Bundeskunsthalle zeigt: „Dress Code“

Comme des Gacons Rei Kawakubo, Dress Foto: Peter Köster

Europa-Premiere für japanische Erfolgsausstellung – Spiel mit der Mode
Eine Modesammlung ist wie eine Schatzkiste: Luxuriöse Accessoires gehören zur schönsten Nebensache der Welt. Sie machen ein Outfit erst perfekt und die Trägerin oder den Träger mitunter zur Stilikone. Die bis zum 12. September in der Bundeskunsthalle gezeigte Ausstellung „Dress Code“ lässt Besucherinnen und Besucher eintauchen in die schrille Welt der Mode, der Haute couture,
Prêt-à-porter und fängt die Atmosphäre abseits der Catwalks ein.

Kleidung drückt Persönlichkeit aus

Unter dem englischen Begriff „Dress Code“ (Kleiderordnung) versteht man die Regeln und Vorgaben, wie man sich privat oder als Angehöriger oder Angehörige bestimmter sozialer, beruflicher oder ethnischer Gruppen kleiden sollte. Dabei handelt es sich aber nicht immer nur um textiles Gewand. Oft verbirgt sich dahinter deutlich mehr, nämlich Psychologie. Das ist uns oft gar nicht so bewusst, aber das, was wir tragen, zeigt oft viel von dem, was wir denken oder sein wollen. „Kleidung drückt Persönlichkeit aus“, sagt Kuratorin Susanne Kleine. Das zeige sich jeden Morgen beim Anziehen. „So wählen wir bei einem Termin ein Businessoutfit.“ Bei einem normalen Bürojob reiche legere Kleidung. „Bewusst oder unbewusst wird mit dem Outfit, das wir wählen, etwas ausgedrückt.“ Die Botschaften, die von der Kleidung ausgesendet werden, sind fast unbegrenzt. Kleine: „Früher gab es Mode entweder nur für den Mann oder nur für die Frau. Diese Grenzen verschwinden zunehmend. In der Mode werde immer mehr gemixt. Es passieren Transformationen. Männer ziehen Röcke an. Das kennt man bereits aus anderen Kulturen. Frauen tragen Anzüge.“

Im Vordergrund: Commes des Gacons Rei Kawakubo Spring/Summer 2018, Foto: Peter Köster

Ein nonverbales Kommunikationsmittel

Für Eva Kraus, die neue Intendantin der Bundeskunsthalle ist „Dress Code“ ihre erste Ausstellung in Bonn. Sie urteilt: „Mode ist ein wichtiges soziales, interaktives Tool, ein Mittel, um uns je nach Stimmungslage anders zu zeigen.“ Die Wahl der Kleidung habe viel mit der gewünschten Außenwirkung zu tun. „Wie möchte ich gesehen werden?“ Kleidung sei vor allem ein nonverbales Kommunikationsmittel, also nicht nur in sozialen Medien, wo man gesehen werden will und sich zeigt. Kleidung sei etwas, was die Stimmung ausdrücke. „Kleider machen Leute, also es zeigt auch, wer ich sein möchte, wie ich mich repräsentieren möchte.“
Spiegel von Gesellschaft und Individuum
Spielerisch wird in der Ausstellung der Umgang mit Kleiderordnungen und tradierten Codierungen hinterfragt. Sie beleuchtet mit unterschiedlichen Fragestellungen die internationale Mode als Spiegel von Gesellschaft und Individuum. Mode hat ihre eigene Sprache, ihren eigenen Kosmos. Themen, wie „Noblesse oblige“, Authentizität oder Markenfetischismus werden mit Exponaten inhaltlich systematisiert und visualisiert. So verhandelt die Schau Mode zwischen zwei Polen – dem Individualisten und dem Konformisten. Kleiden oder „Verkleiden“ ist ein wichtiger Motor im Selbstfindungsprozess der eigenen Identität und für die Persönlichkeitsbildung ist die Verwandlung ein kreativer Akt. Die Mode entpuppt sich als geeignetes „Vehikel von Individualisierungstendenzen“ – auch das ist eine zentrale Aussage der Ausstellung. Ob Designer-Kleid oder Jeans, Anzug, Jogginghose oder Uniform, jede Kultur, Epoche und gesellschaftliche Gruppe hat ihre eigenen Dress Codes. Sie geben den Rahmen vor, aber die Ausgestaltung bestimmt jeder Mensch ganz individuell.

Modemethode. Installatives Dress Code. Kopflose Ständer, die Spalier zustehen scheinen. Foto: Peter Köster

Einzug des Punk in die Modewelt

Die Ausstellung „Dress Code“, die vor Bonn bereits in Japan mit großem Erfolg gezeigt wurde, präsentiert erstmals in Europa „Mode als Spiel“, das die tägliche Verwandlung als wichtiges Instrument zur Darstellung unserer Persönlichkeit unterstreicht. Gezeigt werden Modeklassiker und ihre Weiterentwicklung als Streetwear. So steht Vivienne Westwoods „Schottenkaro“ für den Einzug des Punk in die Modewelt. Helmut Lang verleiht dem klassischen Anzug Sportivität und Jugendlichkeit, indem er Elemente aus der Punk-Mode aufgreift und Baumwollbänder in seine Anzugshosen integriert. Die Schau präsentiert einen weltumspannenden Überblick zeitgenössischer Mode von insgesamt 60 Designerinnen und Designer wie Giorgio Armani, Chanel, Comme des Garçons, Issey Miyake, Burberry oder Louis Vuitton, die darüber hinaus mit zeitgenössischer Kunst, unter anderem von Tom Sachs, Chelfitsch, Hans Eijkelboom, Keizo Motoda, Cindy Sherman oder Juergen Teller in einen Dialog treten. Dass die Kleidermarke oft Statussymbol ist, zeigen Teile von Armani, Louis Vuitton oder Fendi, die mit dem Logo der Marke spielen und es bewusst in den Vordergrund rücken. Natürlich darf in diesem hochkarätigen Ensemble auch Karl Lagerfeld nicht fehlen. Die Bundeskunsthalle zeigte den „Godfather of Fashion“, der 2019 im Alter von 85 Jahren starb, 2015 mit der vielbeachteten Ausstellung „Karl Lagerfeld. Modemethode“. Wie wohl der berühmte Modezar auf „Dress Code“ reagieren würde, könnte er diese Fashion physisch erleben? Diese, das sei am Rande bemerkt, kommt gänzlich ohne Jogginghose aus, über die Lagerfeld einst urteilte: „Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“.

Ausstellungsansicht: Foto: Peter Köster

Jeans von Levi Strauss wurde als praktische Arbeitshose entwickelt

Auf zwei Fotowänden ist zu sehen, dass „Dress Codes“ streng genommen nicht nur Kleidung betreffen. Dress Codes können „auf der Straße“ entstehen: unausgesprochene Codes, die die Gesellschaft hervorbringt und die sich auch in sogenannten Subkulturen finden lassen. So entwickelte zum Beispiel die Punk-Bewegung, entstanden in den 1970er-Jahren – ihren eigenen Dress Code, als Ausdruck des politischen Protestes und der bewussten Opposition gegen die gesellschaftliche Oberschicht. Im weiteren Sinn betreffen Dress Codes nicht allein die Kleidung, die man trägt, sondern auch Accessoires, Taschen, Frisuren, Kopfbedeckungen, Farben oder die Label bestimmter Designerinnen und Designer. Die Kleiderordnungen sind, wie alle anderen gesellschaftlichen Regeln, nicht starr und unveränderbar, sondern einem stetigen Wandel unterworfen. Die Jeans, 1870 von Levi Strauss als praktische Arbeitshose entwickelt, ist heute aus fast keinem Kleiderschrank wegzudenken. Das „Kleine Schwarze“ von Coco Chanel, das in den 1920er Jahren einen neuen, selbstbewussten Typ Frau repräsentierte, wurde seitdem tausendfach kopiert und abgewandelt.

Ob Chanelkostüm oder Jeans, High Heels oder Sneaker – jede Kultur und Gesellschaft hat ihre eigenen Dresscodes. Sie bestimmen, was geht und was nicht, geben den Rahmen vor und spiegeln den Zeitgeist. Natürlich spielt auch unser Geschmack eine Rolle. Aber immer wählen wir unser Outfit in Bezug auf die Codes, ob wir ihnen nun folgen oder sie bewusst unterlaufen. Peter Köster