Gropius Bau will 2022 zu einem „besonderen Ort der Begegnung“ werden

Aref El Rayess, Untitled, 1977–78 Öl auf Leinwand, 80 x 110 cm Courtesy: Saradar Collection Aref El Rayess Foundation

Berlin. „Im Jahr 2022 werden wir im Gropius Bau organisch wachsen und zu einem besonderen Ort der Begegnung werden: physisch, künstlerisch und kulturell. Unser Programm schafft mit Ausstellungen und Aktivitäten einen Raum und eine gemeinsame Grundlage – damit Menschen unterschiedlichen Alters, mit verschiedenen Hintergründen, Interessen und Fähigkeiten einander treffen können,“ so Stephanie Rosenthal, Direktorin des Gropius Bau bei der  Vorstellung der diesjährigen Ausstellungsaktivitäten.

Gleichzeitig Buch und Ausstellung

Den Auftakt macht am 18. März die Präsentation „Dayanita Singh: Dancing with my Camera“. Seit den 1980er Jahren leistet Singh Pionierarbeit auf dem Gebiet der Fotografie und überwindet immer wieder die Grenzen des Mediums. „Dancing with my Camera“ präsentiert die wichtigsten Schaffensphasen im Œuvre der international renommierten Künstlerin – von ihren frühesten Arbeiten bis heute. Die Arbeit „Let’s See“ wird speziell für die Ausstellung im Gropius Bau realisiert und zusammen mit ihren Schlüsselwerken wie den „museums“ bis zum 7. August präsentiert. Singhs Schwarz-Weiß-Fotografien schaffen Archive und Räume, die Menschen und Architekturen mit unterschiedlichen Hintergründen und aus verschiedenen Regionen miteinander in Verbindung setzen. Fotografien sind in diesen Werken jedoch nur das Rohmaterial. Singh baut mobile Strukturen aus Teakholz, durch die ihre Bilder neu arrangiert, kombiniert und räumlich neu erlebt werden können. Durch einen Prozess der akribischen und zugleich intuitiven Bearbeitung verwandelt die Fotokünstlerin ihre Bilder in Fotoarchitekturen, Montagen und Buchobjekte – immer geleitet von Grundsätzen der Fluidität, Musikalität, Choreografie und Bewegung. Mit ihren tragbaren „museums” und Buchobjekten hat Singh eine Form entwickelt, die gleichzeitig Buch, Katalog und Ausstellung ist.

Dayanita Singh, Museum of Chance, 2013 Dayanita Singh

Die Geschichte Beiruts

„Beirut and the Golden Sixties: A Manifesto of Fragility“ lässt ein schillerndes und zugleich bewegendes Kapitel der modernen Geschichte Beiruts wieder aufleben. Die Periode zwischen Ende der 1950er und 1970er Jahre fällt in die Zeit zwischen Libanonkrise 1958 und Ausbruch des libanesischen Bürgerkriegs im Jahr 1975. Die Ausstellung, die vom 25. März bis 12. Juni gezeigt wird, zeichnet das komplizierte Spannungsverhältnis zwischen dem künstlerischen Kosmopolitismus und den allgegenwärtigen transregionalen und politischen Gegensätzen Beiruts nach. Zu jener Zeit war der Charakter der Stadt geprägt durch den Zuzug von Menschen und ihren unerschöpflichen Ideen. Mit 230 Werken von 34 Künstlerinnen und Künstlern und mehr als 300 Archivdokumenten aus fast 40 Sammlungen ist dies die bisher umfassendste Ausstellung einer entscheidenden Periode in der Geschichte Beiruts.

Ausschließlich textiles Werk

Vom 22. Juli bis 23. Oktober rückt Louise Bourgeois ins Zentrum. „The Woven Child“ ist die erste große Ausstellung, die sich ausschließlich mit dem textilen Werk der Künstlerin beschäftigt. Anhand einer Vielzahl von Skulpturen, Installationen, Zeichnungen, Collagen, Büchern und Drucken zeigt die Schau die lebenslange Verbindung der Künstlerin zu Textilien – und die Erinnerungen, die diese hervorriefen. Die textilen Arbeiten, mit denen Bourgeois erst im Alter von über 80 Jahren begann, gehören zu ihren eindringlichsten und intimsten Werken. Der späte Entschluss, aus ihrer Kleidung und Haushaltstextilien Kunstwerke zu schaffen, war ein Mittel, die Vergangenheit sowohl zu transformieren als auch zu bewahren. Bourgeois verarbeitete die Gegenstände, mit denen sie Erinnerungen an bestimmte Orte und Menschen verband, zu skulpturalen Installationen. Viele davon werden im Gropius Bau zu sehen sein, zum Beispiel ihre Cells und die freistehenden „Pole Pieces“.

Fürsorge, Reparatur und Heilung

Im Herbst 2022 zeigt der Gropius Bau eine breit angelegte Ausstellung zum Thema: „Fürsorge, Reparatur und Heilung.“ (On Caring, Repairing and Healing). Die Ausstellung (Dauer: 16. September bis 15. Januar 2023) ruft mit Installationen, Malerei, Audioformaten und einem umfangreichen Performance-Programm zum Wandel auf. Sie will eine gemeinsame (Diskussions-)Grundlage für Themen schaffen, deren Relevanz für Individuen, Gemeinschaften und Institutionen in Zeiten der Pandemie noch akuter geworden ist. „On Caring, Repairing and Healing“ zeigt, auf welche Weise Künstlerinnen und Künstler, Forscherinnen und Forscher versuchen, Antworten auf drängende Fragen unserer Zeit zu finden. Die Ausstellung umkreist Themenbereiche wie Land und Territorium, (Wahl-)Verwandtschaftsverhältnisse sowie die Politisierung der Gesundheit – sowohl im historischen, als auch im aktuellen Kontext. Im gesamten Erdgeschoss des Gropius Bau präsentieren mehr als 20 internationale Künstlerinnen und Künstler Arbeiten, die sich auf postkoloniale und indigene Wissenssysteme stützen, Fremdbestimmung weiblicher Körper hinterfragen oder sich wandelnde Vorstellungen von Behinderung und Nicht-Behinderung aufzeigen. pk

Louise Bourgeois, The Good Mother (detail), 2003 Stoff, Faden, rostfreier Stahl, Holz und Glas, 109,2x 45,7 x 38,1cm The Easton Foundation/VG Bild-Kunst, Bonn 2021 Foto: Christopher Burke