Panta rhei – Kultur ist alles von Menschen Geschaffene und Gestaltete

Waldemar Ritter. Foto: Hartmut Bühling.

von Waldemar Ritter

„Kultur“ in einem umfassenden Sinne ist zweifellos die „Gesamtheit der typischen Lebensformen“ einer Bevölkerung einschließlich der sie tragenden „Geistesverfassung“. Diese Lebensformen umfassen Sprache und Religion, Ethik, soziale Institutionen, Staat, Recht, Kunst und Wissenschaft. Die jeweils spezifischen, historisch gewachsenen Lebensformen dienen der Stabilisierung, Selbstvergewisserung und Abgrenzung sozialer und ethnischer Gruppen und sind Grundlage von deren Identität. Vermittels dieser Lebensformen erfahren, verarbeiten und verändern die Menschen Wirklichkeit.

Kultur im engeren Sinne umfasst zum einen das Nachdenken des Menschen über sich selbst und seine (Um-)Welt. Die spezifisch europäische Form dieses Nachdenkens ist die Aufklärung, ist die neuzeitliche Wissenschaft. Kultur umfasst zum anderen die Deutung von Mensch, Natur und Geschichte mittels verschiedener Formen der Gestaltung, aus denen die Künste entstanden sind.

Das Leben des Menschen vollzieht sich in jedem Augenblick an der Schnittstelle von Vergangenheit und Zukunft. Durch Kultur versichert und bemächtigt sich der Mensch beständig der Vergangenheit, um die Zukunft zu bewältigen und gestalten zu können. Sie stärkt Individuum und Gemeinschaft bei der Bewältigung von Veränderungen und Umbrüchen, entfaltet stabilisierende Kräfte angesichts vielfältiger Bedrohungen und hilft bei der Sinnfindung angesichts vielfältiger Erfahrung von Sinnlosigkeit.

Kultur hat mit unserer Geschichte und mit unserer Zeitgeschichte zu tun. Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten. Die nationalsozialistische Diktatur war die moralische und politische Katastrophe Deutschlands. Die Diktatur der SED-DDR ist damit nicht gleichzusetzen, aber durchaus mit dem NS-Regime vergleichbar. Dennoch sind weder diese noch jene, auch nicht beide zusammen, die ganze deutsche Geschichte. Wenn ich von deutscher Geschichte spreche, dann denke ich an das Römische Reich deutscher Nation, an die Goldene Bulle, an mittelalterliche Kaiser und Könige, an 2000 Jahre alte Städte wie Augsburg, Trier, Regensburg, Köln oder Bonn, an Walther von der Vogelweide, an Hildegard von Bingen und Elisabeth von Thüringen, an Hanse und Fugger, an Luther, an den Dreißigjährigen Krieg, an August den Starken, die Wittelsbacher, Friedrich den Großen, Bismarck und Lassalle.

Ich denke an das Wartburg- und an das Hambacher Fest, an die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche und an die Weimarer Nationalversammlung. Vor allem meine ich damit aber das Volk Kants und Herders, Goethes und Schillers, Lessings und Heines, Hölderlins und Büchners, Bachs und Beethovens, Dürers und Schinkels. Ich meine Gutenberg, Leibniz und Humboldt, Planck und Einstein, Marx und Hegel, aber eben auch Hitler, den Holocaust, sechs Millionen ermordete Juden, den Hitler-Stalin-Pakt, der den Zweiten Weltkrieg in Europa entfesselte.  Ich denke an die Gestapo, die SED-DDR und die Stasi.

Im Gegensatz dazu denke ich an herausragende Patrioten des deutschen Widerstands, von Kurt Schumacher  über Graf Stauffenberg und Willy Brandt bis zu den Geschwistern Scholl an der Universität München und Herbert Belter an der Universität Leipzig. Oder Bert Brecht und seine Kinderfibel:

„Anmut sparet nicht noch Mühe,

Leidenschaft nicht noch Verstand,

dass ein gutes Deutschland blühe,

wie ein anderes gutes Land“.

 

Kein Kapitel deutscher Geschichte darf ausgelassen werden. Und vergessen wir dabei nicht die erste Fußballweltmeisterschaft 1954 in Bern und das deutsche Wirtschaftswunder. Auch nicht den  17. Juni 1953, den großen Arbeitervolksaufstand in der DDR.

Vor allem denke ich aber an das deutsche Grundgesetz, das von 1949 bis heute  der kulturelle, soziale und rechtliche Stabilitätsanker Deutschlands ist. Und dass es seither gelungen ist, den Frieden in Deutschland und West-Mitteleuropa zu erhalten, wie das noch nie in der Geschichte Deutschlands und Europas gewesen ist. Heute wird Vielen allmählich wieder  bewusst, dass wir uns um die eigene Zukunft in Deutschland und  Europa kümmern müssen.   Kein Kapitel für sich allein ist die deutsche Geschichte.

Heute steht Deutschland auf zwei Beinen: Westdeutschland lieferte die erste erfolgreich erprobte Verfassung, Ostdeutschland die erste erfolgreiche demokratische Revolution in Deutschland. Im Einigungsvertrag haben wir erstmals verfassungsgleich festgestellt: Deutschland ist ein Kulturstaat!

Deutsche Geschichte und Kultur waren und sind immer auch europäische Geschichte und Kultur.

Europa ist am allerwenigsten ein geographischer, sondern ein kultureller Weltteil. Die Kultur und die Geschichte unseres Kontinents sind ein einziges Wechselspiel zwischen dem Teil und dem Ganzen, und wir alle haben ein Bewusstsein, dieser Kulturwelt ganz anzugehören, das auf gemeinsamen Traditionen und Werten aufgebaut ist: Die Wissenschaft  und Kunst der Antike, der römische Rechts. und Staatsgedanke, das Christentum und die Aufklärung. Das ist die Synthese europäischer Kultur, die alle Europäer geprägt hat.

Die Menschen unterschiedlicher Weltgegenden sind beim Denken und Deuten im Laufe der Geschichte zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Kultur repräsentiert deswegen von vornherein eine Vielzahl von Möglichkeiten. Diese Vielzahl prägt und strukturiert soziale Gruppen unterschiedlicher Größe.

Familien sind ebenso von dieser Vielfalt geprägt wie ethnische Gruppen und Nationen. Diese gewissermaßen „natürliche“ kulturelle Differenz muss und wird auch unter veränderten staatlichen Strukturen erhalten bleiben. Sie ist kein lästiger Hemmschuh von nationalen und internationalen Vereinigungs- und Verbindungsprozessen, sondern im Gegenteil Voraussetzung für ihr Gelingen.

Die plurale Struktur von Kultur korrespondiert mit der pluralen Struktur einer demokratischen Gesellschafts- und Staatsform. Insofern ist Kulturpolitik und Kulturförderung immer auch Demokratieförderung.

Kultur ist essentielle Voraussetzung jeder Staatsbildung insofern, als der Mensch erst über sich und seine Stellung in der Welt reflektieren muss, bevor das komplexe Gebilde eines Staatswesens entstehen kann. Es gibt Kulturen ohne Staat, aber keinen Staat ohne Kultur. (Schon in der Steinzeit gab es Kultur, aber noch keinen Staat).

„Wer an den Dingen seines Staates keinen Anteil nimmt“, hat Perikles 430 Jahre v. Chr. gesagt, „ist nicht ein guter Bürger, sondern ein schlechter“.

Insofern ist Kultur „staatstragend“, weil sie integriert und auf die Zukunft orientiert. Insofern ist der Umgang eines Staates mit den kulturellen Potenzialen seiner Bürger und mit seiner und mit deren Geschichte Indikator auch für seine „Überlebens“-, Zukunfts- und Kooperationsfähigkeit. Der in der Vergangenheit schon erreichte, in der Zukunft angestrebte Erkenntnisgewinn muss vom Staat und seinen Repräsentanten für die Gestaltung einer immer komplexer und komplizierter werdenden Zukunft und der Weiterentwicklung der menschlichen Lebensverhältnisse genutzt werden. Kultur ist ein nicht unwesentliches Unterschiedskriterium der Nationen untereinander und konstitutiv für ihr Begreifen als „Kulturnation“.

Für das Nationalbewusstsein gerade der Deutschen, die erst spät zum Nationalstaat fanden, war sie in den Zeiten staatlichen Partikularismus und den Jahrzehnten der deutschen Teilung von entscheidender Bedeutung. Es war die Kultur der deutschen Klassik, die um 1800 ein geistiges Nationalbewusstsein prägte, und es war die Kultur, die trotz Mauer und Stacheldraht ein einigendes Band zwischen den Menschen in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR blieb. Zugleich war der Partikularismus auch die wesentliche Ursache für die kulturelle Vielfalt und Lebendigkeit, die andere große Kulturnationen in dieser Form nicht kennen. Äußeres Erscheinungsbild und innere Struktur von Staaten sind wesentlich geprägt von den kulturellen Verhältnissen. Sie konstituieren deren Identität als Kulturstaaten und Kulturnationen.  Zugleich profilieren sie sie im geistig-kulturellen Wettbewerb als „kulturelle Standorte“.

Wie jede nationale Kultur befindet sich auch die deutsche Kultur im Wandel. Sie wird von Biodeutschen und Neudeutschen und Überdeutschen, von deutschen Europäern und europäischen Deutschen und Leuten erneuert, die gar keine Deutschen sein wollen. Auch Achmed ist ein Deutscher und der Holocaust  damit ein Teil seiner Geschichte. Das Erbe  des Holocaust ist deutsche (Leit-)Kultur.

Wenn Deutschland auch weiterhin eine große Kultur sein will, dann geht gar nicht, was ich in der FAZ als das Unausgesprochene gelesen habe: Hartnäckig hält sich in Teilen unseres Landes  die Überzeugung, die Deutschen hätten eine Art  Monopol auf Sittlichkeit. Man glaubt allen Ernstes, dass Verhaltensweisen und Ideale, die immer schon in europäischen Ländern verbreitet waren und sind, eine sogenannte deutsche Leitkultur ausbildeten – und zieht dabei Bestätigung selbst aus jenen Tugenden, die man schnell  als unangenehm abtun kann, wie Pedanterie und Korrektheit. Wobei die reflexhafte Abwehr dieser Tugenden ebenso dumm ist. Was ist das für eine Kultur, die sich einer solch oberflächlichen Leitkultur unterordnen soll?  Und wie  verhält sich das zur ohnehin schon unübersichtlichen Ordnung von Hoch- und Sub–, von Massen-und Alltagskultur? Es ist wohl typisch deutsch, über einen Begriff und nicht über  die lebendigen Inhalte und Normen unserer Kultur zu diskutieren. Das korrespondiert mit jenen, die etwas im Kopf haben, ohne den Gesamtprozess zu erkennen.

Exkurs: Antisemitismus

Es gibt das Grundgesetz und nicht nur Wertiniativen. Es  treibt uns die Sorge, dass die notwendige, die freiheitlich-demokratische Leitkultur in Deutschland erodiert. Dazu gehört auch, dass Judenfeindlichkeit nicht nur  im wachsenden Rechts- und Linksextremismus wieder blüht, Der Chef der Holocaust-Gedenkstätte sieht den Werteverfall in Deutschland wie vor dem Zweiten Weltkrieg. „Jude“ ist auf manchen Plätzen wieder ein Schimpfwort. Nehmen wir überhaupt wahr, wie sich rechte Reichsbürger und linke Aluhut-Träger in unendlichen Chatverläufen über jüdische  Verschwörungstheorien ereifern?

Oder, dass in staatlichen Schulen und auf  Berliner Straßen „Jude“ immer häufiger zum gängigen Schimpfwort wird? Dass Synagogen bedrängt, Juden beim Beten gestört, Gewalttaten begangen und jüdische Kinder bedroht werden? Und dass öffentlich rechtliche Fernsehsender mit absurden Argumentationen ausgerechnet einen in der Kulturkritik hochgelobten Beitrag zum Antisemitismus zensieren, Grundrechte missachten und den Antisemitismus weiter verharmlosen? Die einen machen das ganz offen. Andere machen das bewusst und verstecken sich. Viele sind antisemitisch und merken es nicht.

Was mir mit Elio Adler und muslimischen Wissenschaftlern wie  Bassam Tibi große Sorge macht, ist der „politische Islam“, in dem Religion politisiert und Politik religiös besetzt wird. Es ist richtig, Menschen in Not zu helfen.  Aber wir dürfen die Augen nicht verschließen vor den schlimmen Folgen der undemokratischen, einer am Grundgesetz und an Europa vorbei monatelang unkontrollierten und unbegrenzten  „Flüchtlingspolitik“, die die Bundeskanzlerin  und  ihre unkritischen Gefolgsleute in allen Bundestagsparteien  und in den Medien angerichtet haben.

Zu dem bereits brodelnden Sud antisemitischer Rassisten kommt noch der Zustrom durch Hunderttausende, die häufig nicht nur schwer überwindbare eigene Kulturmuster mitgebracht haben, die von sich her ein Integrationsproblem sind, sondern oft antisemitisch sozialisiert sind. Ihre Religion stützt und fördert diese Einstellung. Der Koran enthält viele offen antisemitische Aussagen. Es wäre nicht angebracht, ihn deswegen zu verbieten. Doch wir können von den hiesigen Moslems erwarten, dass sie solche Aussagen als historisch bedingt relativieren, ebenso wie manche anderen Passagen, die zur Intoleranz aufrufen.. Es wäre angebracht, solche Imame, die sich die antisemitischen Texte  aus dem Koran aggressiv zu eigen machen, vor Gericht zu stellen, Ich fand es auch unerträglich, als vor wenigen Jahren die Berliner Polizei bei muslimischen Demos nicht gegen offen antisemitische Sprüche einschritt.

Unsere heutige Mehrheitsgesellschaft hat den einheimischen Antisemitismus, hat das Rassismusproblem  nicht in den Griff bekommen.  Wie will sie das schaffen, da hunderttausende Antisemiten dazu stoßen?  Es gibt Gründe, dass die Mehrheit der Europäer einen Einwanderungsstopp aus diesen Ländern verlangt. Auch unsere demokratische Grundordnung ist nicht beliebig belastbar.

„Nie wieder“? Haben schon viele Deutsche  im Rausch ihrer Willkommenskultur vergessen, dass in ihrem Namen  sechs Millionen Juden ermordet wurden? Ich  halte es für unglaublich, dass das Deutschland des 21. Jahrhunderts „ Nie wieder!“ schlicht vergessen hat und sein unauslöschliche Schuld des Mordes an sechs Millionen Juden unbewusst verdrängt.

Deutschland macht heute unbedacht Antisemiten zu den Günstlingen seiner Willkommenskultur.

Nach Auschwitz haben Deutsche ebenso wie alle, die zu Deutschland gehören, alle, die in Deutschland leben oder leben wollen, die historische Pflicht, Lehren zu ziehen. Lautes Schweigen, noch immer. Das 11. Gebot heißt: Du sollst Dich erinnern! Und  die historische Verantwortung übernehmen.  Dem jungen Migranten, die mich fragen, was habe ich mit dem Holocaust zu tun, sage ich: Wenn du in unserem Land leben willst, dann trägst  du wie alle anderen auch die Verantwortung dafür, dass sich die dunklen Seiten seiner Geschichte nie wiederholen.

Wer sich einem Volk anschließt, der übernimmt alle Aktiva und Passiva aus dessen politischer, wirtschaftlicher und historischer Bilanz. Er übernimmt die Infrastruktur, er profitiert vom Sozialsystem, er muss aber auch die Verpflichtungen übernehmen. Das gilt auch für die  Geschichte.

Gerade muslimische Zuwanderer; die sich oft – egal, ob zu Recht oder nicht – über Isolierung, Vorurteile und Diskriminierung beklagen, sollten sensibilisiert sein, andere Gruppen, in diesem Fall  also die Juden, abzustempeln und damit für Verfolgung frei zu geben.

Und wie steht es mit der Haltung zu Israel? Wir können von den Zuwanderern nicht verlangen, dass sie, sobald sie den deutschen Pass haben, in unbändiger Liebe zu Israel verfallen. Doch sie sollten zumindest anerkennen und respektieren, dass Deutschland ein besonderes Verhältnis zu Israel hat, haben muss. Sie sollten wissen, dass es den Deutschen unpassend erscheint, wenn in unserem Land immer wieder heftige, teils sogar strafwürdige Attacken gegen Israel geritten werden. Sie sollten sich auch nicht von den Links- und Rechtsradikalen die äußerst fragwürdige Formel einreden lassen, dass überzogene Dauerkritik an Israel nichts mit Antisemitismus zu tun habe. „Der Antisemitismus lauert hinter dem Antizionismus  wie das Gewitter hinter der Wolke“ sagte einst Jean Améry (österr. Schriftsteller und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Anm. der Red..

„Wehret den Anfängen“ gilt für alle in Deutschland  Und allen sage ich mit dem Islamgelehrten und Generalsekretär der größten muslimischen Organisation der Welt, dem Indonesier Yahya  Cholil Staquf:

Es gibt einen ganz klaren Zusammenhang  zwischen Fundamentalismus, Terror  und den Grundannahmen der islamischen Orthodoxie.. Ein Problem, das geleugnet wird  kann nicht gelöst werden. (Eine Lösung kann nur  auf dem Boden geistiger Auseinandersetzung  und einer Debattenkultur über die anstehende Problematik, also einer Kultur der Gedanken- und Redefreiheit gefunden werden. Also keine „innere Zensur“, die unbequeme Gedanken unterdrückt oder eliminiert und keine deutsche politische Kultur, die „jede Abweichung gereizt ahndet“ (Adorno). Theodor W. Adorno war ein deutscher Philosoph. Anm.d. Red.).

Kultur ist ein wesentliches Element der Lebensbedingungen und damit in vielen Fällen auch der Entscheidung zugunsten eines Wirtschaftsstandortes.

Deutschland kann dies bei der Bestimmung seiner veränderten Rollen in Europa und in der Welt nicht unberücksichtigt lassen.

Jede Kulturförderung ist eine Investition in die Zukunft des Individuums und der Gesellschaft. Es ist daher bedenklich und gefährlich, sie abhängig zu machen von tages- und parteipolitischen Erwägungen und der aktuellen Finanzlage.

Staatliche Kulturförderung muss sich – in Konsequenz der Blickrichtung von Kultur auf Vergangenheit und Zukunft – prinzipiell in gleicher Weise auf zwei Bereiche erstrecken:

  1. Die Förderung einer umfassenden Auseinandersetzung mit der kulturellen Hinterlassenschaft zurückliegender Epochen unter historischer und ästhetischer Perspektive. Nur diese fortwährende Auseinandersetzung konstituiert dauerhafte individuelle und gemeinschaftliche kulturelle Identität
  2. Die Förderung zeitgenössischer kultureller Tätigkeit, d.h., zum einen der

künstlerischen Produktion, zum anderen der aktiven Teilhabe an Kultur. Kunst und Kultur entfalten erst als Bestandteil der allgemeinen Bildung ihre Individuum und Gesellschaft prägende Kraft. Die Teilhabe an Kunst und Kultur ist wesentliche Aufgabe kultureller Bildung. Sie stärkt das Urteilsvermögen vor allem junger Menschen und ermutigt zur verantwortlichen Mitgestaltung der Gesellschaft.

Die Förderung der Auseinandersetzung mit dem kulturellen Erbe bliebe ohne die Förderung kultureller und künstlerischer Tätigkeit fragmentarisch, weil jede Beschäftigung mit der Vergangenheit ohne Blick auf die Zukunft zum Selbstzweck verkommt, jede kulturelle Tätigkeit ohne Blick auf die Vergangenheit die Kontinuität und die Brüche von Entwicklungen ignoriert und damit beliebig wird.

Panta rhei.  Goethe hat das in seinem Gedicht „Dauer im Wechsel“ recht anschaulich gemacht

„Gleich, mit jedem Regengusse,

Ändert sich dein holdes Tal

Ach! Und in demselben Flusse

Schwimmst du nicht zum zweitenmal“.

Kulturkritisch ist Kultur  die Kultur des Gewordenen und des Werdenden, ist Kultur von Menschen gemacht, Kultur als Modus unseres Zusammenlebens. Kultur lässt sich kaum fassen, kaum definieren. Kultur ist eher das, was uns definiert. Wenn wir sie heute selbst definieren, brauchen wir unsere Kultur und Kunst wie das tägliche Brot. Es ist schon zu viel aus den Fugen geraten in der Welt und bei uns.