Brücke-Museum Berlin gewährt Blick hinter die Kulissen

Ernst Ludwig Kirchner, „Frauen im Bade“, 1911, Öl auf Leinwand, Brücke-Museum

Berlin. Die Ausstellung „How to Brücke-Museum“ (bis 23. Januar 2023) feiert den 55. Geburtstag des Brücke-Museums Berlin und wirft einen Blick hinter die Kulissen des Museumsbetriebs. Was ist ein Museum? Welche Aufgaben hat es und wie wird dort gearbeitet?

Museumsarbeit

In neun thematischen Kapiteln werden die verschiedenen Aufgaben und Bereiche der Museumsarbeit und die Personen, die diese umsetzen, vorgestellt. Dabei sind zahlreiche Hauptwerke aus der Sammlung von Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff und Erich Heckel zu sehen. Ergänzt wird die Präsentation durch die mehrteilige Arbeit „Dienstbesprechung“ (2008) von Christian Jankowski, welche den Austausch des Brücke-Museums mit zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern fortsetzt.

Otto Mueller, „In Dünen liegender Akt“, um 1923, Leimfarbe auf Rupfen, Brücke-Museum

Kreative Reflexion

„How to Brücke-Museum“ schlägt einen Bogen von der Geschichte des Hauses und seinen Anfängen im Jahr 1964, über die Gegenwart, bis hin zu Fragen, die die Zukunft des Museums betreffen. Das Brücke-Museum sieht sich als ein Ort der kreativen, künstlerischen Reflexion, des Innehaltens, des Lernens, des Vergnügens, der Kontemplation, aber auch des Gesprächs und der Debatte. Lisa Marei Schmidt, Direktorin des Brücke-Museums: „Museen sind nicht nur Bewahrer von wichtigen Kulturgütern, sondern auch soziale Orte, die eine gesellschaftliche Relevanz haben. Für mich ist die besondere Qualität des Brücke Museums, dass es ein generationsübergreifendes Haus ist, dass Jugendliche ebenso wie ihre Großeltern begeistern kann, ein Ort, an dem man zusammenkommt.“

Otto Mueller, „Liebespaar zwischen Gartenmauern“, 1916, Leimfarben auf Rupfen, Brücke-Museum

Leopold Reidemeister

Fragen führen durch die Ausstellung „Wie fing alles an?“ Das Brücke-Museum eröffnete vor 55 Jahren, am 15. September 1967. Initiiert wurde es von dem Künstler und Gründungsmitglied der Brücke Karl Schmidt Rottluff (1884–1976). Er versprach dem Land Berlin 1964 eine Schenkung von Werken, wenn ein Museum für die „Künstlergruppe Brücke“ errichtet werden würde. Bis zu seinem Tod kaufte der Künstler zahlreiche Kunstwerke für das Brücke Museum an. Weitere großzügige Schenkungen erhielt das neu entstehende Museum von Erich Heckel und dessen Frau Siddi. Maßgeblich unterstützt bei der Konzeption und Realisierung des Museums wurde Schmidt-Rottluff durch den erfahrenen Museumsmann Leopold Reidemeister, der erster Direktor wurde. Beide wünschten sich einen möglichst naturnahen Standort. Dieser sollte auch durch die Architektur reflektiert werden, was dem Architekten Werner Düttmann mit seinen Entwürfen kongenial gelang. Häufige Fragen, die dem Museum gestellt werden, dienen als Überschriften für diese Ausstellung: „Wie kommt ein Werk in die Sammlung?“ Die rund 5.000 Werke, die sich zurzeit im Brücke-Museum befinden, kamen auf unterschiedliche Weise ins Haus: als Schenkungen, Ankäufe und Leihgaben.

Ernst Ludwig Kirchner, „Artistin“, 1910, Öl auf Leinwand, Brücke-Museum Gemeinfreies Werk

Provenienzforschung

Doch was bedeutet das eigentlich im Einzelnen? Dieser Frage wird anhand von Werken von Lise Gujer und Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Max Pechstein, Karl Schmidt-Rottluff und Max Kaus, die in den letzten Jahren in die Sammlung aufgenommen wurden, nachgegangen. Die Arbeit der Provenienzforschung („Was macht eine Provenienzforscherin, ein Provienzforscher?“) wird anhand der Vorgehensweise der Provenienzforscherin Nadine Bauer für das um 1923 entstandene Gemälde „In Dünen liegender Akt“ von Otto Mueller vorgestellt. Im Idealfall lässt sich der Weg eines Werkes von seiner Entstehung bis zur Aufnahme in den Museumsbestand lückenlos nachvollziehen. Oftmals ist er jedoch nicht vollständig rekonstruierbar, da wichtige historische Belege verloren gegangen sind oder auch gar nicht existierten. Das Publikum kann in der Ausstellung „How to Brücke-Museum“ an der wissenschaftlichen Detektivarbeit der Provenienzforschung teilhaben.

Eigene Autorenschaft

Eine der zentralen Fragen der Museumsarbeit lautet „Wer entscheidet, was gezeigt wird?“. Die Rolle der Kuratorin, des Kurators hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert und wurde verstärkt unter eigener Autorenschaft gelesen. Letztlich bedeutet kuratieren jedoch sich kümmern, sich sorgen, („curare“ Lat.) und im Kontext einer Ausstellung dazu noch das Auswählen, Anordnen und Kontextualisieren. Im Museum kommt außerdem das Vermitteln der Inhalte hinzu. Um die Vorstellung einer allgemeingültigen Deutungshoheit infrage zu stellen und zu demonstrieren, dass Kuratieren auch immer von persönlichen Perspektiven geprägt ist, wurde in diesem Teil des Ausstellungsrundgangs das Kuratieren demokratisiert und jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter des Museums durfte sich ein Lieblingswerk aussuchen, das von einem persönlichen Statement begleitet wird.

Ernst Ludwig Kirchner, „Bahnhofscafé“, 1929, Aquarell und Tempera, Brücke-Museum

Dienstbesprechung

Das Brücke-Museum sucht als Museum, das von Künstlern gegründet wurde, den Dialog mit zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern. Das Kapitel „Wie denken Künstlerinnen und Künstler Museen?“ zeigt Christian Jankowskis Installation „Dienstbesprechung“ (2008). Die Arbeit wurde anlässlich seiner Einzelausstellung für das Kunstmuseum Stuttgart produziert und thematisiert die unterschiedlichen Arbeitsbereiche der Institution Museum. Jankowski wies damals an, jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin sollte in Vorbereitung der Ausstellung den Beruf mit einer Kollegin oder einem Kollegen tauschen. Das Losverfahren entschied, wer welchen neuen Arbeitsplatz einnahm. So wurde ein Mitarbeiter der Sicherheitszentrale zum neuen Kurator und entschied, welche Werke des Künstlers an welchem Platz ausgestellt werden, während die Kuratorin das Museum nun von einem Videoüberwachungsraum aus im Auge behielt. Die Arbeit thematisiert die Institution Museum und stellt die Personen, die eine solche Einrichtung mit Leben füllen, in den Vordergrund.

Ernst Ludwig Kirchner, „Schlemihls Begegnung mit dem Schatten“, 1915, Farbholzschnitt in Schwarz, Rot, Gelb, Blau und Grün, Brücke-Museum, Karl und Emy Schmidt-Rottluff Stiftung

Bildung und Vermittlung

Vermitteln ist eine der Kernaufgaben des Museums. In den meisten Museen gibt es dafür eine Abteilung Bildung und Vermittlung, die Formate für unterschiedliche Nutzerinnen und Nutzer entwickeln. Im Brücke-Museum heißt dieser Arbeitsbereich Outreach. Hier steht im Fokus, welche Gesellschaftsgruppen bisher nicht eingeladen sind oder sich nicht eingeladen fühlen. Outreach beschäftigt sich also mit Ausschlüssen und Barrieren und vor allem damit, wie diese abgebaut werden können. „Was geht mich das an?“ stellt das digitale Outreach Projekt „Various Answers“ vor, das von der Kulturstiftung des Bundes gefördert wurde und auf partizipative und experimentelle Weise verschiedene Zugänge zu der Sammlung des Brücke-Museums ermöglicht. „Wie bewahrt man Kunst?“ thematisiert die Restaurierungsarbeit, denn auch Kunst altert und ihr Bewahren ist wichtiger Bestandteil der musealen Arbeit. Im Verlauf der Zeit können Farben verblassen, Papiere vergilben, Holz reagiert auf das Raumklima und kann Risse bilden und alle Werke, die nicht verglast sind, fangen genauso Staub wie die Möbel zu Hause.

Ernst Ludwig Kirchner, „Im Cafégarten“, 1914, Öl auf Leinwand, Brücke-Museum

Digitaler Raum

„Analog oder digital?“ Das Brücke-Museum digitalisiert seit 2018 seinen Bestand. Auch wenn das Original nicht ersetzt werden kann, bietet der digitale Raum zusätzliche Chancen. Beispielweise kann das Brücke-Museum, aufgrund der räumlichen Kapazitäten, nie mehr als zwei Prozent seiner Sammlung zeigen. In der Sammlung Online indes befindet sich gegenwärtig mehr als 30 Prozent des Sammlungsbestands und sie wird konstant erweitert mit dem Ziel, irgendwann den gesamten Bestand online zu stellen. pk