„Adam, Eva und die Schlange“ in der Bundeskunsthalle

Schenkung Sammlung Hoffmann: Relief: Frank Stella. Foto: Peter Köster

Exklusivausstellung: Werke aus der Schenkung „Sammlung Hoffmann“ wird einmalig nur in Bonn gezeigt – Danach geht sie ins Magazin nach Dresden

Ausstellung mit Frauenpower: Gleich fünf Kuratorinnen, Eva Kraus, Susanne Kleine, Marion Ackermann, Katharina Lozo und Erika Hoffmann, verantworten die aktuelle Schau, „Adam, Eva und die Schlange“ in der Bundeskunsthalle (BKH) und begeistern Kunstinteressierte. Die bis zum 13. Februar gezeigte Bonner Ausstellung ist ganz großes Kino.

Zu verdanken ist diese grandiose Präsentation der Schenkung „Sammlung Hoffmann“. Die Namensgeberin ist Kunstsammlerin und war über ihren 2001 verstorbenen Mann Rolf Hoffmann eng mit dessen Familienunternehmen „van Laack“ in Mönchengladbach verbunden. Für den Hemdenhersteller hatte Erika Hoffmann 1972 eine Blusen-Kollektion entworfen. 2018 schenkte sie den Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden 1200 Kunstwerke, darunter Arbeiten von Gerhard Richter, Wolfgang Tillmans und Pipilotti Rist, von denen jetzt annähernd 200 Werke, darunter noch nie öffentlich gezeigte Arbeiten, in der BKH präsentiert werden. Um das ganze in Bonn überhaupt zu realisieren, hat das Haus seine größten Säle zur Verfügung gestellt. Dort werden die hochkarätigen Werke aus Malerei, Fotografie, Zeichnung, Skulptur, Installation und Videokunst wie in einem Kunstkosmos, dargeboten und wir dürfen mit eintauchen.

Überraschende Korrespondenzen

Das über Grenzen und Generationen hinweg dialogische, korrespondierende und synergetische Prinzip der Sammlung wird durch eine offene und medienübergreifende Inszenierung deutlich erkennbar. Die Präsentation bietet überraschende Korrespondenzen und spiegelt grundsätzliche existenzielle und philosophische Fragen, die zeitlos sind und bis heute in unserer Gesellschaft Gültigkeit haben. Begriffe wie Energie, Radikalität, Innovation, Vergänglichkeit, Körperlichkeit oder Flüchtigkeit werden durch die Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern wie Carla Accardi, Yael Bartana, Christian Boltanski, Monica Bonvicini, Isa Genzken, Felix González-Torres, Georg Herold, Barbara Kruger, Yayoi Kusama, Ernesto Neto, Julian Rosefeldt, Frank Stella, Wolfgang Tillmans oder Andy Warhol lebendig.

Die seit 2018 als Schenkung in den Staatlichen Kunstsammlungen
Dresden befindliche Sammlung spürt auch dem charakteristischen Verhältnis des Sammlerpaares Hoffmann zu seiner stets als beweglich verstandenen Sammlung nach. Das ganze äußert sich in einem besonders freien, dialogischen Umgang mit den Kunstwerken. „Die Sammlung Hoffmann gehört mit zu den exzellentesten Zusammenkünften von modernen und zeitgenössischen Werken internationaler Künstlerinnen und Künstler“, schwärmt Eva Kraus, Intendantin der Bundeskunsthalle. „Die Ausstellung ist ein wunderbarer Anlass, in einer von uns inszenatorisch akzentuierten Form die Reichhaltigkeit der Sammlung Hoffmann und die Vielfalt der künstlerischen Äußerungen darin zu zeigen.“ Die Spannbreite zwischen monumental angelegten und intimen Arbeiten im Dialog mache dabei die große Qualität aus. Marion Ackermann, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, konstatiert: „Die Bundeskunsthalle ist der perfekte Ort für diese Ausstellung. Hier kommt sie eindrucksvoll zur Geltung.“

Schenkung Sammlung Hoffmann: Rauminstallation. Foto: Peter Köster

Suche nach Innovationen

Erste Entdeckungen machte das Ehepaar Hoffmann in den 1960er-Jahren auf nationalen Ausstellungen, wie der Documenta in Kassel, auf Messen, in den Museen, Kunsthallen und Kunstvereinen im Rheinland. Es folgten bald erste Ankäufe, wobei das intensive Gespräch mit den Künstlerinnen und Künstlern von Beginn an ausschlaggebend war. Die Beschäftigung mit der Gegenwartskunst bot ihnen die Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit den relevanten Fragestellungen der Gesellschaft. Der Facettenreichtum der künstlerischen Äußerungen begeisterte sie, er war in ihren Augen ein wesentliches Charakteristikum der zeitgenössischen Kunst, und sie suchten nach Innovationen. Erika Hoffmann beschreibt ihr Verständnis eines relevanten Kunstwerks wie folgt: „Es sollte zum Entstehungsprozess formal und inhaltlich eigenständig, also neu sein; gleichzeitig zeitgenössisch und zukunftsweisend, also auch aktuelle Probleme der sich verändernden Gesellschaft reflektieren. Ein Kunstwerk sollte uns intellektuell wie emotional fordern. Es sollte Idee und Form als Einheit zeigen, einen uns nicht erklärbaren Rest behalten, also anhaltend irritieren und schließlich Kraft und Dringlichkeit, großen Atem und Dichte besitzen.“

Pioniere im Reigen der privaten Kunstorte sind Erika und Rolf Hoffmann, die 1997 mit ihrer Sammlung aus Köln, zuvor Mönchengladbach, nach Berlin kamen. Ursprünglich wollte das Paar, direkt nach der Wende, einen Beitrag zur Wiedervereinigung leisten, in Gestalt einer Kunsthalle für zeitgenössische westliche Kunst, die bis dato in der DDR eine große Unbekannte war. Für den Bau, vorgesehen in Dresden, hatte der amerikanische Künstler Frank Stella einen spektakulären Entwurf vorgelegt. Doch der damalige Landesvater stoppte das Projekt.

Sophie-Gips-Höfe Berlin

Nachdem die private Sammlung in den Anfängen in Köln beheimatet war, zog das Ehepaar 1997 nach Berlin-Mitte und öffnete dort in einer umgebauten Fabrik in den Sophie-Gips-Höfen die Sammlung für die Öffentlichkeit: Besucherinnen und Besucher konnten zu festen Zeiten einen geführten Rundgang durch die „bewohnte Sammlung“ erleben. Das Anliegen dieser Führungen durch die jährlich neu konzipierten sogenannten „Einrichtungen“ war „durch den Dialog mit den Kunstwerken zu inspirieren und Fragen und Gedankenverbindungen zu wecken. Die Ausstellung in Bonn zeigt nun die Sammlung in ‚fremden‘ Räumlichkeiten in ihrer Individualität, Subjektivität und auch Privatheit. Für Erika Hoffmann sind die Kunstwerke „Familienmitglieder“.

Neben installativ freien oder korrespondierenden Setzungen in der Großen Halle, der Wandarbeit „Untitled“ von Felix Gonzalez-Torres oder der thematischen Dichte in der Südgalerie mit politisch-gesellschaftlich orientierten Werken werden vier verschiedene Installationen der Sammlung Hoffmann aus den Anfangsjahren in Köln und Berlin rekonstruiert: „So werden Begriffe wie Konstruktivismus, Surrealismus, Zero oder Minimal Art durch Epochen übergreifende Dialoge zu Denkräumen, die über kunstwissenschaftliche Zuordnungen hinausgehen“, sagt Kuratorin Susanne  Kleine. „Diese „räumlichen Zitate“ ermöglichen, den (subjektiven) Umgang des Sammlerpaares mit ihrer Sammlung zu verstehen.“

Barbara Kruger „Gib acht auf den Moment wenn Stolz sich in Verachtung wandelt“ 1990 Schenkung Sammlung Hoffmann. © Courtesy the artist and Sprüth Magers Foto: Peter Köster

Begegnung mit Hans Bellmers

Während Rolf und Erika Hoffmann sich in den 1960er- und 1970er-Jahren vor allem für die abstrakten Entwicklungen in der zeitgenössischen Kunst interessierten, eröffnete ihnen die Begegnung mit Hans Bellmers 1970/71 entstandener Demi-Poupée einen neuen Zugang zum Surrealismus. In der rekonstruierten Installation werden mit Bellmer und Carroll Dunham zwei Künstlergenerationen in eine besondere dialogische Situation gebracht. Die ungewöhnliche Inszenierung mit Bett, Nachtschrank und himmelblauer Wandfarbe ist eine Setzung des Sammlerpaares.

Ende der 1980er-Jahre verkauften die Hoffmanns ihr Textilunternehmen und verließen Mönchengladbach, um ein umgebautes Fabrikgebäude in Köln zu beziehen. Dies bot mehr Möglichkeiten, die Sammlung in ihren Wohnräumen zu präsentieren und eine Praxis des Hängens zu entwickeln, die charakteristisch für die „Sammlung Hoffmann“ wurde. Die Installation, die Werke der konstruktivistischen Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts mit Werken von Frank Stella und Georg Herold zusammenbringt, erscheint dabei exemplarisch für die reflexive Auseinandersetzung, die in dialogischen Gegenüberstellungen zu neuen Assoziationen anregen wollte.

„ZERO & Kinetik“

Nachdem Erika und Rolf Hoffmann aus dem Rheinland nach Berlin gezogen waren, machten sie ihre Privatsammlung erstmals einem öffentlichen Publikum zugänglich. Die in Bonn rekonstruierte Installation ist einer Hängung aus der ersten Einrichtung 1997/98 in den Berliner Räumen der Sammlung Hoffmann nachempfunden. Hier werden die ästhetischen Verbindungen zwischen den einzelnen Künstlerinnen und Künstlern besonders deutlich. Unter den Stichworten „ZERO & Kinetik“ sind Werke von zwölf europäischen Künstlerinnen und Künstlern versammelt, die sich in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg ähnlichen künstlerischen Prinzipien widmeten.

Kuratorisches Talent

Dieses Kuratieren hat freilich seine eigenen Schwierigkeiten, verrät sie: «Im Unterschied zu einem Museumskurator, der sein Konzept mit Leihgaben vervollständigen kann, habe ich ein Chaos zu Hause und muss daraus etwas machen.» Gleichwohl gelingen ihr immer überraschende Konstellationen, die jeweils einem Schlüsselwort folgen. Gegenwärtig heisst es «Revolution» und meint sowohl politische als auch gesellschaftliche oder ästhetische Umbrüche. Prototypisch beginnt es mit den Konstruktivisten, die Ideengeber für Frank Stellas erste Wandskulptur aus farbigen geometrischen Elementen (1975) waren, man entdeckt weiter die feinen Installationen von Fred Sandback, die Wiener Aktionisten oder Kleider aus bedruckten Stoffen nach den Entwürfen von Liubov Popowa. Die Apotheose erfolgt schließlich im grossen Saal, wo sich eine überdimensionale Alu-Wandskulptur von Frank Stella mit der übermütigen Sprühattacke in knalligen Farben von Katharina Grosse zum Rendezvous trifft.

Neugier und Risikobereitschaft

Ziel ihrer Passion für die Gegenwartskunst aller Couleur und Medien war nie der Besitz, sondern die Suche nach Ideen. Sie wollten einen nie endenden Dialog mit der Kunst. Deshalb kaufte und kauft sie nur Kunst, die sie irritiert und überrascht. Diese grenzenlose Neugier, aber auch Risikobereitschaft prägen den Kosmos der Sammlung Hoffmann.

Als ihre Hausheiligen, die sie am stärksten inspirierten, nennt sie François Morellet, Marcel Broodthaers, Felix Gonzalez-Torres und vor allem Frank Stella, mit dem sie eine langjährige Freundschaft verbindet. Die Ausstellung „Adam, Eva und die Schlange“ in der Bundeskunsthalle Bonn ist eine lustvolle Suche nach Überraschungen. Eine überwältigende Begegnung. Peter Köster

Sigmar Polke: „Ohne Titel“ (Indigo) 1986 Schenkung Sammlung Hoffmann, Staatliche Kunstsammlungen Dresden © The Estate of Sigmar Polke, Cologne/VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: Peter Köster