„Der“ Islam „gehört zu…“ oder gehört nicht…?

Waldemar Ritter © KABINETT

Waldemar Ritter im Interview mit KABINETT        

Kabinett: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“, sagte der CSU Vorsitzende und Bundesinnenminister Horst Seehofer

„ Der Islam gehört zu Deutschland“, sagte die CDU-Vorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel.

„Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland“, erklärte als Erster der gescheiterte Bundespräsident Christian Wulff.

Ritter: Das stimmt nicht! Der Erste, für den der Islam zu Deutschland gehörte, war Adolf Hitler, es waren die Nazis und SS-Reichsführer Heinrich Himmler. Hitler war vom Islam fasziniert. Himmler schwärmte für die weltanschauliche Verbundenheit zwischen Nationalsozialismus und dem Islam

Der Großmufti von Jerusalem, Mohammed Amin al-Husseini, war Präsident des Islamischen Rats und Mitglied der SS. Er half in Berlin bei der Mobilisierung ganzer Divisionen von Moslems für die Wehrmacht und die Waffen-SS.

K: Die Frage ist: gehört der Islam zu Deutschland? Oder ist der Islam unvereinbar mit einer offenen demokratischen Gesellschaft?

R: Beide Behauptungen unterstellen, dass es „den Islam“ gibt. Die richtige Frage lautet aber nicht, ob der Islam ganz allgemein gesprochen zu uns gehört oder nicht, sondern welcher Islam zu Deutschland gehören kann und welcher nicht. Das heißt, die Frage nach dem real existierenden Islam zu stellen.

K: Was hätte die Kanzlerin sagen sollen?

R: Die Wahrheit. Das man erst herausfinden müsse, welche Anteile islamischen Glaubens und Denkens sich auf Dauer mit unserer Gesellschaft vertragen. Die Politik weiß ja nicht, welche Aspekte der Islam in all seinen Facetten mit sich bringt.

K: Für Seehofer und Merkel gehören aber die Muslime zu Deutschland.

R: Ja, selbstverständlich. Beide haben ein Problem mit dem „konservativen“ Islam in Deutschland. Doch ihre Lösungsansätze gehen auseinander. Merkel will das Problem aussitzen und verdrängt es, Seehofer provoziert und will es lösen. Der Bundesinnenminister trifft dabei anscheinend den Nerv der Deutschen, 76 Prozent stimmen ihm zu. Das heißt, diese Debatte wird nicht enden, auch nicht mit Hinweis auf die Religionsfreiheit. Schon jetzt ist sichtbar, dass einige Ausprägungen des Islam nicht durch die Religionsfreiheit gedeckt sind: Die Unterdrückung der Frau, Antisemitismus und Judenhass, islamische Parallelgesellschaften, staatliche Scharia-Gerichte oder die Vollverschleierung im öffentlichen Raum.

K: Die eigentliche Fragen sind: Wie kann die Integration von einer Million muslimischer Zuwanderer gelingen? Sind Demokratie und der politische Islam vereinbar?

R: Demokratie braucht Diskussion. Ohne den Austausch konträrer Meinungen droht ein Meinungsklima, wie es in „gelenkten Demokratien“ und autoritären Staaten üblich ist. Nicht die Debatte spaltet die Gesellschaft, die Spaltung der Gesellschaft begann mit der falschen Flüchtlingspolitik. Sie ist durch einen fundamentalistisch- konservativen Islam bereits Realität, und sie wird dramatisch, wenn die Probleme nicht angepackt werden. Unter Integration werden Registrierung, Alimentierung, häusliche Unterbringung, bestenfalls Sprachkurse verstanden. Integration bedeutet aber, dass man eine Bürgeridentität annimmt, mitverantwortlich ist für die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft Deutschlands. Dabei ist die Anerkennung der europäischen Grundwerte durch die Muslime entscheidend.

K: Gibt es nicht auch Probleme staatlicher Behörden?

R: Es ist nicht zu glauben. Ausgerechnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ist die gefährlichste Behörde. Es gibt Ermittlungen wegen bandenmäßigem Asylbetrug, Bestechlichkeit, rätselhafte Versetzungen, falsche Asylbescheide einschließlich krimineller Clanmitglieder und kein Ende. Und der neue verantwortliche Bundesinnenminister wurde weder vom Amt noch von seinen Mitarbeitern informiert. Er muss jetzt durchgreifen ohne Ansehen der Person oder Institution. Aber es ist höchste Zeit, dass ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages alle

Vorgänge durchleuchtet, und zwar vollumfänglich mit einer Untersuchung zur gesamten Flüchtlingskrise seit 2015. Es ist das richtige, das notwendige Mittel, um Licht ins Dunkel der letzten drei Jahre zu bringen. Das Vertrauen der Bürger in die Handlungsfähigkeit des Staates darf nicht noch weiter beschädigt werden.

K: Welchen Islam wollen wir in Deutschland?

R: Ich denke wie Vertreter eines aufgeklärten Islams, dass nur ein Islam zu Deutschland gehören kann, der konform mit unseren europäischen Werten und dem deutschen Grundgesetz ist. Den universellen Menschenrechten muss uneingeschränkt absolute Geltung eingeräumt werden. Mit den liberalen und säkularen Muslimen hoffe ich darauf, dass der Staat dem politisch-orthodoxen Islam konsequent die Stirn bietet – bis man eines Tages sagen kann: Ein liberaler, aufgeklärter und toleranter Islam hat in Deutschland seinen Platz: Dieser Islam kann zu Deutschland gehören.

Wenn die Islamkonferenz neu einberufen werden sollte, darf man dieses Mal den konservativen Islamverbänden, die allenfalls 20 Prozent der deutschen Muslime vertreten, nicht mehr erlauben, die liberalen Muslime von diesem Forum auszugrenzen. Mit an den Tisch in Berlin gehören herausragende muslimische Islamwissenschaftler, gehört auch die Imamin Seyran Ates, die Gründerin der liberalen Ibn-Rushd-Goethe Moschee in Berlin.

Es geht gar nicht, dass in der Islamkonferenz mehrheitlich Islamorganisationen sind, die von ausländischen Regierungen oder Institutionen finanziert, dominiert und personell geführt werden. Wenn das Zusammenleben mit den Muslimen gelingen soll, sollte der Bundesinnenminister einen besseren Weg gehen. Er sollte den direkten öffentlichen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern muslimischen Glaubens vor Ort suchen.

K: Deutschland ist durch das Christentum geprägt. Dazu gehören der freie Sonntag, kirchliche Feiertage und Traditionen wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten, sagt der CSU-Vorsitzende Seehofer, und noch ausschließlicher formuliert es der CSU Fraktionsvorsitzende Dobrindt. Wie sehen Sie das?

R: Mein alter Freund und Mitstreiter für eine offene Gesellschaft seit lebhaft nachhaltigen Studententagen, Ernst Eichengrün, hat die Frage gestellt, ob dies ein neuer Totalitätsanspruch sei. So richtig es auch ist, dass die christliche Geschichte und Tradition unser Land geprägt haben und noch prägen und dazu einige unserer Grundwerte durchaus religiös zu legitimieren sind, so richtig ist aber auch, dass zu unserer Tradition und vor allem unseren Werten vor allem die Aufklärung als Erbe und Fortführung des Denkens der Antike gehört. Diese Aufklärung erst hat in der Neuzeit bis in unsere Tage hinein die Religion zivilisiert und den säkularen Staat samt manchen Grundwerten gegen die Macht der Kirche erkämpft. Davon höre ich in der Debatte überhaupt nichts. Zufall, Nachlässigkeit oder Methode? Wer sich auf Traditionen beruft, der sollte zudem auch sagen, dass nicht alle Traditionen ungeprüft weiter geführt werden sollten. Das gilt für politische Traditionen ebenso wie für religiöse.

Unsere Werteordnung des Grundgesetzes nur christlich zu begründen, ist mehr als Geschichtsklitterung, sondern grenzt an Geschichtsfälschung

K: Können Sie negative Beispiele aus der deutschen Kulturgeschichte nennen?

R: Da gibt es ein weites Feld. Da gibt es wie anderswo nicht nur Gutes. Es gibt blinde Flecken und dunkle Seiten in unserer Erinnerungskultur. Betrachten Sie den religiösen Antisemitismus solch historisch bedeutender Gestalten wie Martin Luther – das „Judensau“-Relief an der Lutherkirche in Wittenberg ist heute der Stachel im Fleisch der evangelischen Kirche – oder den Rassismus von Karl Marx, dem sich Deutschland nach dem Holocaust entschieden entgegen stellt. Nach Auschwitz gehört das für alle, die in Deutschland leben oder leben wollen, zur deutschen Staatsräson.

K: Bei den Feiern zum 200. Geburtstag von Marx habe ich davon nichts gehört.

R: Marx bezeichnete Ferdinand Lassalle, den Mitbegründer des Arbeitervereins, der späteren SPD, als „jüdischen Nigger“.

Antisemitismus und Rassismus hat es auch noch in den Jahren vor der Ankunft der Zuwanderer und der vielen Flüchtlinge in Deutschland gegeben. Wir haben jetzt neue Formen, indem wir Hunderttausende muslimische Migranten haben, die wieder eine andere Form von Antisemitismus ins Land bringen. Durch das Zusammenfließen links- und rechtsextremer und islamistischer Faktoren des Hasses gegenüber jüdischen Menschen und Israel hat sich der Antisemitismus zu einem völlig neuen Bedrohungsszenario ausgewachsen, dessen Dimensionen noch gar nicht überschaubar sind. Kein jüdischer Kindergarten, keine Schule, keine Synagoge können seit langem ohne Polizeischutz sein. Seit dem Ende der Nazidiktatur ist heute in Berlin „Jude“ wieder ein Schimpfwort. Antisemitische Rapper bekamen den „Echo“ Preis, und in der SZ konnte eine antisemitische Karikatur erscheinen. All das oder die Straftaten antisemitischer Migranten kann man nicht mit Sprachkonditorei entschuldigen und zu den Akten legen. Das ist nicht nur bedrückend. Das ist nicht hinnehmbar.

Gegen importierten Antisemitismus gibt es heutzutage vor allem Sonntagsreden. Das reicht nicht. Wer „Nazis raus“ ruft, darf nicht zulassen, dass Antisemitismus von außen zu uns hereinkommt. Dieser Islamismus gehört zu den Nazis, nicht zur Bundesrepublik Deutschland. Egal, welcher Islam zu Deutschland gehören kann und welcher nicht.

Das Interview gibt die Meinung von Waldemar Ritter wieder, nicht die der gesamten Redaktion