtet, stellen ab 01.01. dieses Jahres unser Fitnessstudio UKB-Fit kostenlos zur Verfügung und beteiligen uns an den Kosten für das ÖPNV-Ticket. Ebenso richten wir gerade eine “grüne Lunge” ein auf dem Gelände durch die Urbarmachung eines bisher ungenutzten internen Waldgebietes zur Entspannung für die Mitarbeitenden.

Es handelt sich beim Pflegeberuf um einen spannenden Beruf, in dem sehr viele Neuerungen an der Tagesordnung sind, die mit dem Fortschritt in Medizin und Technik zusammenhängen. Auf der anderen Seite ist es ein sozialer Beruf, bei dem man viel Dankbarkeit von den Patienten zurückbekommt. Ich glaube, es ist ein Problem in Deutschland, dass dieser Beruf zu oft schlecht geredet worden ist, dies ist in anderen Ländern weniger der Fall. Das ist sehr schade.

Hat der Streik zu irgendwelchen Ergebnissen geführt?

Zunächst mussten die 6 Uniklinika in NRW einen eigenen Arbeitgeberverband gründen, um überhaupt einen Tarifabschluss erreichen zu können. Dieser hat nach 12 Wochen Streik dazu geführt, dass die Uniklinika Entlastungskonzepte mit Verdi verabschiedet haben. Wir leiden selbstverständlich sehr darunter, am allermeisten natürlich die Patienten selbst, wenn es streikbedingte Wartelisten gibt. Als Folge des Streiks war es im letzten Jahr so, dass am Schluss über 1.000 Patienten auf der Warteliste standen, die alle Indikationen zur Operation hatten. Allerdings mussten diese vielen Erkrankten warten, weil die vorrangigen Operationen, zuerst durchgeführt wurden. Das ist sehr belastend, weil jede OP, die auf einer Liste steht, wichtig ist und daher Wartezeiten immer zu Risiken für die betroffenen Patienten führen können.

Jetzt muss sich zeigen, ob die Annahme der Gewerkschaft stimmt, dass hoffentlich viele in den Beruf zurückkommen oder neu rekrutiert werden können. Unabhängig davon bemühen wir uns seit Jahren mit großem Erfolg, die eigene Ausbildung zu intensivieren, indem wir z. B. ein neues Bildungszentrum gebaut haben, in dem sehr modern und interdisziplinär ausgebildet werden kann. Ebenfalls rekrutieren wir mit viel Engagement Pflegekräfte aus dem Ausland.

Die Verkehrssituation zur UKB ist nach wie vor angespannt. Wie sieht die derzeitige Situation aus?

Die UKB hat auf dem Venusberg eine einzigartige Lage, umgeben von dem wunderbaren Kottenforst. Nach dem Krieg war hier oben eine Kaserne frei und man war froh, ein ausreichend großes Gelände hier oben zu haben, das in der Nord-Süd Ausdehnung 1,2 km und 800 m in der Breite umfasst und die notwendige Expansion ermöglichte. Der einzige Nachteil ist, dass nur eine einspurige Straße zum Venusberg heraufführt. Dieser Punkt ist heikel, da über 400.000 Patienten jedes Jahr die Kliniken aufsuchen und noch mehr Besucher sowie knapp 9.000 Mitarbeitende.
Das bedeutet, dass über 1 Million Menschen jedes Jahr zum UKB hin und her pendeln. Es versteht sich von selbst, dass eine einspurige Straße mit dieser Auslastung völlig überfordert wird. Alternativen wie die Verbreiterung der Straßen zum Venusberg, eine neue Trasse, sogar ein Tunnel etc. wurden sorgfältig geprüft, mussten aber alle aus unterschiedlichen Gründen (z.B. wegen Flora, Fauna-, Habitat-Restriktionen, langwieriger Bundesanträge etc.) verworfen werden. Es wurde daher eine Machbarkeitsstudie für die Seilbahn durchgeführt, die bei einer konservativen Schätzung eine signifikante Entlastung der Straßen zum UKB von 19% ermittelt hat. Dadurch könnte der Verkehrsinfarkt auf dem Wege zum UKB verhindert werden.

© Universitätsklinikum Bonn (UKB)

Das Besondere an einem Universitätsklinikum ist, dass wir für die Mehrzahl unserer Mitarbeitenden keine Gleitzeit anbieten können, so wie das bei den anderen großen Arbeitgebern in Bonn z.B. Telekom, Post/DHL möglich ist. In bestimmten Bereichen unserer Verwaltung ist dies zwar umsetzbar, allerdings müssen bei uns viele schon um 7:00 Uhr morgens pünktlich da sein. Unsere Schichten sind da ganz genau vordefiniert. Das bedeutet, dass es Stoßzeiten gibt, die unveränderlich sind und zu den Staus führen. Deswegen muss für die Verkehrssituation eine Lösung gefunden werden, und zwar bald.

Die jetzigen Verhältnisse verursachen Stress für Mitarbeitende des UKB wie für unsere Patienten und Besucher. Das Problem ist bereits beachtlich und es wird jedes Jahr größer. Wir unterstützen den ÖPNV nachhaltig, arbeiten mit den Stadtwerken zusammen und haben gemeinsam effektive Bustakte ausgearbeitet. Auch Car-Sharing mit einer innovativen App fördern wir nachhaltig.

Wir haben einen vergleichsweisen hohen Anteil an Fahrradfahrern (17%), was für die hiesigen Verhältnisse beachtlich ist. Derzeit haben wir alle Optionen ausgereizt, und um zukünftigen Anforderungen im Verkehrsbereich gerecht werden zu können, wäre eine Seilbahn für die Situationsbereinigung in Bonn am naheliegendsten. Das Konzept der Seilbahn käme der gesamten Bevölkerung von Bonn und dem dazugehörigen Umland zu Gute. Seilbahnen werden heute vorrangig über Straßen geführt, um möglichst wenig die Wohnqualität zu tangieren. Ein wichtiger Haltepunkt der Seilbahn ist die Haltestelle UN-Campus hinter der Bundeskunsthalle.

Viele unserer Mitarbeitenden und Patienten kommen aus dem südlichen Kölner Raum und mehr als 15% unserer Patienten kommen aus dem nördlichen Teil von Rheinland-Pfalz. Diese können dann mit der DB zur Haltestelle hinter der Bundeskunsthalle fahren, dort in die Seilbahn einsteigen und wären 5-10 Minuten später hier oben, was ein wirklich großer Fortschritt wäre. Dann wird die Seilbahn weiter über den Rhein geführt. Insgesamt ist die West-Ost-Achse verkehrsmäßig unzulänglich erschlossen in Bonn im Vergleich zur Nord-Süd-Achse, und deswegen ist das Seilbahn-Konzept genial.

Es würde auf der linken Rheinseite die Anbindung an das Schienensystem der Deutsche Bundesbahn bedeuten und auf der rechten Seite in Ramersdorf an die S-Bahn. Damit entstünde ein Verkehrsverbund, der deutlich mehr Möglichkeiten böte als der Momentane. Die Bonner Seilbahn würde sich von der Koblenzer und Kölner dahingehend unterscheiden, dass sie in den Verkehrsverbund mit eingebunden wäre und kein Extra-Ticket gelöst werden müsste.

Da die Bonner Seilbahn Teil des ÖPNV sein wird, gibt es nach dem hoch positiven Nutzen/Kosten Quotienten von 1.6 auch eine starke Förderung durch Bund und Land, die bis zu 95% der Kosten übernehmen würden. Dadurch ist die Belastung für die Stadt signifikant verringert. Seilbahnen beinhalten sehr viele Vorteile. Man kann sie z.B. in ein bis anderthalb Jahren fertigstellen und die Kontrolle der Erstellungskosten ist leicht überschaubar. Das liegt daran, dass die Pfeiler und Kabinen weitgehend vorgefertigt sind und es sich um ein unkompliziertes Bauprojekt handelt. Dies ist eine Mobilitätsmaßnahme mit sehr guter ökologischer Nachhaltigkeit. Alles in allem ein ökonomisch hervorragender und effizienter Beitrag zur Lösung des Verkehrsproblems und darüber hinaus dem Umweltschutz zuträglich.

Seilbahn © Universitätsklinikum Bonn (UKB)

Wie weit ist das Projekt für die Seilbahn vorangeschritten, dass man damit beginnen kann?

Das Projekt wurde in vielen Bürgerveranstaltungen bereits ausgiebig diskutiert und eine breite Unterstützung ist sichtbar geworden. Auch in den großen Parteien wird das Projekt wohlwollend angenommen. Jetzt ist die hoffentlich zügige Vorantreibung des Planfeststellungsverfahrens der nächste Schritt.

Wenn Sie grünes Licht erhalten, wie lange braucht das Projekt, bis es umgesetzt ist?

Es ist schon sehr viel Vorarbeit geleistet worden, was Gutachten und Detailfragen anbelangt. Die Bauzeit einer solchen Seilbahn beträgt lediglich 1-1.5 Jahre. Je professioneller die Vorbereitung ist, desto schneller erfolgt die Umsetzung. Mein Wunsch wäre, dass wir die erste Fahrt mit der Seilbahn 2026 durchführen können.

Wird das Arbeitsangebot des neuen Bildungszentrums gut angenommen und wie viel Arbeitsplätze können damit besetzt werden?

Das neue Bildungszentrum ist für das UKB sehr wertvoll und ein komplexes Gebäude mit verschiedenen Aktivitäten, die gleichzeitig unter demselben Dach stattfinden. Wir haben neben den über 3.000 Medizin- und Zahnmedizin-Studierenden sowie weiteren akademischen Studiengängen noch mehr als 500 junge Menschen pro Jahr, die andere Berufe im Gesundheitswesen erlernen. Da geht es um Qualifikationen in der Pflege, in medizinisch-technischen Berufen etc.

Inzwischen bieten wir auch einen akademischen Studiengang für Hebammen an, der gerade gestartet wurde. Mittlerweile ist die Hebammenwissenschaft zu einem Bachelor Studiengang geworden, da es ein sehr anspruchsvoller und verantwortungsvoller Beruf geworden ist. Praktische sowie wissenschaftliche Ausbildung gehen Hand in Hand und es besteht im Bildungszentrum ein enger Kontakt zwischen den Ärzten und Hebammen.

Im Bildungszentrum angesiedelt ist ebenfalls die Weiterbildung unserer ausländischen Kräfte, die nach Deutschland kommen über Verträge, die mit verschiedenen Ländern vereinbart wurden. Unser Pflegedirektor hat viel Kontakt mit den Philippinen, mit Mexiko usw., dort findet die Selektion für die Ausbildung im Land statt. Die Sprachausbildung wird hier in Deutschland fortgesetzt und weiter bis zur Anerkennung der Qualifikation geführt. Bevor man hier am Patienten tätig werden darf, muss nochmal eine Anerkennungsprüfung abgelegt werden, und bei allen diesen Aufgaben hilft uns dieses neue Gebäude.

Gehen von den Menschen, die hier ausgebildet werden, welche wieder in ihr Land zurück?

Das ist unterschiedlich. Viele bleiben, weil sie sich hier sehr gut integriert und verwurzelt haben. Andere gehen nach einer gewissen Zeit wieder zurück. Manche schicken auch Geld an ihre Familien. Ich denke, das ist gut so, dass wir unterschiedliche Entwicklungen sehen. Wir arbeiten nur mit Ländern zusammen, die eine ausgeglichene Lage vor Ort und häufig sogar ein Überangebot an Pflegekräften haben, so dass ein wechselseitiges Interesse besteht.

Hier auf dem Venusberg wurde immer sehr viel gebaut. Neue Gebäude vergrößert, die Kinderklinik ist nach oben gekommen und das neue Herzzentrum wird gerade gebaut. Wie geht es weiter?

In der Tat ist es so, dass auf dem Venusberg-Campus des UKB viel gebaut werden musste. Die Kinderklinik ist ein Beispiel dafür. Die alte Klinik lag zwar wunderschön zwischen Adenauerallee und Rhein, was könnte eine schönere Lage sein? Allerdings war sie in die Jahre gekommen und wegen der exorbitant steigenden Instandhaltungskosten war es dringend nötig, diesen Standort zu verlassen. Wir vertraten das Konzept, eines Eltern-Kind-Zentrums, also die Zusammenlegung der gesamten Kinderklinik anstatt nur der Neonatologie mit der Geburtshilfe.

Das schafft ideale Bedingungen für die perinatale Medizin, die dort betrieben wird z. B. für unser Kinderherzzentrum, welches inzwischen eines der zwei größten in Deutschland ist. Das gleiche Konzept der Zusammenführung wurde im Gebäude für Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik (NPP) realisiert. Die Psychiatrie ist oft außerhalb am Rand des Geländes gelegen, wir bevorzugen ein integratives Konzept. Unter dem gemeinsamen Dach des NPP wird der ambulante Bereich im Notfallbereich von den 3 Kliniken geteilt. Es geht heute immer um Synergismen bei der gemeinsamen Betreuung von Patienten*innen durch kooperierende Disziplinen. Wir bemühen uns übrigens auch, die Gebäude innen und außen architektonisch ansprechend zu gestalten, weil wir der Meinung sind, dass ein gutes Ambiente auch der Heilung hilft und für die Mitarbeiter einen angenehmen Arbeitsplatz schafft.

Auch das neue Herzzentrum ist solch eine Zusammenführung, weil die Kardiologie mit der Herzchirurgie unter ein Dach kommt. Beide arbeiten jetzt schon hervorragend zusammen, befinden sich jedoch an unterschiedlichen Standorten. Der Patient, der in Zukunft das Herzzentrum betritt, wird von beiden Disziplinen ganzheitlich angesehen werden. Es kommen jeweils die Methoden und Behandlung zum Einsatz, die für den speziellen Patienten am besten sind und alle Patient*innen kommen durch denselben Eingang. Dies ist ein sehr großer Fortschritt.

DZNE und NPP © Universitätsklinikum Bonn (UKB)

Welche baulichen Veränderungen planen Sie für die Zukunft?

Wir errichten für die Forschung neue Gebäude, weil wir auch in diesem Bereich sehr erfolgreich sind mit vielen neuen Professuren und Arbeitsgruppen. Wir brauchen für unsere Studierenden neue Ausbildungszentren, weil man heute z.B. viel in kleinen Gruppen und in Skills Labs ausbildet, das erfordert die entsprechenden Räumlichkeiten. Wir planen auch noch weitere Zusammenführungen, z.B. die Bauchchirurgie mit der internistischen Gastroenterologie. Wir haben einen Masterplan, wie wir die älteren Gebäude durch neue funktionstüchtige Gebäude systematisch ersetzen.

Unser Ziel ist es, die Substanz zu verbessern und hochmoderne, innovative Gebäude zu errichten. Wir gehen Schritt für Schritt vor, und um unsere klaren Strategieziele zu erreichen, haben wir bereits über 350 Millionen € in Bauten in den letzten 5/4 Jahren investiert. Wir waren auch eines der ersten Universitäts-Klinika mit kompletter Digitalisierung aller Patientenakten, wir haben eine innovative QR-basierte Navigations-App zu unseren Gebäuden und viele Digitalisierungsprojekte, die unsere Arbeit erleichtern und fördern.

Sie haben eben die Forschung angesprochen. Was war der größte Forschungserfolg, den Sie in den letzten Jahren hatten?

Dieses Spektrum der Forschungserfolge in der Medizinischen Fakultät ist am UKB sehr groß. In der Forschung gibt es in kleineren sowie den größeren Fächern brillante Ergebnisse. Stark ist z. B. die Neuro-, die kardiovaskuläre, die genetische und immunologische Forschung. Auch die interdisziplinäre und translationale Forschung wird bei uns stark gefördert, und dass auf unserem Campus gelegene großartige deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) ist sogar durch einen Tunnel mit dem NPP-Gebäude verbunden, sozusagen die greifbare Translation. Da wird sehr viel Laborforschung zur Bildgebung betrieben bis hin zur künstlichen Intelligenz.

Betreffend unseren Schwerpunkt Immunologie: Spätestens seit COVID und der Herstellung neuer RNA-basierter Impfstoffe ist der Bevölkerung bewusst geworden, wie bedeutsam die Immunologie ist. Bakterien und Viren z.B. greifen uns immer wieder an, wie kann der Körper sich dagegen wehren? Unsere Forscher haben Beiträge in der Diagnostik für einen Covid-19 Massentest geliefert, der genauso zuverlässig, jedoch preisgünstiger ist, als die PCR-Testung. Wenn nochmal eine Pandemie käme, könnten wir zehntausende oder hunderttausende Menschen an einem Tag untersuchen. Das sind erfreuliche Forschungsergebnisse, die unmittelbar dem Patienten zu Gute kommen.

In unseren chirurgischen Fächern werden immer wieder neue Operations-Methoden entwickelt, auch durch Einsatz von OP-Robotern und den Einsatz minimal-invasiver Technik.

Forschung ist also ein ganz breit aufgestelltes Thema. Sie betrifft Medikamente, diagnostische Methoden und Therapien. Die Augenklinik hat z. B. Weltruhm erzielt in der Diagnostik und Therapie der Makuladegeneration (Altersblindheit) von der Therapie der Sehschwäche bis hin zur Gentherapie.

In der Genetik hat die Forschung die bei Krankheiten relevanten Gene identifiziert, insbesondere im Bereich von psychiatrischen Erkrankungen. Diese Sequenzierungstechniken ermöglichen heute, bei immer mehr Erkrankungen durch Diagnostik auf DNA-Ebene personalisierte Medizin anzubieten. Heutzutage ist das Wichtigste in der Forschung, dass sich die Forschungsgruppen wechselseitig austauschen und stimulieren können, was durch räumliche Nähe bei uns gefördert wird.

Deswegen haben wir direkt neben dem vorhandenen Biomedizinischen Forschungszentrum ein zweites großes Forschungszentrum errichtet. Dieses BMZ 2 wird weitere interessante Projekte in der Forschung begünstigen und ein drittes Gebäude in der Nachbarschaft mit Schwerpunkt auf Bildgebung und künstlicher Intelligenz ist in der Planung. Wir haben noch viele interessante Projekte in unserem strategischen Plan, um weiter ein führendes regionales, nationales und internationales Universitätsklinikum zu sein mit Erfolgen in Krankenversorgung, Forschung und Lehre.

Ich bedanke mich für das Interview mit Ihnen.